Ein gespaltenes Land?
Alexander Van der Bellen wird im Juli zum neuen Bundespräsidenten Österreichs angelobt. Das steht seit vorletztem Sonntag fest. Bereits am Tag zuvor war jedoch klar, dass es sehr knapp werden würde. Rund 50 Prozent der WählerInnen gaben ihre Stimme Van der Bellen, die andere Hälfte stimmte für seinen Kontrahenten Norbert Hofer. Im Endeffekt waren rund 30.000 Stimmen ausschlaggebend für den Sieg.
Dieser knappe Wahlentscheid wurde und wird auch eine Woche danach noch in Medien und Öffentlichkeit heftig diskutiert – die einen sehen einen Wahlbetrug und Verschwörungen, die anderen ein “gespaltenes Land”. Warum immer diese Übertreibungen auf allen Seiten? Betrachtet man die Entwicklungen in Österreich in den letzten Monaten, gibt es auch die Möglichkeit einer weiteren, gemäßigteren Interpretation. Die FPÖ gewinnt schon seit längerer Zeit an Stimmen und Zuspruch. Nun wird von vielen Gegnern behauptet, die Anhänger der FPÖ seien alle rechtsradikal, unwissend oder sogar dumm. Doch kann man eine derart große Anzahl an Menschen so verallgemeinern? Nein, man muss differenzieren können. Der Anstieg der FPÖ-Wähler kann nicht nur dadurch erklärt werden, dass es einen allgemeinen “Rechtsruck” in der Bevölkerung gäbe, ausgelöst durch die Herausforderungen der Flüchtlingsthematik.
Nicht zu leugnen ist jedoch, dass ein Teil der Menschen die Hofer gewählt haben, durchaus dem rechten und rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen sind, dass Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Hass in welcher Form auch immer, einen Teil der FPÖ-Wähler verbindet. In diesem Falle stellt sich die Frage: Warum ist das so? Woher kommt die Wut? Woher kommen all diese fürchterlichen Kommentare und Postings in den Social Media, die mit Sachlichkeit rein garnichts mehr zu tun haben? Wieso findet man auf facebook meistens unter den Pro-Van der Bellen -Posts das wütende Emoticon? Kurz: Was macht diese Menschen so wütend und warum haben viele diese Wut nicht unter Kontrolle? Das Zauberwort in diesem Falle lautet Bildung. Politische Bildung. Es ist ein Recht eines jeden Menschen Politik zu verstehen, zu verstehen ob die Parolen aber auch Versprechungen, welche den Wählern entgegen geschleudert werden auch realistisch sind. Ob ein Politiker das Beste für sich oder das Beste für die Bevölkerung will. Wird weiterhin eine derart schlechte politische Bildung in Ausbildungseinrichtungen betrieben, werden viele Menschen nie die Möglichkeit dazu haben kritisch über Politik reflektieren zu können.
Nun zu dem anderen Teil derer, die am vorletzten Samstag Norbert Hofer gewählt haben. Einige Entwicklungen der letzten Jahre haben Lebensgewohnheiten verändert, viele Menschen wurden in eine unglückliche Lage getrieben, aus der es nur schwer einen Ausweg gibt. Die Politik hat dabei vielfach versagt. SPÖ und ÖVP haben sich auf ihrem sicher geglaubten Thron ausgeruht, haben so lange gewartet bis es für viele zu spät war. Viele haben sich in ihrem Vertrauen betrogen gesehen, und ihre Stimme der Partei gegeben, die in dem Moment für sie da war. Dies war in vielen Fällen die FPÖ. Betrachtet man die FPÖ, wie sie in oft ländlichen Szenarien eine bürgernahe und konsequente Politik betreibt, erscheint das gar nicht so unplausibel. Der Vorwurf gilt dabei nicht den WählerInnen, sondern der Politik.
Der letzte Punkt in der Causa “bpw16” knüpft an diesen Punkt an. Nämlich die Tatsache, dass Alexander Van der Bellen, wenn auch als neutral angetreten, eigentlich ein Grüner ist. Wäre die Situation eine andere, wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen, dass ein Grüner Kandidat Bundespräsident wird. In diesem Fall jedoch, haben viele Menschen, für die die Grünen eigentlich unwählbar sind, sich für ihr persönliches geringeres Übel entschieden und Van der Bellen gewählt. Viele haben sich jedoch auch dafür entschieden, dass ihr persönliche geringeres Übel die FPÖ ist. Dies sollte, vor Allem den Grünen, zu denken geben.
Österreich ist also kein gespaltenes Land. Die WählerInnen haben anhand vieler verschiedener Überlegungen, die manchmal persönlich, manchmal abschätzend, manchmal strategisch, manchmal von Vorurteilen geleitet, manchmal naiv waren, ihre Wahl getroffen. Die Hälfte hat sich dabei für Norbert Hofer und die FPÖ entschieden, eine Tragödie ist das allerdings noch lange nicht. Im Gegenteil, es ist ein Zeichen, eine Forderung an die Politik, an die Gesellschaft: Gebt uns mehr Transparenz, mehr Bürgernähe, mehr Bildung, mehr ehrliche Politik.
(Ursprünglich gepostet auf: meandcuriosity.wordpress.com)
Ich verstehe nicht was damit
Ich verstehe nicht was damit gemeint ist mit die Verfassung ändern und was daran grundsätzlich so schlimm sein sollte. Für den Ausbau der direkten Demokratie ist übrigens auch eine Verfassungsänderung notwendig.
Was TTIP angeht würde ich mir von einem grünen Bundespräsidenten auch eine kritische und strenge Haltung wünschen wie bei einer vermeintlichen Regierungsauftrag für die FPÖ. Hat sich da VdB zugunsten einer breiten Koalition weichspülen lassen?
Meine Hochachtung für diese
Meine Hochachtung für diese intelligente differenzierte und nüchterne Analyse.