Culture | Aus meinem Bücherregal

Zerstörung eines Fresko

Eine für heutige Verhältnisse zum Glück fast unglaubliche Geschichte erzählt Roland Kristanell in der zweiten Ausgabe der ARUNDA vom Jahre 1976. Damit ist aber nicht gesagt, dass sich was Ähnliches in Südtirol nicht auch noch heute zutragen könnte. Das Thema der zweiten Ausgabe war „Zerstörung“ und hier ging es um die Zerstörung eines Fresko und zwar von keinem Geringeren als dem Vinschger Künstler Karl Plattner.
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„Es handelt sich um das Kriegerdenkmal, das Karl Plattner im Laufe des Jahres 1952 in der Totenkapelle des Friedhofs von Naturns fertiggestellt hatte. Das Werk ist, nach Aussage des Malers, eine seiner besten als fresco-Arbeiten geblieben.“ So beschreibt Roland Kristanell den Tatort und fügt hinzu, dass dieses Kriegerdenkmal eine bewegte Vorgeschichte und ein nicht minder bewegtes Nachspiel hatte.

Er wagt es sogar zu behaupten, dass angesichts des damaligen Kunstverständnisses der südtiroler Allgemeinheit die Zerstörung des Freskos gar nicht verwunderlich sei. Bei einem Kriegerdenkmal wollte man Krieg und Vaterlandsliebe sehen, Plattner hingegen entwarf eine Pietá, Symbol des menschlichen Leids. Zudem wählte er noch ungewohnte Formen und Farben und das Volk empfand solche Malerei als Provokation.

Die Zustimmung für die Freskoentwürfe Plattners wurden in einer bewegten Gemeinderatssitzung, welcher der Pfarrer -trotz persönlicher Einladung- ferngeblieben war, vom damaligen Bürgermeister Hermann Kristanell durchgesetzt.

Der Künstler Karl Plattner entschloss sich dann, während seiner Arbeiten in der Totenkapelle dem Herrn Pfarrer einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Er erntete jedoch eine heftige Attacke auf sein Werk und die Drohung, dieses nicht einweihen zu wollen. Plattner sah darin nur ein Beispiel von Intoleranz oder Naivität, welche die damalige Mentalität kennzeichneten. Das Fresko wurde am Allerseelentag 1952 dann schließlich doch vom Pfarrer feierlich eingeweiht. Die Anwesenheit des damaligen Landeshauptmanns Magnago wird den Seelsorger zur Vernunft gebracht haben.

Eine Predigt von Kooperator Valtingojer genau ein Jahr danach, in welcher das Werk des Künstlers schlicht als „Schweinerei“ bezeichnet wurde, war Benzin in das Feuer der Hetzkampagne gegen das Fresko und am 6. Dezember desselben Jahres dann die ernüchternden Folgen: Das Fresko wurde arg, teilweise völlig zerstört. Den Künstler erreichte die Nachricht in Brasilien, wo er inzwischen mit seiner Gattin lebte. Er bot sich an, das Kriegerdenkmal kostenlos zu restaurieren. Dieses wurde einstweilen verdeckt. Bei seinem nächsten Besuch in Südtirol wurde dem Künstler von der Kurie in Trient bestätigt, nichts gegen das Werk einzuwenden zu haben, doch bei eventuellen Messfeiern in der Totenkapelle sei der untere Teil des Freskos zu verdecken. Plattner wollte volle Rehabilitation, fand aber keinen Rechtsanwalt, der er wagte, sich mit der Kirche anzulegen.

Nachdem Plattner als Künstler international bekannt geworden war und ihn die Gemeinde Naturns um die Restaurierung bat, lehnte er ab und verwies auf Prof. Carlo Andreani aus Trient. Dieser brachte das Fresko kurz vor Allerseelen 1968 wieder in Ordnung.