The Two-Men-Show
Gerhard Brandstätter wiederholt es an diesem Abend mehrmals: „Heute ist die Stunde Null der Südtiroler Sparkasse“. Was der Präsident der Sparkassen AG nicht sagt: Die Gesellschafterversammlung am Dienstag im Haydn-Auditorium ist auch für Ihn selbst und seinen Stellvertreter Carlo Costa die Stunde Null.
Das Duo an der Spitze der Sparkasse hat nur mehr zwei Alternativen: Als Retter der Südtiroler Traditionsbank in die Geschichtsbücher einzugehen oder ordentlich auf die Schnauze zu fallen und mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt zu werden. Der Grat zwischen den beiden Möglichkeiten ist äußert schmal.
Spätestens seit Dienstag ist die Zukunft der Sparkasse direkt mit dem persönlichen Schicksal von Gerhard Brandstätter und Carlo Costa verbunden. Noch nie haben auf einer Gesellschafterversammlung der Sparkasse ein Präsident und sein Vize ihre persönlichen Befindlichkeiten und auch ihre Personen so in den Vordergrund gestellt wie an diesem Tag.
Es war eine Two-Men-Show. Gerhard Brandstätter als Frontman und Carlo Costa als Background-Sänger. Alle anderen wurden zu Statisten degradiert. Generaldirektor Nicoló Calabró durfte zwar mit auf die Bühne, aber nur um die undankbarste Aufgabe zu erfüllen: die Vorstellung der desaströsesten Bilanz in der Geschichte der Sparkasse mit einem Verlust von 232 Millionen Euro.
Vom amtierenden Verwaltungsrat waren überhaupt nur sechs Mitglieder im Saal. Die drei Verwaltungsräte Heinrich Dorfer (zurückgetreten), Hans Krapf und Katrin Rieper haben es vorgezogen, erst gar nicht zur Gesellschafterversammlung zu erscheinen.
Einen deutlicheren Affront kann es wohl kaum geben.
Gerhard Brandstätter läuft im Bozner Auditorium zur Höchstform auf. Mit fast 800 Kleinaktionären im Saal, die allesamt mehr als aufgebracht sind, gleicht die Stimmung anfänglich einem Pulverfass. Der Sparkassen-Präsident macht dann aber einen Schachzug, den ihm die Wenigsten zugetraut haben.
Brandstätter, oft als steif und unnahbar wahrgenommen, verlässt im wahrsten Sinne des Wortes das Protokoll. Der Sparkassen-Präsident steht vom Präsidiumstisch auf und stellt sich mit Mikrophon mitten auf die Bühne. „Ich möchte zu ihnen sprechen mit dem Herzen und dem Gefühl und ihnen ein sehr schwieriges Jahr schildern“, sagt er. 55 Minuten lang lässt Gerhard Brandstätter – fließend zwischen deutsch und italienisch wechselnd – dann das Horrorjahr der Sparkasse Revue passieren. Nach ihm wird Vizepräsident Carlo Costa dasselbe machen. Costa, der seit dem Ruaswurf von Schedl und Brillo für das Personal zuständig ist, drückt deckungsgleiche Befindlichkeiten aus und preist die Personalpolitik der neuen Sparkasse-Führung als besonders sozial an.
Vor allem Gerhard Brandstätter gelingt es aber mit seinem Auftritt, dass die Stimmung im Saal kippt. Die direkte Art beeindruckt die Menschen, das spürt man.
Mit ihrem in Wirklichkeit perfekt geplanten Auftritt gelingt es den Duo Brandstätter/Costa, den größten Druck aus dem Dampfkessel zu nehmen, der die geplante Kapitalerhöhung noch verderben könnte.
Der KleinaktionärDas Duo an der Spitze der Sparkasse hat nur mehr zwei Alternativen: Als Retter der Südtiroler Traditionsbank in die Geschichtsbücher einzugehen oder ordentlich auf die Schnauze zu fallen und mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt zu werden. Der Grat zwischen den beiden Möglichkeiten ist äußert schmal.
Wie geschickt die Sparkassen-Spitze dabei vorgeht, zeigen einige Details. Perfekt getimt präsentiert man die Genehmigung des Finanzministeriums zur geplanten Kapitalerhöhung. Eingelangt am Dienstag um 9 Uhr. Dazu noch eine Anzahlung der Stiftung von 120 Millionen Euro, geleistet eineinhalb Stunden vor Versammlungsbeginn.
Dazu werden auf der großen Bühne noch einige Taschenspielertricks dargeboten. So präsentiert man stolz das positive operative Ergebnis 2014 von 66 Millionen Euro. Das kommt einem Kellner gleich, der das Tagesinkasso aus der Kasse nimmt und dem Besitzer weismachen will, das sei der Gewinn.
Vor allem aber versucht Gerhard Brandstätter, den Zorn der Kleinaktionäre mit einem unglaublichen Satz aufzufangen. „Auch ich bin ein Kleinaktionär, der sich über diese Verluste unheimlich ärgert“, sagt er an diesem Abend gleich zweimal. Der Sparkassenpräsident als primus inter pares, als einer, der mit im Boot der Geschädigten sitzt?
Die Rührung im Saal lässt die nackte Wirklichkeit vergessen: Gerhard Brandstätter hat seit mehr als einem Jahrzehnt als Stiftungspräsident die Geschicke der Sparkasse maßgeblich mitbestimmt. Auch die Personalauswahl an der Führungsspitze. Jeder weiß, dass niemand ohne das Placet des Stiftungspräsidenten in der Sparkasse zum Verwaltungsratsmitglied oder zum Generaldirektor ernannt wurde.
Auch die Tatsache, dass am Ende 12,5 Prozent der anwesenden Kleinaktionäre ihre Zustimmung zur Kapitalerhöhung verweigern, lässt man geschickt unter den Tisch fallen.
Auf der Aktionärsversammlung gelingt es meisterhaft, auch einen anderen brisanten Punkt zu umschiffen: Die Verantwortlichkeiten für die Millionenverluste.
Gerhard Brandstätter und Carlo Costa räumen zwar offen strategische Fehler ein, die in der Vergangenheit gemacht wurden, doch das ist dann auch schon das Maximum an Schadensanalyse.
Namen fallen auf dieser Aktionärsversammlung keine. So werden am Podium nicht ein einziges Mal der frühere Sparkassen-Präsident Norbert Plattner oder die geschassten Direktoren Peter Schedl oder Andrea Brillo erwähnt. Die angeblichen Fehler der Vergangenheit laufen bewusst gesichtslos ab.
Man schafft es auch geschickt, die wohl gefährlichsten Frage an diesem Abend unter den Tisch zu kehren. Weder die drohenden Strafen der Banca d´ Italia in Millionenhöhe noch eine Klage gegen den früheren Sparkassen-Verwaltungsrat werden vor den Aktionären thematisiert. Dazu gibt es zwar eine Wortmeldung aus dem Publikum, doch man geht darauf erst gar nicht ein.
Es gibt in der Show aber auch einen klaren Tiefpunkt. Es ist der Moment, an dem Gerhard Brandstätter darüber sinniert, dass gewisse Zuschriften einem durchaus auch gut tun. Dann liest der Sparkassen-Präsident einen Brief vor.
Zur Erinnerung: Das Wochenmagazin FF hatte vor einigen Wochen eine kritische Reportage und Analyse zum Zustand der Südtiroler Sparkasse gebracht. Darin legt FF-Direktor Kurt Zimmermann vor allem in Bezug auf Gerhard Brandstätter die Samthandschuhe ab.
FF-Titel: Thema auf Aktionärsversammlung.
Gerhard Brandstätter zitiert auf der Bühne im Haydn-Auditorium jetzt aus dem Brief des Präsidenten der „FF media GmbH“ und FF-Mitbesitzers Stefan Weber. Der Wiener Anwalt mit Pusterer Wurzeln entschuldigt sich darin bei Brandstätter wortgewaltig für die Berichterstattung, distanziert sich von der eigenen Redaktion und bietet Wiedergutmachung an. So wird am Donnerstag in der FF ein großes Brandstätter-Interview erscheinen.
Gerhard Brandstätter zelebriert den Bückling des FF-Besitzers auf der Bühne und schafft es damit, das Südtiroler Wochenmagazin vorzuführen. Dass von den 800 Anwesenden kaum ein Zehntel überhaupt verstanden haben, um was es dabei geht, stört in der Sparkasse anscheinend niemand.
Allein die Tatsache, dass Gerhard Brandstätter die Gesellschafterversammlung der größten Südtiroler Bank dazu hernimmt, persönliche Fehden öffentlich auszutragen, macht aber deutlich, mit welchen Risiken die neue Personality-Show rund um die Sparkasse behaftet ist.
Und ... wer hier in Südtirol
Und ... wer hier in Südtirol hat die Eier diese Integrität dann anzuzweifeln?
In reply to Und ... wer hier in Südtirol by Peter Grünfelder
wahrscheinlich nur jene, die
wahrscheinlich nur jene, die nix zu verlieren haben... oder?
... oder die eben den Mut
... oder die eben den Mut haben, dies zu tun. Klasse-Analyse, Christoph!