Politics | Turbulenzen

Italien als Schreckgespenst

Angesichts möglicher Neuwahlen im Herbst werden die Töne auch hierzulande rauer. “Ein Abrücken von Europa würde Südtirol näher an Italien rücken”, mahnt die SVP.
Tricolore-Italien
Foto: Pixabay

Lange wird Carlo Cottarelli nicht im Amt sein. Am heutigen Dienstag wird der von Sergio Mattarella berufene designierte Ministerpräsident dem Staatspräsidenten seine Ministerliste präsentieren. Doch schon jetzt steht fest: Cottarelli wird nur eine Übergangsregierung anführen. 

Sollte das Parlament ihm und seinem Kabinett das Vertrauen aussprechen, wolle er das Haushaltsgesetz 2018 unter Dach und Fach bringen und den Weg frei für Neuwahlen Anfang 2019 machen. Andernfalls wird Italien bereits nach der Sommerpause ein neues Parlament wählen. Das verkündete Cottarelli am Montag Mittag nach seinem Gespräch mit Mattarella.

Vieles deutet auf Neuwahlen im September oder spätestens Anfang Oktober hin. Movimento 5 Stelle und Lega haben bereits angekündigt, Cottarelli nicht das Vertrauen aussprechen zu wollen. Vor allem die Lega spekuliert auf Neuwahlen und könnte laut neuesten Umfragen am meisten davon profitieren.

Auch die beiden anderen Mitte-Rechts-Parteien, Forza Italia und Fratelli d’Italia, versagen Cottarelli ihre Unterstützung. Die notwendige Mehrheit in den beiden Parlamentskammern wird bei der Abstimmung über das Kabinett Cottarelli unter diesen Vorzeichen nicht zustande kommen. Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi hat bereits angekündigt, bei Neuwahlen wieder antreten zu wollen. Aufgrund des Urteils eines Mailänder Gerichts, das Mitte Mai sein Ämterverbot aufgehoben hat, darf Berlusconi wieder kandidieren.

 

Europaskepsis unerwünscht?

In Südtirol schnuppert so manche Partei ebenfalls Morgenluft. “Man wird sehen, was die nächsten Wochen bringen werden, wir Freiheitliche werden jedenfalls vorbereitet sein!”, tönt der Freiheitliche Parteiobmann Andreas Leiter Reber. Die Freiheitlichen waren bei den Parlamentswahlen am 4. März nicht angetreten. Jetzt wittert man die Gelegenheit, der SVP ans Bein zu pinkeln – und kritisiert das Vorgehen von Sergio Mattarella.

Der Staatspräsident hatte am Sonntag sein Veto gegen die Ernennung des Europa-Skeptikers Paolo Savona zum Wirtschaftsminister eingelegt. Woraufhin Giuseppe Conte, der von Movimento 5 Stelle und Lega als Ministerpräsident vorgeschlagen worden war, sein Mandat niedergelegt hatte. “Der von der SVP stets hochgelobte Mattarella scheint kein sonderlicher Freund der Verfassung und des Wählerwillens zu sein, anders kann man seine Handlungsweise nicht erklären”, kritisiert der Freiheitliche Parteiobmann Leiter Reber. Er fragt sich unter anderem: “Wie kann ein Staatspräsident eine Regierung torpedieren, die eine Mehrheit im Parlament hat? Und dies noch mit der überaus schwachen Ausrede, er sei der ‘Garant der italienischen Verpflichtungen gegenüber Europa’?”

Auch die Bürgerunion, die am 4. März ebenfalls nicht angetreten war, aber eine Wahlempfehlung für die Lega ausgesprochen hatte, polemisiert. Mattarella habe “einen weiteren Schritt Richtung Untergang” gesetzt und “das Chaos ausgerufen”, schreibt Andreas Pöders Partei in einer Aussendung. 

Unterm Edelweiß lässt man die Kritik am Staatspräsidenten nicht unkommentiert. Bereits am Montag hatten die SVP-Parlamentarierinnen Julia Unterberger und Renate Gebhard ihre Solidarität mit Mattarella bekundet. Am Nachmittag hat sich auch das SVP-Präsidium mit aktuellen politischen Krise befasst. “Staatspräsident Sergio Mattarella verdient unseren ganzen Respekt für seine mutige und konsequente Entscheidung. Er hat absolut im Rahmen der ihm von der Verfassung zugeschriebenen Aufgaben gehandelt”, heißt es von Parteiobmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher unisono. Sie malen ein düsteres Bild: “Wenn jetzt deutsche Oppositionsparteien in Südtirol dies kritisieren, dann vergessen sie eines: Ein Abrücken von Europa und ein möglicher Euro-Austritt führen nicht nur zu weiterer wirtschaftlichen Destabilisierung, sondern würden auch Südtirol von Europa abtrennen.”
“Wir wollen nicht mit den Europagegnern in die Serie B absteigen!”, lassen sich Achammer und Kompatscher zitieren.

 

Angst(mache) vor dem Abstieg?

Den Schwarzen Peter für die gescheiterte Regierungsbildung, die Italien in die politische Krise schlittern hat lassen, schiebt man bei der SVP den Wahlsiegern der jüngsten Parlamentswahlen zu.

Dass Movimento 5 Stelle und Lega auf die Nominierung des “europafeindlichen Paolo Savona” als Wirtschaftsminister beharrt habe, zeuge “alles andere als von Verantwortungsbewusstsein und Regierungstauglichkeit”, heißt es aus der SVP. Vielmehr sei die Unnachgiebigkeit, die Di Maio und Salvini an den Tag gelegt hätten, “als Versuch zu werten, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken, eine solide Regierung zu bilden”.

Es sind bereits erste Wahlkampf-Töne, die von Achammer und Kompatscher zu hören sind. Sie unterstreichen ihre Kritik an den deutschen Oppositionsparteien in Südtirol, die gegen den Staatspräsidenten wettern. Mattarella habe “nicht nur verhindert, dass sich Italien und somit auch Südtirol wirtschaftspolitisch isolieren”, sondern auch Südtirol einen großen Dienst erwiesen, meinen Achammer und Kompatscher: “Ein im Raum stehender EU-Austritt, eine drohende Wiederkehr einer echten Brennergrenze bzw. eine angestrebte Abkehr vom Euro würde Südtirol von Europa gänzlich abkoppeln – und näher an Italien rücken. Dies käme einer drastischen Beschneidung unserer weitreichenden Selbständigkeit innerhalb des italienischen Staates gleich.”

Ein Euroaustritt Italiens würde in Südtirol den Sezessionismus befeuern, weil halt einmal Ratten vom sinkenden Schiff springen. Der angemahnte Effekt ist genau genommen das bewusst gewünschte Ziel. Ein teurer Preis für das bissel Parteiprofilierung: Unsere toughen Lokalpolitiker werden bestimmt die Dynamiken kontrollieren können, wenn es uns dann zwischen den beiden Finanzsystemen aufreiben wird.

Tue, 05/29/2018 - 14:40 Permalink