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Der Notausgang
Gutes Marketing heißt auch, eine Niederlage als Sieg zu verkaufen.
Genau das hat die Südtiroler Sparkasse vergangene Woche getan. Am Donnerstag haben die Sparkassenspitze und die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) eine außergerichtliche Vergleichsvereinbarung unterzeichnet. Damit wurde das Ende eines Gerichtsstreites um den Dolomit-Fonds besiegelt.
Am Freitag verschickte die Bank zusammen mit der Verbraucherzentrale eine gemeinsame Pressemitteilung.
Dort wird die Sparkassenspitze wie folgt zitiert:
„Obwohl von der Korrektheit und Güte ihrer Vorgangsweise überzeugt, hat die Sparkasse beschlossen, diese Thematik endgültig abzuschließen, um das Vertrauen zu ihren Kunden weiter zu festigen und um unnötige Gerichtskosten zu vermeiden, die eine Fortsetzung des Streitverfahrens nach sich ziehen würde. Die Sparkasse hält fest, dass sie mit dem öffentlichen Tauschangebot im Jahr 2013 den Bedürfnissen der Anleger zur Gänze entsprochen hat, im Gegensatz zu anderen Immobilienfonds, die von anderen Vermittlern platziert wurden.“
Was man jetzt als gütige Einigung herzeigt, ist in Wirklichkeit aber ein Notausgang für die Sparkasse. Verständlich wird das, wenn man die Entstehungsgeschichte und die Details der jetzt unterzeichneten Vergleichsvereinbarung kennt.
Salto.bz ist in der Lage, beides nachzuzeichnen.
Die Verschwiegenheitsverpflichtung
Der Inhalt der Vereinbarung darf öffentlich nicht bekannt werden. Teil der Einigung ist eine Verschwiegenheitsklausel. Wer sie verletzt, kann zur Kasse gebeten werden.
„Ich kann und will zum Inhalt der Vereinbarung nichts sagen“, sagt dann auch jener Mann, der den Hauptanteil daran hat, dass es überhaupt dazu gekommen ist: Massimo Cerniglia - ein römischer Anwalt, der auf Klagen gegen Banken spezialisiert ist - hat für die Verbraucherzentrale den Kampf vor Gericht gegen die Südtiroler Traditionsbank erfolgreich geführt.
Selbst die Kläger und Nutznießer der Vereinbarung dürfen darüber nicht reden.
So befindet sich unter den Betroffenen auch eine prominente Südtiroler Politikerin. Die Meraner SVP-Senatorin Julia Unterberger ist eine der 140 Dolomit-AnlegerInnen, die über VZS gegen die Sparkasse geklagt haben. Unterbergers Klage ist jetzt Teil dieser Vereinbarung. „Ich darf aber über die Einigung nichts sagen“, bestätigt die SVP-Senatorin gegenüber salto.bz.
Die Geheimhaltung ist bei solchen Vereinbarungen durchaus üblich. In diesem Fall ist sie aber vor allem im Interesse der Sparkasse.
Denn der Ausgang dieses Gerichtsstreites ist für die Bank ein Schneeball, der sich leicht und schnell zu einer Lawine entwickeln könnte, die der Bank sehr viel Geld kosten würde. Das ist der Hauptgrund, warum möglichst wenig über die Vereinbarung bekannt werden darf.
Der Dolomit-Fonds
Die Geschichte des Dolomit-Fonds beginnt vor über 13 Jahren. Am 21. Jänner 2005 lädt die Sparkasse zur Pressekonferenz, auf der die damalige Bankenspitze den Dolomit-Fonds vorstellt. Die Rede ist dabei von „einer absoluten Neuheit“ und „dem ersten Südtiroler Immobilienfonds“.
Vom 31. Jänner bis zum 3. Juni 2005 läuft die Zeichnung der Quoten. Jeder Dolomit-Anteil kostet 1.000 Euro; der Mindestbetrag für die Zeichnung des Fonds sind drei Quoten, also 3.000 Euro. Die Laufzeit des Fonds beträgt acht Jahre; er soll also am 31. Dezember 2013 aufgelöst werden.
Die Fondsanteile werden ausschließlich von der Sparkasse vertrieben. Am 3. Juni 2005, als die Zeichnungsfrist endet, hat man 4.376 Anleger für den Fonds gewonnen. Sie zeichnen insgesamt 104.670 Anteile, womit der Dolomit-Fonds über ein Start- und Investitionskapital von 104.670.000 Euro verfügt.
1.167 private Kunden der Sparkasse zahlen insgesamt 14,145 Millionen Euro und halten damit 13,5 Prozent des Dolomit-Fonds. 245 Angestellte der Sparkasse – das ist immerhin fast jeder vierte Mitarbeiter – übernehmen um 4,513 Millionen Euro 4,3 Prozent der Anteile. Dazu kommen noch zehn institutionelle Anleger, die um 26,550 Millionen Euro rund ein Viertel (25,4 Prozent) der Quoten übernehmen. Auch die Sparkasse selbst und die RREEF - die Gesellschaft die den Fonds verwaltet - investieren. Beide erwerben um je 2,1 Millionen zwei Prozent der Dolomit-Anteile.
Den Großteil der Quoten des neuen Immobilienfonds erwerben aber die Gesellschafter der Sparkasse: 2.952 Sparkassen-Aktionäre investieren insgesamt 55.262.000 Euro in den Dolomit-Fonds. Sie halten damit 52,8 Prozent der gesamten Anteile.
Auch der Hauptaktionär der Sparkasse greift tief ins Portemonnaie. Die Stiftung Sparkasse erwirbt 12.500 Anteile des Fonds Dolomit und zahlt dafür 12,5 Millionen Euro ein. Das sind 11,94 Prozent des Gesamtvermögens des Fonds.
Der Absturz
Am 4. Juni 2005 verfügt der Dolomit-Fonds so über ein Vermögen von 104,67 Millionen Euro. Der Fonds kauft zwölf Immobilien. Fünf davon sind Hotels, zwei Bürogebäude, zwei beherbergen Geschäfte und drei Immobilien haben ihre Zweckbestimmung im Dienstleistungssektor. Zum 31. Dezember 2007 wird der Gesamtwert des Dolomit-Portefeuilles in der Bilanz mit 158,29 Millionen angegeben.
Im ersten wirklich operativen Geschäftsjahr erwirtschaftet der Fonds einen Gewinn von 3.134.866,50 Euro. Der Wert der Quote steigt auf 1.045,692 Euro an. Am 13. März 2008 zahlt man eine Dividende aus: 29,95 Euro pro Dolomit-Anteil.
Das Projekt der Sparkasse scheint erfolgreich zu sein. Noch weiß niemand, dass das der einzige Lichtblick in der unglücklichen Geschichte des Dolomit sein wird. Mit der Immobilienkrise von 2008 bricht der Sparkassenfonds ein.
Der Ausgang dieses Gerichtsstreites ist für die Bank ein Schneeball, der sich leicht und schnell zu einer Lawine entwickeln könnte, die der Bank sehr viel Geld kosten könnte.
Im Geschäftsjahr 2009 stürzt der Dolomit dann vollkommen ab. Der Fonds macht einen Jahresverlust von 14.469.759 Euro, und die Quote notiert am 31. Dezember 2009 bei 877,888 Euro. Danach geht es nur mehr abwärts.
Der Dolomit hat ursprünglich eine Laufzeit von acht Jahren. Damit würde er zum 31. Dezember 2013 eigentlich auslaufen. Zu diesem Zeitpunkt haben die Anleger aber 38 Prozent ihres Kapitals verloren. Ob dieser katastrophalen Performance des Fonds kommt in der Öffentlichkeit schon bald harsche Kritik an der Sparkasse auf. Aus den großen Versprechungen wird ein finanzieller Verlust, der manchen Kleinsparer sehr hart trifft. Die Reklamationen und Klageandrohungen der Dolomit-Anleger gegen die Bank beginnen immer lauter zu werden.
Der Tausch
Ende Dezember 2012 fasst die Sparkasse deshalb eine Art Notlösung für den eigenen Immobilienfonds ins Auge. Am 21. Februar 2013 beschließt man die Emission neuer Anleihen mit der Bezeichnung „Zero Coupon“. Am 16. Juli 2013 segnet der Verwaltungsrat dann die Durchführung eines öffentlichen Tauschangebots ab.
Die Sparkasse präsentiert ein öffentliches Kaufangebot, bei dem die Dolomit-Anteile mit den neuen Anleihen der Sparkasse, den Zero Coupons, eingetauscht werden können. Der damals aktuelle Wert des Dolomit, 638,36 Euro, ist der Basiswert für den Tausch.
Die Zero Coupons haben eine Laufzeit von neun Jahren und eine garantierte Rendite, die so aufgebaut ist, dass bei Fälligkeit der Anleihe am 15. November 2022 genau der Wert 1.000 Euro pro Anleihe erreicht wird. Im Klartext: Die Anleger sollen mit dem Tausch und der neuen Anleihe am Ende den Nominalwert erhalten, den sie in den Dolomit investiert haben.
Fast alle Dolomit-Anteile werden von den Anlegern auch umgetauscht. Die Sparkasse übernimmt im Gegenzug den gesamten Fonds und die Immobilien werden an einen neuen Fonds übertragen, den geschlossenen Immobilienfonds für institutionelle Anleger "Augusto". Auch mit diesem wird die Bank in den Jahren darauf noch einiges an Geld verlieren.
Aber auch die Dolomit-Anleger werden trotz Tauschangebot draufzahlen. Der Grund dafür liegt – abgesehen von der Inflation – im Steuersystem, und er steht auch im Tauschangebot. Die Sparkasse garantiert für den Zero Coupon bei Fälligkeit am 15. November 2022 1.000 Euro, aber „vor Steuern“. Konkret heißt das, dass die Dolomit-Anleger von jenen 1.000 Euro, die sie im Frühjahr 2005 eingezahlt haben, nach 17 Jahren nur 905,27 Euro wiederbekommen.
Die Klagen
Verärgerte Anleger wenden sich trotz der Goodwill-Aktion der Sparkasse aber an die Südtiroler Verbraucherzentrale. Diese engagiert mit dem römischen Anwalt Massimo Cerniglia einen Fachmann auf dem Gebiet der Sammelklagen.
Rund 140 Dolomit-Anleger reichen so im Frühjahr 2013 Zivilklagen gegen die Sparkasse ein. Es laufen acht verschiedene Gerichtsverfahren an. Die Argumentation der Kläger: Die Käufer seien von der Bank falsch beraten und nicht genügend über das Risiko des Immobilienfonds aufgeklärt worden. Sie fordern deshalb die Rückerstattung des Kapitals, das sie beim Kauf der Dolomit-Anteile eingezahlt haben. Und einen Schadenersatz.
Cerniglia weiß, wie man vorgeht. Im März 2013 starte die Offensive der Verbraucherschützer mit einer Pilotklage von vier Dolomit-Anlegern.
Dieses Verfahren 1493/2013 ist dann auch der Grundlage für die jetzt erzielte Vereinbarung zwischen Bank und Klägern.
Im Juni 2015 findet vor Richter Simon Tschager die Erstverhandlung statt. Die Anwälte der Sparkasse, der venezianische Professor Leonardo Di Brina und Claudio Bonora weisen energisch jede Verantwortung der Bank von sich, während Massimo Cerniglia darauf pocht, dass die Quoten des Dolomit-Fonds von Anfang an von der Bank falsch bewertet worden sind. Die Sparkasse hatte die Quoten des Fonds mit dem Risikofaktor „mittel-niedrig“ (medio-basso) angeben. Während 2005 fast alle anderen Immobilienfonds das Profil „mittel-hoch“ (medio-alto) hatten.
Sowohl die Kläger wie auch die Sparkasse ernennen im Verfahren jeweils einen Parteigutachter, die in ihren Ausführungen die Thesen ihrer Auftraggeber stützen.
Sowohl die Kläger wie auch die Sparkasse ernennen im Verfahren jeweils einen Parteigutachter, die in ihren Ausführungen die Thesen ihrer Auftraggeber stützen.
Das Gutachten
Richter Simon Tschager ordnet beim Mailänder Ordinarius Marco Oriani Anfang 2017 ein Amtsgutachten an. Oriani liefert am 17. September 2017 dieses Gutachten ab. Es ist für die Sparkasse vernichtend.
Zu zentralen Frage der Bewertung schreibt Oriani:
„Il livello di rischiosità del Fondo poteva e doveva essere indicato quale medio-alto ai sottoscrittori retail che si accingevano ad acquisire quote dello stesso. E ciò anche in forza degli obblighi normativi vigenti all’epoca dei fatti, con particolare riferimento agli articoli 26— 27- 28- 29 della Delibera Consob n. 11522.“
Die Tatsache, dass die Sparkasse die Dolomit-Quoten um zwei Stufen niedriger bewertet, kann laut dem Gutachter nicht als Versehen abgetan werden. Oriani weiter:
"La Cassa, in quanto intermediario professionale, era in grado di riconoscere il livello di rischio medio-alto dello strumento preposto, essendo chiaramente in grado di interpretare il prospetto del Fondo che andava a collocare, specie nella parte dedicata ai rischi, nonché potendo avere fin dal momento del collocamento indicazioni ed informazioni più specifiche da parte della SGR sulle politiche di gestione che sarebbero state intraprese”.
Spätestens damit war aber klar, dass die Sparkasse diesen und alle ähnlichen Prozesse nicht mehr gewinnen wird. Die Bank hätte zwar in Berufung gehen können, doch der Imageschaden für das Geldinstitut wäre auf jeden Fall beträchtlich gewesen.
Der Maulkorb
Das ist dann auch der Grund, warum die Sparkasse am Ende jene Einigung angestrebt hat, die jetzt unterzeichnet wurde. Nach Informationen von salto.bz war es vor allem Generaldirektor Nicola Calabrò, der sich für die Beilegung des Streits stark gemacht hat.
Die Einigung sieht vor, dass die Anleger den Großteil jener 38 Prozent an Wertverlust, den sie durch die Umtauschaktion erlitten haben, zurückbekommen. Samt eigenen Anwaltshonoraren kostet die Vereinbarung die Bank rund eine Million Euro.
Keine große Sache für die Sparkasse also.
Samt eigenen Anwaltshonoraren kostet die Vereinbarung die Sparkasse rund eine Million Euro.
Dass man dennoch so großen Wert auf die Geheimhaltung legt, liegt an den möglichen Folgen dieser Entwicklung.
Die Einigung betrifft rund 140 Anleger. Doch mit dem Gerichtsgutachten von Professor Marco Oriani und dieser Einigung in der Hand könnten jetzt auch die restlichen 4.000 Dolomit-Anleger dieselbe Forderung erheben und vor Gericht ziehen. Der Vorfall ist noch nicht verjährt.
Das aber wäre für die Sparkasse ein Horrorszenario. Dann ginge es um eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe.
Ein Schlüsselrolle in der Frage, ob diese Lawine losbrechen könnte, liegt dabei bei der
Verbraucherzentrale. Das weiß man auch in der Sparkasse. Deshalb ist in der Presseaussendung vom vergangenen Donnerstag auch folgender Passus zu lesen:
„In Zukunft beabsichtigen Bank und VZS, immer unter Berücksichtigung der entsprechenden Rollen, sich dahingehend einzusetzen, damit eventuelle Streitfragen zwischen den Kunden der Bank und der Bank selbst vermieden werden bzw. denselben vorgebeugt wird.“
Die Zitterpartie dürfte damit aber erst begonnen haben.
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Herr franceschini welchen
Herr franceschini welchen Notausgang nimmt die Volksbank in bezug auf die offene und von der Verbraucherzentrale aufgebrachte Wertberichtigung und die Situation der VB Aktien die immer noch unverkaufbar sind?
In reply to Herr franceschini welchen by Michael Kerschbaumer
Herr Kerschbaumer, ich bin
Herr Kerschbaumer, ich bin Ihnen eine Antwort schuldig.
https://www.salto.bz/de/article/27092017/gesalzene-rechnung
https://www.salto.bz/de/article/14062017/volksbank-muss-zahlen
https://www.salto.bz/de/article/12062017/das-gutachten
https://www.salto.bz/de/article/09122016/durchkreuzte-strategie-0
https://www.salto.bz/de/article/07072016/wachstumsschmerzen.