„Werden Costa an den Fakten messen“
Herr Kompatscher, mit Enrico Costa muss sich Südtirol in Rom nun mit einem Regionenminister herumschlagen, der noch vor vier Jahren in einem Gesetzesentwurf die Abschaffung der Regionen mit Sonderstatut und der autonomen Provinzen gefordert hatte. Und das obwohl Sie sich gegenüber Premier Matteo Renzi ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben.
Arno Kompatscher: Ich habe mich gegenüber dem Premier nie gegen Costa ausgesprochen. Ich habe Matteo Renzi vielmehr gebeten, dass die Besetzung des Regionenministeriums mit einer Person erfolgt, die keine autonomiefeindliche Haltung hat. Und zwar bereits bevor Enrico Costa als möglicher Kandidat gehandelt wurde. Zu Costa kann ich nicht viel sagen, denn ich kenne ihn nicht.
Doch beunruhigt es Sie nicht, dass er die Abschaffung der Autonomen Provinzen gefordert hat? Oder reicht es, wenn Senator Karl Zeller für Costa "die Hand ins Feuer legt", wie er gemeint hat.
Wir werden Costa an den Fakten messen. Vor allem aber haben wir mit Premier Renzi eine klare Vereinbarung, was die Verabschiedung von Durchführungsbestimmungen und die Weiterentwicklung der Autonomie anbelangt. Und bisher ist Matteo Renzi dafür gerade gestanden und hat sich an alle Vereinbarungen gehalten – wie sich zuletzt auch bei der Autobahnkonzession gezeigt hat. Ich gehe davon aus, dass auch weiterhin so sein wird.
Das heißt, selbst wenn jemand kein Freund der Sonderautonomien ist, hat er keinen Spielraum, Südtirol zu schaden?
Wie gesagt: Messen wir an den Fakten, ob man Enrico Costa dieses Etikett tatsächlich umhängen kann. Denn abgesehen von diesem einen Ausrutscher hat er sich bisher nicht durch autonomiefeindliche Aktivitäten hervorgetan.
Ist die Ernennung Costas zum neuen Regionenminister Teil eines Kuhhandels, mit dem Angelino Alfano im Kampf um die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auf Linie gebracht werden soll?
Das kann ich nicht beurteilen. Die Besetzung der Ministerien ist immer ein Stück weit ein politischer Akt zwischen den Parteien einer Mehrheitskoalition. Die Details kennen nur die handelnden Personen.
Doch auch nicht handelnde Personen können dadurch unter die Räder kommen. Wenn andere Interessen dringender erscheinen als zum Beispiel Südtirols Autonomie.
Wir kommen nicht unter die Räder, weil wir eine klare Vereinbarung mit dem Premier haben, was die Inhalte anbelangt. Und die zählen, nicht die Personen.
Außerdem ist da ja noch Wien. Statt der abgelehnten Doppelstaatsbürgerschaft stellt Ihre Partei nun eine Verankerung der Schutzfunktion in der österreichischen Verfassung in Aussicht.
Es wäre eine Unterstreichung der Schutzfunktion, wenn sie ganz formell in der Präambel der Verfassung verankert würde. Diese Forderung hat die Volkspartei seit langem deponiert. Nachdem es derzeit in Österreich mehrere Vorschläge und Ansätze zur Überarbeitung der Verfassung gibt, haben wir den Wunsch noch einmal vorgebracht. Doch die Schutzfunktion ist klarerweise auch aktuell gewährt und kürzlich durch den Briefwechsel von Renzi und Faymann auch von Italien schriftlich anerkannt worden.
Die Südtiroler Freiheit hat bereits angekündigt, ihren Kampf um die Doppelstaatsbürgerschaft nicht aufzugeben. Ist es ausgeschlossen, dass die Volkspartei dabei in Zukunft doch noch einmal mitzieht oder ist das Thema aus Ihrer Sicht endgültig begraben?
In der Form, wie die Debatte zur Zeit geführt worden ist, würde eine Doppelstaatsbürgerschaft die Gesellschaft spalten und mehr Risiko als Nutzen darstellen. Denn es stimmt eben nicht, dass sie völkerrechtlich die Schutzfunktion Österreichs stärken würde. Da kennen sich einige Leute im Völkerrecht leider überhaupt nicht aus. Eine Doppelstaatsbürgerschaft dient nur dann, wenn ein Staat überhaupt keine Möglichkeit hat, für eine Gruppe aktiv zu werden. Dann hat sie zumindest diese individuelle Schutzfunktion in Bezug auf die Staatsbürgerschaft. Doch die Schutzfunktion Österreichs geht ja mit ihrer völkerrechtlichen Absicherung meilenweit darüber hinaus. Zu behaupten, dass die Doppelstaatsbürgerschaft etwas zusätzlich bringen würde, ist wirklich Nonsens. Da werden Äpfel mit Birnen vermischt.
Sie sind am heutigen Freitag erneut im Regionalrat in Trient. Wird es bis am Abend ein neues Wahlgesetz geben?
Ich gebe keine Prognosen ab. Das hängt von der Seriosität der handelnden Personen und von den Entscheidungen des Präsidiums ab. Auf jeden Fall hat es für mich nicht mehr viel mit Demokratie zu tun, wenn eine oder zwei Personen einen Regionalrat mit 70 Mitgliedern blockieren können. Sicher ist für mich in jedem Fall, dass wir nach dem bevorstehenden Staffelwechsel unmittelbar die Geschäftsordnung des Regionalrats angehen müssen. Denn sonst ist dieses Gremium wirklich unerträglich.