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Über den Eigensinn

1986 – 10 Jahre Arunda. Eine grandiose Leistung, eine Idee hat sich verwirklicht. Das Heft Nr. 20 ist dem Künstler Peter Fellin gewidmet.
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Im Vorwort schreibt Herbert Rosendorfer „Für Peter Fellin“ über den Eigensinn.

Die Welt will keine Kunst. Die Welt will Geld, Essen und Trinken, trockene Füße, Unterhaltung, Geschlechtsvergnügen; Kunst will sie nicht. Der Künstler ist daher überflüssig. Durch die Kunst die Welt oder die Gesellschaft ändern zu wollen, ist ein kindischer Gedanke. Wenn die Welt schon die Kunst überhaupt so gut wie nicht wahrnimmt, wie soll dann so etwas eine Änderung bewirken? Die Welt betrachtet die Kunst – alle Künste: Musik, bildende Kunst, Literatur - allenfalls als Zuwaage. Die eigentlichen Dinge sind: Börsenkurse, ob das Gold steigt oder sinkt, ob es im Kaufhaus Regenmäntel im Sonderangebot gibt, wer Fußballweltmeister wird. Zu behaupten, die Welt als Ganzes sei ein Kunstwerk, „die Sozialplastik, jeder ist Künstler“, so ist das originell, aber Schwachsinn. Die Welt ist das Gegenteil der Kunst. Kunst ist, was nicht Welt und Gesellschaft ist. Die Welt ist ständig damit beschäftigt, die Kunst hinauszudrücken, wie der Eiter einen eingestoßenen Schiefer. Die Welt will keine Kunst. Die Künstler müssen die Kunst der Welt aufzwingen, weshalb die notwendige Haupteigenschaft der Künstler sein muss: der Eigensinn. Animus difficilis, obstinatus. Eigen Sinn, eigensinnig, morosus, nicht nur: seinen eigenen Sinn haben, das auch, sondern, mit dem Kopf durch die Wand wollen. Ein Künstler, der nicht mit dem Kopf durch die Wand will, der hat schon ausgespielt. Wenn er einen Fuß breit nachgibt, dann wirft ihn die Welt schon hinaus. Wände, durch die er mit seinem Kopf will, gibt es genug. Alle sind dauernd bemüht, den Künstler von seiner Arbeit abzuhalten: das Finanzamt, Journalisten, überhaupt Leute, die es besser wissen (das können durchaus andere Künstler sein, manchmal wollen an der gleichen Stelle mehrere mit dem Kopf durch die Wand, nur gegenläufig), die Ehefrauen. Wenn Michelangelo eine Ehefrau gehabt hätte, wäre es ihr, wenigstens im jeweiligen Augenblick, wichtiger gewesen, dass er frischen Salat holen geht, als die Sixtinische Kapelle fertig wird.

Eigensinn kann immer nur ein Einzelner entfalten, das ergibt sich nun ausnahmsweise wirklich schon aus dem Wort. Zwei können keinen gemeinsamen Eigensinn haben, oder jedenfalls ist das ganz selten; bei drei und mehr: ausgeschlossen. Schon deshalb kann es kein kollektives Kunstwerk geben. Es ist auch immer nur der Einzelne, der dem Künstler hilft. Dass diese einzelnen Helfer die Ausnahme sind, ist klar, deshalb sind sie nicht hoch genug zu loben. Wenn Bernini nicht seinen Urban VIII. gehabt hätte – so abscheulich der Barberini-Papst auch sonst gewesen sein mag -, wäre er im Hemd dagestanden. Aber, wie gesagt, es sind immer Einzelne und zwar Einzelne allein. Ein kollektives Mäzenatentum gibt es nicht. Wenn die Gesellschaft Mäzen spielen will, wird es fürchterlich. Die Kunst des Faschismus und Nationalsozialismus und der sozialistische Realismus sagen wohl genug in diesem Zusammenhang. Der Mäzen, also der Einzelne, ist nur dann ein wirklicher Mäzen, wenn er dem Künstler seinen Eigensinn lässt. Das ist schwer, weil sich der künstlerische Eigensinn selbstverständlich manchmal auch und gerade gegen den Mäzen richtet. Mäzen sein ist eine Gnade.

Was ist künstlerischer Eigen Sinn? Das ist: in sich hineinhorchen und nochmals in sich hineinhorchen und ganz genau feststellen, was die Kunst, die da ganz tief in einem sitzt (und sich ängstigt, natürlich, denn die Welt will sie ja nicht), was diese Kunst will, und dann ohne Rücksicht auf Lehrmeinung, Gesellschaft und Theorie, das tun, was die Kunst will.

Besonders die Theorie und die Lehrmeinungen hindern den Künstler, fast mehr noch als das Finanzamt und die Familie. Die Theorie hinkt immer nach, die die Theorie aufstellen, können das ja nur anhand dessen, was es schon gibt. Kunsttheorie ist deshalb immer falsch, was die Zukunft betrifft. Das ist wiederum eine große Hilfe für den Künstler: denn er braucht nur das zu tun, was der Kunsttheorie widerspricht, und so kann er schon ziemlich sicher sein, dass er auf dem richtigen Weg ist. Seit Adorno gesagt hat: den Wert des Kunstwerks bestimmt der jeweils erreichte Stand des Materials, weiß der Künstler, dass es mit dem Fortschritt vorbei ist; um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Mitglieder der weltweiten, unsichtbaren Geheimloge der Künstler erkennen sich gegenseitig am Kainszeichen des Eigensinns. Ein Künstler sein heißt: einen zerbrechlichen Gegenstand in erhobenen Händen durch ein Gestrüpp übermannshoher Dornen zu tragen. Wo das Dornenfeld endet, sieht man nicht und dort, wo der Künstler den Gegenstand hintragen will, will man ihn nicht haben.