„Ihr Bauern müsst das einfordern!“

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Vor Kurzem stellte Landesrat Luis Walcher den Agrar- und Forstbericht 2024 vor. In einer Pressekonferenz erklärte er unter anderem, dass die Zahl der Milchviehbetriebe erstmals unter die historische Marke von 4.000 gesunken ist. Dabei zeichne sich ein klarer Trend ab: Kleine Höfe geben auf, während große weiter wachsen. Für die Gruppe Climate Action South Tyrol ist dies Anlass, ein Umdenken zu fordern. In einer Aussendung bezeichnete sie die aktuelle Haltung gegenüber der Milchwirtschaft als „zukunftsblind“ und kritisierte ein System, das auf Konkurrenz basiert: Kleine Betriebe verlören gegen größere, die dann lukrative Flächen aufkaufen und ihre Produktion ausweiten. Die derzeitige Subventionspolitik verschärfe diesen Trend. Wettbewerb führe nicht zu Fortschritt und Qualität, sondern zu Kapitalakkumulation, Monopolen und einem Verlust an Diversität.
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In der Aussendung wird unter anderem Ruth Heidingsfelder, Agronomin bei Scientists for Future, zitiert: „Nicht die Molkereien, sondern die Landwirte und Landwirtinnen müssen im Mittelpunkt stehen.“ Wenn die Politik auf Produktionserhöhung dränge, um die Milchmengen zu stabilisieren, sei das zu kurz gedacht. Heidingsfelder verweist auf die Schweiz, wo ihrer Ansicht nach seit Jahren differenziert und kritisch beraten wird und klar aussortiert werde, „was nicht zur Berglandwirtschaft passt“. Allerdings steht auch die Schweiz vor einem Strukturwandel: Wie aus einem Bericht des Schweizer Bauer vom 25.12.2025 unter dem Titel „Warum ein Milchbauer die Produktion aufgibt“ hervorgeht, haben in einem Vierteljahrhundert mehr als die Hälfte der Milchbauern ihre Tätigkeit eingestellt. Allein zwischen 2012 und 2022 sank die Zahl von 24.369 auf 17.603 Betriebe – ein Rückgang um 6.766. Als Ursachen nennen Fachzeitschriften steigende Kosten, sinkende Preise, gesellschaftliche Erwartungen und fehlende Nachfolge – Herausforderungen, an denen sich viele Betriebe aufreiben. Ein europaweiter Trend ist erkennbar: weniger, aber größere Betriebe mit mehr Technik und höherer Effizienz. Auch wenn die Schweiz durch ihre Zollpolitik diesen Globalisierungstrend etwas abfedern kann, ist die Richtung eindeutig.
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Ruth Heidingsfelder: „Die Landwirtschaft steht vor dem grundlegenden Problem, dass der Beruf unattraktiv ist. Man verdient sehr wenig und muss sich für dieses geringe Gehalt enorm anstrengen.“ Foto: privat
Gegenüber SALTO erklärt Heidingsfelder: „Die Landwirtschaft steht vor dem grundlegenden Problem, dass der Beruf unattraktiv ist. Man verdient sehr wenig und muss sich für dieses geringe Gehalt enorm anstrengen.“ Hinzu komme ständiger Druck durch Konsumentenerwartungen und Kritik. Was die Schweiz laut Heidingsfelder besser mache als Südtirol: Die Beratung sei dort weniger auf Produktionssteigerung ausgerichtet, während in Südtirol vorwiegend auf Hochleistungsvieh gesetzt werde. „Hochleistungstiere zu halten, macht für unser Land keinen Sinn“, so Heidingsfelder. Wenn Höfe aufgegeben würden, übernähmen andere Bauern die Gunstlagen – ungünstig gelegene Flächen jedoch blieben brach, weil deren Bewirtschaftung unwirtschaftlich sei. „Das bedeutet aber auch, dass die Subventionspolitik grundsätzlich neu ausgerichtet werden muss“, so die Agronomin, die von einem Systemproblem spricht. Damit meint sie das „Unverhältnis“ zwischen Molkereien und Milch liefernden Betrieben: Neun größere Sennereien stehen aktuell 3.967 Betrieben gegenüber. Allein im vergangenen Jahr haben erneut 138 Betriebe aufgegeben.
„Aber die Veränderung müsst ihr Bauern einfordern – ihr sitzt am Ende der Produktionskette und müsst mit den Auszahlungspreisen leben, nicht die Grünen, nicht die Umwelt- oder Klimaschützer!“
„Wir dürfen nicht auf die Molkereien Rücksicht nehmen“, betont Heidingsfelder. „Wir müssen zusehen, dass die Höfe weitergeführt werden.“ Eine Vielzahl an Geschäftsführern und Verwaltungsstrukturen koste Geld – das letztlich beim Milchauszahlungspreis fehle. Die Südtiroler Milchwirtschaft sei auf die Auslastung der Sennereien ausgerichtet – mit problematischen Folgen für die Bauern. Heidingsfelder zufolge könnte eine Fusion oder Konsolidierung den Landwirten mehr bringen. Jede Investition in Erneuerung oder Erweiterung der Anlagen erhöhe den Druck auf die Betriebe. Die Entscheidung liege letztlich bei den Bäuerinnen und Bauern: „Sie müssen entscheiden, ob dieser Weg sinnvoll ist – oder ob es Zeit ist, sich an einer nachhaltigen Produktionsweise zu orientieren.“ Dabei gehe es nicht nur um den Erhalt der Landschaft und Biodiversität, sondern auch um die Sicherung kleiner Betriebe. Nachhaltigkeit schließe Wirtschaftlichkeit mit ein. „Ich möchte, dass die kleinen Höfe weiter bewirtschaftet werden“, betont Heidingsfelder mit einem leidenschaftlichen Plädoyer: „Aber die Veränderung müsst ihr Bauern einfordern – ihr sitzt am Ende der Produktionskette und müsst mit den Auszahlungspreisen leben, nicht die Grünen, nicht die Umwelt- oder Klimaschützer!“
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Zitat Heidingsfelder: „Die…
Zitat Heidingsfelder: „Die Landwirtschaft steht vor dem grundlegenden Problem, dass der Beruf UNATTRAKTIV ist. Man VERDIENT ZU WENIG und muss sich für dieses geringe Gehalt ENORM ANSTRENGEN”:
was man hier kaum liest.
“Hinzu komme ständiger Druck durch Konsumentenerwartungen und Kritik”:
was man hier auch gern und viel liest.
Darf man auch…
Darf man auch differenzierter sehen. Die EU fördert durch Ihre riesigen Subventionen die Großen. Kleinbetriebe, sofern sie nicht erfolgreich selbst vermarkten, bleiben auf der Strecke.
In reply to Darf man auch… by Stefan S
Das ist richtig, das sehe…
Das ist richtig, das sehe ich auch so.
Europaparlamentarier…
Europaparlamentarier Dorfmann kann seinen Einfluss auf die Förderungspolitik der EU geltend machen, damit eine wirksame Schiene für die Förderung der kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Betriebe im Alpenraum eingeführt wird, die nachhaltige und naturnahe Formen der Bewirtschaftung wirtschaftliche rentabel macht.
Die Südtiroler-Landes…
Die Südtiroler-Landes-Regierung sollte ihre Förderung auf die bäuerlichen Familien (als Ausgeichs-Zahlungen für die erschwerte Bearbeitung ...) ausrichten, wenn sie Wert darauf legt, dass die Landschaft (s Kulisse) erhalten bleibt!
... + -n i c h t- gigantische Bauten, - Maschinen + Melk-Roboter fördern!!!
Obstblüte, das war vor 50 Jahren, vor die Obstbauern mit öffentlichen-Steuer-Geld gestopft wurden ...!!!