Armutsgefährdete Jugend
Die Zukunft der Arbeitswelt liegt in den Händen junger Menschen. Gerade ihnen tun sich angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels sowie des rasanten Technologiewandels zahlreiche Chancen auf, sich beruflich weiterzuentwickeln.
Übermaß an Qualifikation
Noch nie zuvor gab es so viele qualifizierte Arbeitskräfte wie heute: Die Anzahl der Menschen, die einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation besitzen, ist in den letzten Jahrzehnten weltweit deutlich angestiegen. Laut einem Bericht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ist die Hochschulabsolventenquote – also der Anteil der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung mit einem Hochschulabschluss – in einem Großteil der Mitgliedsländer in den letzten Jahren gestiegen. So lag der Anteil der Hochschulabsolventen im Jahr 2019 im OECD-Durchschnitt bei 44%, während er im Jahr 2000 noch bei 26% lag, was einerseits auf die zunehmende Bedeutung von Wissen und Innovation in modernen Volkswirtschaften und andererseits auf die Bemühungen von Regierungen zurückzuführen ist, die in den vergangenen Jahren den Zugang zu Hochschulbildung erleichtert und die Qualität der Bildung verbessert haben. Viele Branchen erfordern heute spezialisiertes Wissen und ein hohes Maß an Bildung, um dem sich stetig verändernden Arbeitsalltag Stand zu halten und sich damit im globalen Innovations- und Qualifikationswettbewerb zu behaupten.
Armut bei steigendem Wohlstand
Obwohl in Europa einige der wohlhabendsten Länder der Welt wie die Schweiz, Norwegen und Deutschland beheimatet sind, gibt es immer noch eine beträchtliche Anzahl von Menschen, die in relativer Armut oder nahe an der Armutsgrenze leben. Trotz zahlreicher Fortschritte hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Entwicklung in vielen Ländern der Europäischen Union bleibt Armut ein hartnäckiges Problem – auch für die jüngere Generation, die gerade erst den Weg in die Arbeitswelt antritt. Zentral ist dabei der Fakt, dass sich Armut nicht nur als ein individuelles, sondern auch als ein kollektives Problem präsentiert, das Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft hat und deshalb jede und jeden Einzelnen direkt oder indirekt betrifft. Beispielsweise kann Armut Studien zufolge im Durchschnitt zu einem schlechteren Gesundheitszustand, einem niedrigeren Bildungsniveau, geringeren Karrieremöglichkeiten und sozialer Ausgrenzung führen, was sich wiederum negativ auf die zukünftige Entwicklung eines Landes auswirkt, da junge Menschen möglicherweise nicht in der Lage sind, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und so zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beizutragen.
Jeder vierte junge Mensch von Armut bedroht
Jüngste von Eurostat veröffentlichte Daten zeigen, dass in Italien und ganz Europa junge Erwachsene die am stärksten gefährdete Bevölkerungsgruppe sind: In Italien ist jeder vierte junge Mensch zwischen 15 und 29 Jahren von Armut bedroht. Im Jahr 2021 kratzten etwa 20% der jungen ItalienerInnen an der Armutsgrenze. Damit liegen sie deutlich über dem EU-Durschnitt von 17%. Der Stiefelstaat belegt außerdem Platz fünf auf der Liste jener EU-Länder, in denen das Leben junger Menschen als „am schwierigsten“ eingeschätzt wird. Die Schwierigkeiten betreffen nicht nur das Privatleben sowie das direkte Umfeld, sondern auch das politische Geschehen innerhalb eines Landes: Jugendarmut trägt dazu bei, dass das Vertrauen in die staatlichen politischen Institutionen sinkt und hat deshalb negative Auswirkungen auf das sozialpolitische Umfeld des Staates. Vor allem in Italien sind die Gründe für Jugendarmut vielfältig und komplex. Eine der Hauptursachen ist die hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen, insbesondere in Süditalien. Viele junge Menschen haben Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, die ihren Fähigkeiten und Qualifikationen entspricht, wobei auch eine prekäre Beschäftigungs- sowie schwache Wirtschaftslage dazu beitragen, dass junge Menschen vermehrt in Armut abrutschen. Einen weiteren kritischen Faktor stellt die Wohnungssuche dar, die einen Großteil der Bevölkerung angesichts der steigenden Immobilienpreise vor große Herausforderungen stellt, zumal die Mietbeträge in einigen Regionen mehr als die Hälfte des monatlichen Nettogehalts junger Menschen ausmachen. Besonders kontrovers erscheint die Tatsache, dass das Durchschnittseinkommen italienischer BürgerInnen bei 40.517 Euro liegt und damit deutlich über jenem der EU-BürgerInnen (28.366 €) und Nicht-EU-BürgerInnen (24.236 €). Diese Diskrepanz wirft Fragen zur Einkommensungleichheit im Land auf und verdeutlicht die Notwendigkeit von Strategien und Maßnahmen, um dieses Problem anzugehen. Italien verfügt über ein vergleichsweise schwaches soziales Sicherheitsnetz, was bedeutet, dass viele junge Menschen, die in einer finanziellen Notlage stecken, keine angemessene Unterstützung seitens des Staates erhalten. In Italien verlassen Jugendliche das Elternhaus im Durchschnitt erst mit knapp 30 Jahren, wobei dieser Wert bei Männern etwas höher ist als bei Frauen. Dies ist einer der höchsten europäischen Werte und gibt Aufschluss über die prekäre finanzielle Lage vieler Jugendlicher – unabhängig vom jeweiligen Bildungsniveau. Die Auswirkungen von Jugendarmut können tiefgreifend sein und nicht nur das unmittelbare Wohlbefinden junger Menschen, sondern auch ihre langfristigen Perspektiven beeinträchtigen. Junge Erwachsene, die in prekären finanziellen Verhältnissen aufwachsen, haben ein höheres Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand, ein niedriges Bildungsniveau und geringere Beschäftigungschancen. Dies wiederum kann die Spirale der Armut ankurbeln und sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt eine Belastung darstellen.
Armes reiches Südtirol
Auch in Südtirol, das im Italienvergleich als eine der wohlhabendsten Regionen hervorsticht, ist das Thema Jugendarmut präsent: Schätzungsweise leben in Summe 91.989 Personen in armutsgefährdeten Haushalten. Die Armutsgefährdungsquote in Südtirol ist im Vergleich zu anderen Regionen Italiens zwar niedriger, doch diese spiegelt nicht die gesamte soziale Realität wider. Insbesondere in einer Region wie Südtirol, in der die Lebenshaltungskosten aufgrund der hohen Mieten und Lebensmittelpreise hoch sind, können selbst Menschen mit einem Einkommen, das über der Armutsgefährdungsgrenze liegt, Schwierigkeiten haben, ein angemessenes Leben zu führen. Das wird an zwei weiteren Zahlen deutlich: die durchschnittliche Bruttoentlohnung für eine Vollzeitarbeitskraft in Südtirol liegt 7% über dem gesamtstaatlichen Niveau, doch die Lebenshaltungskosten übertreffen den Italienschnitt um mehr als 20%.
Problemkind Brain-Drain
In Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und Armut sehen junge Menschen häufig keine Beschäftigungsmöglichkeiten oder Zukunftsperspektiven, weshalb immer ein größerer Teil von ihnen den Entschluss fassen, ihr Heimatland zu verlassen und im Ausland Arbeit zu suchen. Der sogenannte „Brain-Drain“ (zu Deutsch, Flucht der klugen Köpfe) kann dazu führen, dass wertvolles Wissen und Fähigkeiten aus dem Land abwandern, was wiederum die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einschränkt und somit die Zukunftsfähigkeit eines Landes kompromittiert. Um die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern, müssen Regierungen und Interessensvertretungen Maßnahmen ergreifen sowie die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen verbessern, insbesondere für solche aus benachteiligten Verhältnissen.
Politisch-institutioneller Handlungsbedarf
Um der Vielzahl an Problemen entgegenzuwirken, müssen sich die politischen Entscheidungsträger in Italien auf die Umsetzung von Maßnahmen konzentrieren, die junge Menschen die nötige Unterstützung bieten sowie ihnen die notwendigen Werkzeuge und Ressourcen zur Verfügung stellen, um erfolgreich zu sein. Dazu gehörten höhere Investitionen in Bildungs- und Ausbildungsprogramme, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und ein stärkeres soziales Netz der Grundsicherung. Zwar weist Italien ein im EU-Vergleich relativ hohes Durchschnittseinkommen auf. Doch die anhaltende Jugendarmut im Land macht deutlich, dass es in Sachen Einkommensgleichheit noch Luft nach oben gibt. Ohne staatlicher Unterstützung wird dies nicht gelingen.
Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama.
Eine Interpretation von
Eine Interpretation von statistischen Kennzahlen, Ursachen werden nur gestreift (sollten Gewerkschaften kennen und auch deutlich darlegen). Der alte Statistikerwitz: Eine Hand im heißen Wasser, die andere im kalten, im Mittel sind die Hände lauwarm. Soviel zum Durschnittseinkommen, das als Zahl alleine nicht viel aussagt.
In reply to Eine Interpretation von by Dietmar Nußbaumer
Unsere Landesregierung hat
Unsere Landesregierung hat nach der letzten Teuerungs-Welle, für sich selber und auch die mit Luxus-Renten "vegetierenden" Alt-Mandatare nicht vergessen (die dank der ENTSPRECHENDEN VOR-SORGE 2/3 der Politiker-Kosten verursachen), die VERGÜTUNGEN mit Erhöhungen und nicht-versteuerten Zulagen über der INFLATION AUF-GEBESSERT!
Eine Gesellschaft die für sich selber SPITZEN-LÖHNE ZIMMERT aber zulässt, dass viele Arbeiter*innen die für den gelebten Alltag absolut notwendig sind (Pflege von Kranken + Betagten, Reinigung, Saisons-Arbeit in der Gastronomie und Landwirtschaft mit Einrechung der Arbeitlosen-Unterstützung, Lehrer + unter-geordnete Beamten, Leih-Arbeiter usw.), vom Lohn kaum bis zum Monats-Ende durch-kommen, sägt an dem Ast auf dem sie selber sitzt!