Culture | Salto Afternoon

Bo Burnham - Inside

Der Filmemacher und Komiker Bo Burnham setzt sich auf schlichte, doch originelle Art und Weise mit der Welt, dem Internet und der Pandemie auseinander.
Inside
Foto: Netflix
Schon wenige Wochen und Monate nach Beginn der Corona-Pandemie erschienen sie am Horizont. Filme, Filme, Filme. Über die Pandemie, über das Virus, über die weltweite Panik, die sich langsam aber sicher, so die Fiktion, ausbreitet. Keiner dieser Filme weiß etwas über die aktuelle Situation zu sagen, da keinem dieser Filme der zeitliche Abstand innewohnt, den es braucht, um ein solch komplexes Phänomen wie eine Pandemie zu begreifen. Erst in zehn Jahren oder mehr lässt sich, befreit von akuten Eindrücken, zurückblicken und begreifen. Was war, wie es war, was es mit uns gemacht hat.
Eine Ausnahme gibt es aber dennoch, in der Welle angeschwemmter, filmischer Werke. Es ist der amerikanische Filmemacher Bo Burnham, hierzulande wohl kaum bekannt, der sich auf überraschend simple, doch kluge Art und Weise mit der Thematik auseinandersetzt. Zu sehen ist das Ergebnis seiner rund einjährigen Arbeit auf Netflix, und das schon seit letztem Jahr. Nun, mit etwas Abstand, lässt sich „Inside“, so der Titel, noch genauer, intensiver betrachten, da er während der ersten, sehr strengen Quarantäne-Zeit entstanden ist, und wir, die wir jene Zeit alle erlebten, nun in lockereren Zeiten leben.
 
 
Konkret zeigt Burnham sich selbst. Er sitzt in einem kleinen Zimmer, es gibt nur ihn und die Kamera und einige Lichter. Und die Instrumente natürlich, die gespielt werden, denn „Inside“ ist vor allem ein musikalischer Film. In einer Art Nummern-Revue singt Burnham über die Themen, die seine Generation, mehr noch, die Welt bewegen. Es geht um das Internet, jenen scheinbar verheißungsvollen Ort, es geht um den Schein, der darin das Zepter hält, um Reaktionen, große Konzerne, Rassismus, und letztlich auch um Corona. Anders als es jedoch reißerische Actionfilme versuchten, spielt das Virus selbst für Burnham keine Rolle. Vielmehr hält er die eigene Psyche auf Film fest, für die Dauer eines Jahres, und lässt so verfolgen, wie sich das menschliche Gemüt langsam aber sicher verändert, wenn es eingesperrt ist, und es ihm nicht gestattet sein soll, rauszugehen. Alles spielt sich „Inside“ ab, damit gemeint ist neben dem leeren Zimmer, auch der Kopf. Scheinbar einsam verbleibt der einzelne mit sich.
Klug und pointiert sind die Lieder und Kommentare, die Bo Burnham in rund 90 Minuten zum besten gibt. Sie sprechen in vielerlei Hinsicht die Wahrheit, sprechen Unausgesprochenes (endlich) aus. Hier und da bleibt Platz für Live-Updates. Wie es dem Menschen Bo geht, was er fühlt, wie ihn das ständige Drinnen zunehmend depressiv werden lässt. Ungefiltert scheint all dies, obgleich wir es mit einem Film zu tun haben. Der gibt vor, unter den dargebotenen Umständen entstanden zu sein, und man ist versucht, ihm das zu glauben. Was Burnham im Alleingang auf die Beine stellt, übertrifft so manchen, aufwändigen Film bei weitem. Es braucht eben nicht viel, etwas mehr Tagebuch im Stile der in sich gekehrten Momentaufnahmen wäre „Inside“ aber zuträglich gewesen. So scheint es nämlich oft, dass die Pandemie nur ein Rahmen ist, der es dem Mann erlaubt, vor und hinter der Kamera die Welt kritisch zu beleuchten.
Das dürfte im Übrigen nicht allen gefallen, besonders jene, die dem Internet verfallen sind, werden sich ertappt fühlen, und sich beschämt abwenden, um sich selbst nicht hinterfragen zu müssen. Burnham streut Salz in eine Wunde, die die meisten von uns nicht spüren. Daran zugrunde geht man aber dennoch.
 
„Inside“ - zu sehen auf Netflix