Society | PROMEMORIA_AUSCHWITZ

Gegen das Vergessen

Vor fast genau siebzig Jahren, am 27. Jänner 1945, wurde das Konzentrations-und Vernichtungslager von der Roten Armee befreit. In vielen Teilen der Welt fanden Gedenkfeiern und Zeremonien statt. Auch in Bozen, im Jugendzentrum Pippo, wurde gestern ein zweisprachiges Treffen zwischen der jüdischen Gemeinde Meran und Jugendlichen bzw. Teilnehmern am Projekt „Promemoria Auschwitz“ organisiert.
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Alessandro Huber, der die Reise der Erinnerung mit dem Verein DEINA Trentino Alto Adige, Arciragazzi und der Arbeitsgemeinschaft der Jugenddienste organisiert, begrüßte zu Beginn alle Teilnehmer und übergab das Wort dann an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Meran. Gemeinsam mit den Jugendlichen versuchte man mehr über das Judentum, seine Bräuche, seine Kultur und seine Religion herauszufinden, denn auch heute noch ist das Wissen darüber weitgehend begrenzt. Im Internet, beim Suchwort „ebrei“, kam zum Vorschein, dass dort vorwiegend Bilder zur Shoah, Juden in Konzentrationslagern, bei der Deportation und in Ghettos zu finden waren. Nur vereinzelt und nach einiger Suche tauchten auch aktuelle Bilder auf, bei denen jüdische Glaubensmitglieder im wahren und heutigen Leben dargestellt waren. Um diesen Aspekt zu vertiefen, stellten sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde bereit, mitgebrachte Gegenstände den Jugendlichen genauer zu erklären und ihnen dadurch einen Einblick in den jüdischen Alltag zu gewähren. Abschließend wurde noch das Schicksal des Großvaters einer der jüdischen Mitglieder erzählt, der gemeinsam mit seiner Familie in Ungarn lebte und zuerst in ein Ghetto abgeschoben und dann nach Auschwitz deportiert wurde. Er musste, nach der Befreiung, alleine die Heimreise antreten, da er als einziger seiner Verwandtschaft das Konzentrations- und Vernichtungslager überlebt hatte.
Damit es nicht noch einmal zu einer derartigen Tragödie kommt, ist dieses gemeinsame Erinnern wichtig und dazu hat das gemeinsame Treffen mit der jüdischen Gemeinde gestern beigetragen.
 

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Oskar Egger Thu, 01/30/2014 - 08:39

Sehr wichtig finde ich die Initiativen zur Erinnerung an den industriellen Völkermord und den allgemeinen Schrecken des 2.Weltkriegs. Noch wichtiger ist die Auseinandersetzung mit dem, was diese Geschichte im eigenen Umfeld angerichtet hat. Über Generationen trägt man an der Bürde dieser Vergangenheit und ein Hinschauen kann, auch für heutige Flüchtlingskinder, z.B., dahingehend hilfreich sein, dass sie Unterstützung durch Traumatherapie erfahren. Einen Einblick in die Auswirkung der Verdrängung, liefert z.B. die Sozialwissenschaftlerin Michaela König in einer Studie über die Ursachen rechtsextrem orientierter Handlungsmuster bei jungen Frauen aus der Neonazi-Szene. König fand heraus, daß die nationalsozialistische Vergangenheit unter Umständen bis in die vierte Generation hineinwirkt. König interwiewte Frauen der Jahrgänge 1974 bis 1985, deren Großeltern zwischen Anfang der 1920er und Anfang der 1930er Jahre geboren wurden. Dass der familiäre Hintergrund bei der rechtsextremen Orientierung der Frauen eine Rolle spielen könnte, hatte König nicht erwartet. Sie betrachtete vor allem die schwierigen biografischen Erfahrungen der jungen Frauen und die stützenden sozialen Rahmenbedingungen der Neonaziszene als ausschlaggebebnd. Im Laufe der Analyse ergab sich aber, dass auch unbearbeitete Themen aus der Familienvergangenheit bei den Enkelinnen und Urenkelinnen ihren Niederschlag fanden, Themen, die sich also nicht, mit zunehmenden Abstand, von selbst auflösen. Zu Recht empfindet es die Sozialwissenschaftlerin als gefährlich, dass der zunehmende zeitliche Abstand und Mangel an bewußter Erinnerung es heute immer schwieriger macht, diese Verbindungen zu rekonstruieren. Denn schließlich wirkt die Vergangenheit nicht nur auf einer individuellen Ebene bis in die Gegenwart, auch politische und gesellschaftliche Orientierungen und Entwicklungen sind stets davon betroffen.

Thu, 01/30/2014 - 08:39 Permalink