Chronicle | Dai nostri blogger

Pier Luigi Bersani Der tragische Held

Ein Monat nach der Wahl ist noch immer keine Regierung in Sicht. Ein Beweis
für die zunehmende Balknisierung der italienischen Politik

Eine Woche lang hat Pierluigi Bersani mit Gewerkschaften, Unternehmern, Gemeinden und Bauernverbänden gesprochen - bis hin zum Touring Club und zum Cai. Hat verzweifelt versucht, seinen Traum zu realisieren, in den römischen Chigi-Palast einzuziehen. Vergeblich. Nach seinem Scheitern steht der Vorsitzende des Partito Democratico einsam da - auch in der eigenen Partei. Bersanis Tragik: er war felsenfest vom Erfolg seiner Partei überzeugt. Er hat - ungewohnt genug - schon sechs Monate vor der Wahl seinen Sieg prophezeit. Nach seiner Wahlniederlage wird der Partito Democratico endlich eine bittere Wahrheit zur Kenntnis nehmen müssen: in Italien gibt es für eine linke Regierung keine Mehrheit. Eine Tatsache, die in der Euphorie über die Vorwahlen verdrängt wurde. Bersanis Hartnäckigkeit, trotz fehlender Mehrheit im Senat die Regierungsbildung  selbst zu versuchen, erweist sich als Fehler. Zum einen, weil er es bei Silvio Berlusconi und Beppe Grillo mit zwei Egomanen zu tun hat, die ihre eigene Person stets in den Vordergrund rücken. Beide verachten ihn und würden ihn auch bei Gelingen seines Versuchs am politischen Gängelband führen. Berlusconi bietet ihm eine Koalition an, die für Bersani einer tödlichen Umarmung gleichkäme. Grillo verunglimpt ihn als "Hurenbock" und lehnt jeden Dialog ab. Daß ein Monat nach der Wahl keine Regierung in Sicht ist, beweist die zunehmende Balkanisierung der italienischen Politik, in der jede Partei trotz dramatischer Wirtschaftslage ihre Eigeninteressen verfolgt. Berlusconi peilt nur ein vordringliches Ziel an: er besteht auf der Wahl eines neuen Staatspräsidenten, der ihm nicht feindlich gesinnt ist und der ihn als Vorsitzender des Obersten Richterrates vor der vermeintlichen "Verfolgung" durch die Justiz schützt. Wie stets versucht er mit allen Mitteln, sich seinen Prozessen zu entziehen. Seine Verteidiger haben deren Verlegung von Mailand nach Brescia beantragt. Ein neuer Gesetzentwurf zur Immunität wird nicht lange auf sich warten lassen. Grillo lehnt jedes Gespräch mit den traditionellen Parteien ab. Das Parlament könne auch ohne Regierung arbeiten. Sein Interesse ist es, seine Fünfsterne-Bewegung als geschlossene Phalanx von "duri e puri"zu präsentieren, die im Auftrag der Wähler jeden Kompromiß ablehnen. Eine reine Zwecklüge. Denn aus mehreren Umfragen geht klar hervor, daß 55 Prozent der Grillo-Wähler eine Einigung mit dem Partito Democratico befürworten. Jene militanten Grillini, die sich auf seinem blog erregen, sind eine verschwindende Minderheit der 5,8 Millionen Wähler, die der Fünfsterne-Partei ihre Stimme gegeben haben. Italiens politisches Schicksal liegt nun in der Hand der einzigen Integrationsfigur des Landes: Giorgio Napolitano wäre gut beraten, wenn er die Bildung der nächsten Regierung einer neutralen Persönlichkeit anvertrauen würde. Damit würde der tägliche Kleinkrieg zwischen Bersani, Grillo und Berlusconi beendet und man könnte sich endlich den Sachproblemen zuwenden. Drei Namen stehen im Vordergrund: der neue Senatspräsident Piero Grasso, Innenministerin Anna Maria Cancellieri  und der Generaldikretor der Notenbank Fabrizio Saccomanni. Ich persönlich würde Cancellieri bevorzugen. Damit würde Italien endlich von einer Frau regiert. Obwohl sie keiner Partei angehört, verfügt Cancellieri als langjährige Präfektin über viel politische Erfahrung. Sie hat als kommissarische Verwalterin zahlreicher Gemeinden einen guten Eindruck hinterlassen - in Bologna wollte man sie gar als Bürgermeisterin behalten. Sie kennt die Staatsverwaltung gut und hat sich in vielen kritischen Situationen als Mediatorin bewährt. Spätestens am Samstag früh wird man wissen, wer das land zu neuwahlen führen soll.