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Lukas Varesco: „Das sind wir unseren Vorfahren schuldig“

Der Herz Jesu Sonntag ist für Lukas Varesco und etwa 5.000 Schützen im Land etwas ganz Besonderes. „Wir bereiten uns viele Tage darauf vor, besinnen uns auf unsere Heimat, unseren Glauben, unser schönes Land.“

Die Vorbereitungen beginnen rechtzeitig. Eine Woche vorher werden die Trachten geputzt, die Gewehre auf Vordermann gebracht, die Gulaschdosen mit Wachs gefüllt, „die ziehen wir dann auf das Kreuz hoch, damit am Sonntag alles passt.“

Es braucht viele, die zusammenhelfen, „da fängt es ja eigentlich schon an, das Brauchtum, die Tradition“, sagt Lukas Varesco. Er ist 25 Jahre alt, „und bei den Schützen schon ewig, seit 1998, da war ich knapp neun Jahre. Seit immer also.“

Seine Stimme ist tief. Ruhig und bestimmt sagt der Unterlandler, der gerade sein Studium mit einem Notenschnitt von 1,1 abgeschlossen hat: „An diesem Tag, am Herz Jesu Sonntag, da wollen wir einfach innehalten. Wir leben in einem traumhaft schönen Land. Das war nicht immer so. Und das müssen wir uns bewusst machen.“ Er überlegt kurz und ergänzt: „Was Frieden bedeutet. Wie wertvoll das ist. Was die Alten auch geleistet haben, dass es uns so gut geht.“

Das Versprechen
Die Tradition ist dem Montaner wichtig, das Zusammensein. „Früher, da haben wir immer ein großes Holzfeuer auf der Hochalm über dem Dorf gemacht. Aber seit einigen Jahren haben wir ein Holzkreuz, das dann mit Dosen gefüllt wird.“
Von „Dank und Wertschätzung“ spricht Varesco und davon, dass an diesem Tag nicht nur eine Rückschau, sondern auch eine Vorausschau betrieben wird. „Damals haben unsere Vorfahren dem allerheiligsten Herzen Jesu unser Land gewidmet. Und diesem Versprechen wollen wir gedenken.“ Jedes Jahr, am 3. Sonntag nach Pfingsten.

Zeremonie muss sein
Das Kreuz in der Nähe von Montan, das der junge Mann gemeinsam mit seinen Freunden aus dem Schützenbund schmückt, sieht man weithin über das ganze Unterland. Wenn es brennt, am Sonntag Abend auf Südtirols Bergen. "Nicht nur die Schützen machen die Feuer", sagt Varesco, es gibt viele andere Vereine auch, viele Privatpersonen. Für uns steht an diesem Tag der Glaube im Mittelpunkt."

Die Zeremonie beginnt deshalb auch nicht erst dann, wenn es dunkel wird. „Um viertl vor sechs in der Früh treffen wir uns immer auf der alten Bahnterrasse und wecken mit unseren Böllerschüssen das Dorf.“ Nachdrücklich sagt der Schütze, der in Innsbruck und in Bologna Wirtschaftswissenschaften studiert hat: „Das ist eine ganz besondere Stimmung. Es ist noch dunkel und man sieht auf ganz Montan herunter.“

Damals gab es nicht viele Möglichkeiten mit entfernten Landsleuten zu kommunizieren. Aus diesem Grund wurden an bestimmten Gipfeln Signalfeuer entzündet, um damit den Landsturm einzuberufen. Diese Bergfeuer hatten aber auch etwas Überirdisches an sich, sodass sie anlässlich der feierlichen Begehung des Herz-Jesu-Festtages entzündet wurden. Somit traten die Herz-Jesu-Feuer, gegenüber den, bis zu diesem Zeitpunkt üblichen, Sonnwendfeuern, immer mehr in den Vordergrund. Schreibt wikipedia.it

Gemeinsamer Glauben
40 Mann- und Frauenstark ist die Montaner Schützenkompanie, Arbeitsteilung ist angesagt. "Die Mädchen richten die Blumen für die Prozession her, sechs bis sieben machen die Dosen für das Kreuz, fünf Leute gehen in der Früh um sechs pöllern während andere die Fahnen im Dorf aufhängen." Daheim, nach dem morgendlichen Weckruf, wartet die Tracht auf die Schützen. Die Prozession zur Kirche ist ein wichtiger Bestandteil des Herz Jesu Sonntags. "Die Tracht“, sagt der Snowboard- und Lesebegeisterte, „ist etwas unglaublich Wertvolles. Etwas Ehrsames, etwas Bedeutsames. Da schlüpft man auch in eine andere Rolle.“ Gemeinsam marschieren, alle Handbewegungen müssen sitzen. „Da muss alles zackig gehen, alles muss passen.“ Gemeinsam mit der Feuerwehr, der Musikkapelle, und den Montanern ziehen die Schützen in die Kirche ein, „Herz Jesu hat mit Glauben zu tun, auch mit der Dorfgemeinschaft. Und ja, natürlich auch mit Heimat.“

Die Heimat
Kritiker gibt es, das weiß Varesco, der im Schottischen Parlement ein Praktikum gemacht hat. „Sich mit etwas auseinander zu setzen ist immer gut. Aber es fehlt eigentlich die Basis bei dieser Kritik, und deshalb kann ich sie nicht nicht nachvollziehen. Es geht am Herz-Jesu-Sonntag um nichts Radikales, um nichts Provokatives. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas. Wir gedenken unseren Vorfahren, wir danken für das, was wir haben. Und wenn wir dann beim Gottesdienst das Herz-Jesu-Bundeslied singen, das ist dann sehr ergreifend.“

Es geht am Herz Jesu Sonntag um nichts Radikales, um nichts Provokatives. Wir sind nicht gegen etwas, sondern für etwas.

Brauchtum mit "an Bier"
Ein Zeichen ist es, ein „Bekenntnis“. So beschreibt Varesco den Tag im Jahr,
den Herz Jesu Sonntag, an dem hunderte Feuer die Südtiroler Bergketten einrahmen. „Ein Brauchtum, das man aufrechterhalten und weitergeben will."

Am späten Nachmittag, wenn die Tracht abgelegt wird, schlüpfen die Burschen in kurze Lederhosen und kurzes Hemd. Gemeinsam geht es dann auf die Hochalm, ausgerüstet mit Grill, Decken, einer Gitarre und einen „Spritzpanzen.“ „Jemand von der Feuerwehr ist immer dabei“, erklärt Varesco. Auch das gehört dazu. „Es ist fantastisch, wenn sich dann die ganze Dorfgemeinschaft ums Kreuz versammelt. Jung und Alt, Kinder, Dorfpolitiker, Freunde und Familie. Da wird nicht viel geredet, wir schauen auf unser schönes Land. Ins Feuer.“ Schwärmend erzählt er: „Das Unterland leuchtet rot mit den ganzen Feuern, das ist jedes Mal einfach nur faszinierend.“

Da wird nicht viel geredet, wir schauen auf unser schönes Land. Ins Feuer.“ Schwärmend erzählt er: „Das Unterland leuchtet rot mit den ganzen Feuern, das ist jedes Mal einfach nur faszinierend.“

Etwas will Varesco, der dieses Jahr nicht von der Partie sein sein wird, noch unterstreichen: „Mit einer Radikalisierung hat das gar nichts zu tun. Wir wollen unseren Kindern etwas weitergeben, einen Dank, den Glauben, die Heimatliebe. Das schulden wir.“ Besäufnis oder Fete? „Nein, das ist das überhaupt nicht. Natürlich trinken wir auch ein Bier, das gehört dazu."  Aber im Vordergrund steht ein Versprechen, das heilig ist: dem Herzen Jesu die Treue.