Society | Virgl

Der Virgl gehört uns allen!

Die aktuell wieder aufgeflammte Diskussion rund um den Virgl ist beispielhaft dafür wie in Südtirol Kultur und öffentlicher Raum kommerzialisiert werden.
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Foto: Michael Keitsch

Es ist schon an sich ziemlich befremdlich, dass man darüber diskutiert es einem Privatinvestor zu überlassen ein Landesmuseum auf dem Virgl zu bauen. Hat das Land Südtirol nicht selbst die Mittel seine Museen zu bauen? Sind Landesmuseen nicht Allgemeingut und sollten daher auch im Besitz der Allgemeinheit sein?

Sehr problematisch – und für mch der eigentliche Anlass diesen Text zu verfassen – ist aber die Tatsache, dass man hier einmal mehr mit dem Gedanken spielt öffentlichen Raum zu privatisieren. Die Privatisierung des öffentlichen Raumes kommt einer Schwächung der Kernkompetenz der Gemeinde gleich. Schließlich gibt damit die öffentliche Hand einen großen Teil ihres Mitspracherechts bei der Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Raums ab. Besonders fatal daran ist, dass die Privatbesitzer des ehemals öffentlichen Raums letztendlich diesen Raum, nur noch einer ausgewählten Menschengruppe zugänglich machen können. Bestes Beispiel dafür ist etwa das Bahnhofsviertel in Bozen, welches die Gemeinde bereits dem selben Investoren überlassen hat, der jetzt auch auf dem Virgl ein Bauprojekt plant.

Was bedeutet die Privatisierung des öffentlichen Raumes konkret für den Bozner Hausberg Virgl? Würde man den Virgl einem Privatinvestor überlassen, könnte dieser darüber Verfügen, wer ihn künftig noch besuchen darf. Da man davon ausgehen kann, dass der Privatinvestor auch Geld verdienen will, würde dies bedeuten, dass der oberste Teil des Virgls damit nur noch zahlenden Besucher*innen zugänglich gemacht wird. Ist dies wirklich im Interesse der Bozner*innen? Ich wage zu behaupten, dass dies nicht der Fall ist.

„Würde man den Virgl einem Privatinvestor überlassen, könnte dieser darüber Verfügen, wer ihn künftig noch besuchen darf.“

Abgesehen davon, dass eine Privatisierung des Virgls schon alleine aus urbanistischen und sozialen Gründen sehr problematisch ist, wird sie dem Virgl nicht gerecht. Der Virgl ist aus vielerlei Gründen ein sehr sensibler und bedeutender Ort. So finden sich um und auf dem Virgl verschiedene architektonische und archäologische Zeugnisse aus den unterschiedlichsten Epochen. Mit dem „Castellum Bauzanum“ und der fast restlos geschleiften Burg Weineck befanden sich zwei Befestigungen auf dem Virgl, wir wissen von sieben Kirchen, die im Laufe der Jahrhunderte auf oder am Virgl errichtet wurden und bis auf zwei wieder abgegangen sind. Um 1900 wurde auf dem obersten Plateau ein Pension erbaut, der Virgl wurde zu einem beliebten Ausflugsziel. Bald wurde der Bozner Hausberg mit einer Zahnradbahn erschlossen (seinerzeit der steilsten in Tirol!), nachdem diese im zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer zerstört wurde, wurde eine Seilbahn errichtet, die 1976 stillgelegt wurde.

Auch aus ökologischer Sicht ist der Virgl besonders wertvoll: Er bietet nämlich seltenen Tierarten wie dem Wiedehopf oder der Smaragdeidechse ein Refugium, weswegen deren Lebensraum so wenig wie möglich verbaut werden sollte.

Dass der aktuelle Zustand des Virgls ein Trauerspiel ist, ist unbestritten. Daran schuld sind sowohl Versäumnisse der Stadt Bozen als auch Spekulationen von verschiedenen privaten Investoren.

Der Virgl ist aus vielerlei Gründen ein sehr sensibler und bedeutender Ort.

Wenige Jahre nach der Stilllegung der Virglbahn erlitt das Restaurant neben der ehemaligen Bergstation einen großen Brandschaden und wurde bald darauf geschlossen. Daraufhin geriet der Virgl langsam in Vergessenheit. Bis in die frühen 2000er Jahre pflegte ein Tennisverein das Gelände, welches neben mehreren Tennisplätzen auch ein Schwimmbad beinhaltete. Nachdem der Verein um 2010 durch Privatinvestoren vom Virgl geschickt wurde begann der Verfall des Areals. Damals wollte eine Gruppe von Investoren rund um Peter Thun aus dem Virgl einen „Märchenhügel“ mit Hotel und Kongresszentrum machen. Das Vorhaben scheiterte letztlich an den politischen Widerständen in Bozen selbst. Seither verfällt der Virgl mehr und mehr. Der eigentliche Abstieg des Virgls begann allerdings bereits im Jahre 1976 mit der Stilllegung der Virglseilbahn. Der damalige Betreiber sah sich finanziell nicht im Stande die hohen Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Anstatt in den Seilbahnbetrieb einzusteigen, sah damals die Stadt Bozen zu wie der Betrieb der Seilbahn eingestellt wurde. Damit verlor der Virgl, der fortan nur noch über die schmale und steile Straße und mehrere Fußwege zu erreichen war eine wichtige Zugangsmöglichkeit. Wenn die Gemeinde damals gehandelt hätte, sähe der Virgl heute vermutlich anders aus.

„Anstatt in den Seilbahnbetrieb einzusteigen, sah damals die Stadt Bozen zu wie der Betrieb der Seilbahn eingestellt wurde.“

Aber was sollte die Gemeinde machen um den Virgl wieder zu dem Juwel zu machen, das er einmal war? Zu aller erst müssen einige technische Fragen geklärt werden: Wie viel Kubatur hält der Porphyrfels am Virgl aus? Wie viel Kubatur kann maximal verbaut werden, ohne das ökologische System am Virgl zu gefährden? Wie kommen die nötigen Baumaschinen auf den Virgl und was bedeutet das für die Umwelt und die Gemeindekasse? Welche Art von Nutzung wird dem Virgl am ehesten gerecht?

Sind diese Fragen von Experten geklärt worden, sollten aus ihren Expertisen die Parameter für die Aufwertung des Virgls festgelegt werden.

Idealerweise sollte das endgültige Projekt durch einen Ideenwettbewerb zustande kommen an welchem sich möglichst viele Bürger*innen der Stadt Bozen beteiligen. Realisieren kann es dann eine Öfentlich-Private-Gemeinschaft.

Egal, was letztendlich mit dem Virgl passiert, er sollte nicht zum kommerzialisierten Spekulationsobjekt verkommen. Dafür ist er, mit seinem einmaligen Panorama, mit der Paganella, dem Mitterberg, dem Mendelkamm, die Naturnser Hochwart, dem Naturnser Hochjoch, dem Tschögglberg, der Sarner Scharte, dem Ritten, dem Schlern, dem Rosengarten und dem Kohlerer Berg inklusive des Haselsberges, auf welchem die Haselburg thront, sowie seiner Flora und Fauna und seiner Geschichte viel zu schade.