Politics | Gastkommentar

Am Ende des Weiterwurstelns angelangt

Hans Heiss - Brixner Politiker und Historiker, Landeskundler und Autor über die Landtagswahl in Tirol und deren Bedeutung für die Südtiroler Politik.

Wie bei früheren Wahlen hält sich das Interesse am Tiroler Wahlgang südlich des Brenners deutlich in Grenzen: Der ausführlichen Berichterstattung der Medien steht weit gehende Gleichgültigkeit der Südtiroler gegenüber, ungeachtet aller Beschwörungen der „geistig-kulturellen Landeseinheit.“ Obwohl sie seit 2003 jeweils im selben Jahr erfolgen, scheinen die Wahlen auf einem „fernen Planeten“ stattzufinden – dies gilt übrigens für beide Seiten. Eigentlich erstaunlich, da wichtige politische Akteure beiderseits des Brenners denselben Parteienfamilien angehören: ÖVP und SVP haben als überwiegend konservative Volksparteien viel gemeinsam, Freiheitliche und FPÖ denselben populistischen Furor, ebenso pflegen die Grünen Tirols und Südtirols verwandte Themen.

Aber Landespolitik hat ihre eigenen Gesetze. Sie ist stark personalisiert, etwa um die Figur des Landeshauptmanns, verbeißt sich in spezielle Themen (Agrargemeinschaften vs. SEL-Skandal), führt hinab in die Bezirksebene und fördert mehr die Froschperspektive als den Vergleich. Das wechselseitige Interesse war zu Zeiten der virulenten „Südtirolfrage“ ungleich stärker und wurde gefördert durch einen Landeshauptmann mit Südtiroler Wurzeln wie Eduard Wallnöfer (1963-1987), der als „ewiger Walli“ nur wenig kürzer regierte als Silvius Magnago. Aber insgesamt gilt: Seit der Zweiten Südtirol-Autonomie ist das Interesse aneinander deutlich erkaltet und die Europa-Region Tirol kein Sprungbrett gegenseitiger Annäherung – schon gar unter dem technisch kalten Kürzel EVTZ.

Das Desinteresse ist – wie gesagt – bedauerlich: Denn das Wahlergebnis greift politische Grundströmungen auf, die für beide Länder gelten: Der Knapp-40%-Erfolg der Platter-ÖVP ohne nennenswerten Einbruch demonstriert das Bedürfnis der Wähler nach Sicherheit. Der Slogan „Keine italienischen Verhältnisse!“ hat gezündet: Trotz handfester Skandale und dickem Filz sind die Grenzen von ÖVP-Abspaltungen wie „Vorwärts Tirol“ und „Liste Fritz“ unübersehbar, das wird auch Spaltgelüste in der SVP dämpfen. Die SPÖ erleidet in der chronischen Umarmung durch den stärkeren Koalitionspartner ÖVP einen langsamen Erstickungstod (von früher 25% auf knapp 14%) – das sollte auch dem PD in Südtirol zu denken geben und gibt den „Grillini“ Auftrieb.

Die FPÖ (9,61%) befindet sich in Tirol mit fragwürdigen Persönlichkeiten wie Gerald Hauser gewiss in einem Dauertief, aber auch österreichweit hat der FPÖ-Populismus trotz HC-Strache seine Grenzen erreicht. Dies sollte auch die blaue Pius-Bruderschaft in Südtirol bedenken. Und die Grünen Tirols sind von Wahl zu Wahl jeweils annähernd doppelt so stark wie Südtirols Grüne-Verdi-Verc: Dem Tiroler Grünen-Höhenflug 2003 entsprach auch der Aufstieg im Süden, dem Rückgang von 2008 eine Schrumpfung des Südtiroler Pendants, wird es 2013 ähnlich sein?

Günther Platter hat jedenfalls die Qual der Wahl: Er kann in den Koalitionsverhandlungen die denkbaren Partner SPÖ und Grüne gegeneinander ausspielen. Dennoch muss die ÖVP ihre Modernisierung dringend in Angriff nehmen: Ihr hauseigener Filz, die bohrende Wirtschafts- und Sozialkrise und die großen Umweltthemen im Bereich Transit und Energie sind mit dem bisherigen Weiterwursteln nicht zu lösen.

Hans Heiss