Die Stadt von morgen
Es gehörte zu den Urforderungen der Gruppe "Città nostra | Unsere Stadt“. Noch als sie als Anti-Benko-Bewegung von sich reden ließen, war ein urbanes Laboratorium geplant, in dem sich jeder Bürger beteiligen kann, um die Stadt Bozen zu gestalten. Nun ist es so weit und am gestrigen Mittwochabend fand das erste Treffen statt. Ob man pro oder contra Benko-Kaufhaus ist, spielt hier keine Rolle mehr. Wichtig ist nur, dass man sich für die Stadt interessiert. Und dafür, wie man sie für die Zukunft aktiv mitgestaltet. Das war auch der Hauptgrund, weshalb man sich in lab:bz umbenannt hat: man wollte den Anti-Benko-Stempel loswerden, der über die Bewegung nur sehr wenig aussagen würde. „Benko war vergleichsweise nur ein winziges Thema“, sagt der Architekt Christoph Mayr Fingerle.
Wie winzig die Benko-Problematik war, wird angesichts der Themenvielfalt an diesem Abend klar. Im Ortler-Saal auf dem Anne Frank-Platz stehen sieben Tische. Jedem Tisch ist ein bestimmtes Themenfeld zugeordnet: Grünflächen, kulturelles Leben, Straßen, Verkehr, Integration und Sicherheit… Je nach eigenem Interessensgebiet können sich die Teilnehmer zu einem Tisch hinsetzen und im Laufe des Abends noch zwei Mal wechseln. Ein erstes Brainstorming rund um jeden Tisch soll Ideen hervorbringen; die können dann im Zuge der weiteren Treffen zu konkreten Projekten weiterentwickelt werden.
Realistische Utopien
Den meisten Ideen lag ein bereits existierendes Modell zugrunde. So war es auch am Tisch 1, wo man sich mit den Grünflächen der Stadt beschäftigte. Viele hier waren inspiriert vom Film „Tomorrow“, das war kaum zu verkennen. In dem Film geht es um Möglichkeiten, die Welt zur rechten Zeit noch nachhaltig umzugestalten, um der großen Katastrophe zu entgehen. Von „edible cities“ ist da unter anderem die Rede: Städte, wo an jeder Ecke Töpfe und Wannen stehen, in denen Gemüse oder Obst wachsen. Auch in Bozen wären Schritte in diese Richtung keine Utopie. So könnte man zum Beispiel entlang der Talferwiesen Fruchtbäume statt normaler Bäume pflanzen. Eines der Konzepte ist in Bozen sogar schon umgesetzt: der Gemeinschaftsgarten.
„Das ist etwas ganz anderes als ein Schrebergarten“, erklärt Susanne Waiz, die derzeit ehrenamtlich im Vorstand des Vereins „donnenissà | nissàfrauen“ arbeitet: „In einem Schrebergarten hat jeder sein Stückchen Erde, alles ist vorgegeben und genau eingeteilt. Ein Gemeinschaftsgarten ist hingegen auf die Kooperation von allen gebaut, er entwickelt sich ständig weiter. Und es funktioniert.“ Die eigentliche Funktion des Vereins ist die Betreuung und Integration von ausländischen Frauen. Inzwischen ist der Gemeinschaftsgarten ein zentraler Bestandteil dieser Arbeit geworden. 100 Menschen seien inzwischen eingeschrieben, faktisch arbeiten schon 500 in den Gärten mit. Das ist aber noch zu wenig, sind die Tischgenossen überzeugt. Das Integrationsprojekt müsse Vorbild für eine Aktion werden, die alle interessierten Bürger gleichermaßen miteinbezieht.
Doch wo findet man den Platz dafür? Ein Problem, mit dem sich auch der Tisch Nummer 7 beschäftigt hat. Hier ging es um Kultur und Lebensqualität in den Stadtvierteln. „In den neuen Vierteln wird der Platz zwischen den Gebäuden zu kleinen Spiel- und Fußballplätzen verbaut. Das sieht nett aus, aber es bringt wenig. Die Fußballplätze stehen fast immer leer“, beklagt ein Teilnehmer der Diskussion. Vorbildlich sei hingegen ein Stadtpark wie der Semirurali-Park, der für die verschiedensten kulturellen Events genutzt werden kann. Allerdings sind es selten die Anwohner, die in dieser Hinsicht den Park nutzen und häufig Bürger aus der anderen Hälfte der Stadt, die keinen näherliegenden Park zur Verfügung haben.
Eine Teilung der Stadt wird auch aufgrund sprachlich-kultureller Faktoren beobachtet: Die geringe Mobilität zwischen den Sprachgruppen würde auch die geringe Mobilität zwischen den Stadtvierteln bewirken: „Die Menschen kommen einfach aus ihren Vierteln nicht raus“, bemerkt ein Teilnehmer. Da könnte ein „Mini-Erasmus“ aushelfen, ein schulisches Austauschprogramm zwischen den Stadtvierteln. Was Kris Krois, Design-Professor an der Uni Bozen, halb im Scherz sagte, ist allerdings bereits eine halbe Realität. Im sogenannten „Auslandsjahr“ in der vierten Klasse Oberschule besuchen deutschsprachige Schüler eine italienische Schule in einem anderen Teil der Stadt, oder umgekehrt. Dass man diesen Austausch gemeinhin „Auslandsjahr“ nennt, zeigt, dass die Spaltung der Stadt ein reales Problem ist. Dass es den Austausch überhaupt gibt, zeigt aber, dass es auch Lösungen gibt. Lösungen, die im lab:bz übrigens ohne Sprachgruppentrennungen erörtert wurden. Bereits das könnte ein Zukunftsmodell für die Stadt sein.