Politics | Tourismuskonzept

Ruhe an der Front

Lange wurde über den „Bettenstopp-Artikel“ gestritten. Nun ist er in trockenen Tüchern und Landesrat Arnold Schuler kann durchschnaufen, wie er im Interview erzählt.
Arnold Schuler
Foto: LPA
Salto.bz: Herr Landesrat Schuler, die Abstimmung zum sogenannten Bettenstopp-Artikel ist erstaunlich friedlich – vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen während der vergangenen Wochen – über die Bühne gegangen …
 
Arnold Schuler: Dass ein Großteil der Opposition nicht querschießen wird, war zu erwarten, weil sowohl die Grünen als auch der PD im Gesetzgebungsausschuss auf unserer Seite standen. Deshalb sind auch die sonst so typischen Angriffe der Opposition in der Landtagssitzung ausgeblieben. Intern waren wir schlussendlich auch in der Lage, die Situation in den Griff zu bekommen. Vor allem die Entscheidung des Parteiausschusses, die überaus deutlich ausfiel, hat den Kritikern die Grenzen aufgezeigt.
 
Noch kurz vor der Abstimmung hat Bauernvertreter Manfred Vallazza seinen Widerstand gegen jedwede Einschränkung von Urlaub am Bauernhof angekündigt. Nur mediales „Auf-die-Pauke-hauen?“
 
Wie im Leben darf man auch in der Politik nicht vergessen, dass es immer ein Vorher und ein Nachher gibt. Natürlich kann man immer Forderungen stellen, aber es kommt der Tag, an dem die Versprechen eingelöst werden müssen. Spätestens dann wird man jedoch von den Ankündigungen eingeholt. Kurz und gut: Die Kritiker hätten es sich wirklich nicht mehr leisten können, gegen die Einführung einer Bettenobergrenze – auch für Urlaub-am-Bauernhof-Betriebe – zu stimmen. Wenn das zweithöchste Parteigremium mit einer derart deutlichen Mehrheit entscheidet, sollte es keine großen Abweichungen mehr geben.
 
Die Kritiker hätten es sich wirklich nicht mehr leisten können, gegen die Einführung einer Bettenobergrenze zu stimmen.
 
Woher kam dann dieser massive Widerstand? Vonseiten des mächtigen Bauernbundes?
 
Dieses Auftreten hat den Betreffenden mit Sicherheit sehr viel Sichtbarkeit nach Außen hin verschafft. Allerdings ist der finale Vorschlag hinsichtlich einer Obergrenze, auch für UaB, meiner Meinung nach, sogar verschärft worden. Folglich werden UaB-Betriebe nicht a priori ausgeschlossen, so wie es ursprünglich vorgesehen war. Künftig muss nachgewiesen werden, dass gewisse, noch zu definierende Kriterien, erfüllt sind, um von der Bettenobergrenze ausgenommen zu sein.
 
 
 
Gibt es bereits konkrete Vorstellungen, wie diese Kriterien aussehen werden?
 
Wir werden diese so bald wie möglich ausarbeiten. Was man bereits sagen kann, ist, dass sicher nicht nur die Regeln, wie sie beim Markensiegel „Roter Hahn“ gelten, zur Anwendung kommen, sondern darüber hinaus gehen werden. Mit diesen Kriterien wollen wir sicherstellen, dass Urlaub am Bauernhof nur in der Form angeboten werden kann, wie man ihn sich vorstellt.
 
Die Zustimmung zum Artikel 8 wurde als „große Ausnahme“ für die Bauern bezeichnet. Trifft das zu?
 
Meines Erachtens haben wir nun sogar eine strengere Richtlinie. Zum einen unterliegen nun auch UaB-Betriebe einer Bettenobergrenze und somit denselben Kontrollen wie alle anderen, sofern sie nicht die von der Landesregierung noch zu definierenden Kriterien erfüllen. Der erste Vorschlag, wie er aus dem Gesetzgebungsausschuss kam, sah eine gänzliche Befreiung für UaB-Betriebe vor, nun haben jene, die diese verlangten, einer Obergrenze für alle zugestimmt. Der Betrieb muss nun nachträglich nachweisen, dass bestimmte Kriterien, wie sie von der Landesregierung festgelegt werden, erfüllt sind, um nicht dem künftigen Zuweisungsverfahren von Betten zu unterliegen. Damit wird nicht nur das Einhalten der Bettenobergrenze kontrolliert, sondern auch, ob die Kriterien für UaB eingehalten werden und man wird jene herausfiltern können, die UaB anbieten, obwohl ihre Tätigkeit eigentlich nicht mehr viel mit dem beworbenen Angebot zu tun hat. Vordergründig soll die Tätigkeit nämlich im Bereich Landwirtschaft liegen und nicht umgekehrt, wo die Arbeit im Stall oder auf dem Hof nur mehr als notwendiges Übel erachtet wird.
 
Nun haben jene, die eine Ausnahme verlangten, einer Obergrenze für alle zugestimmt.
 
Im Rahmen der Landtagssitzung wurde auch die Rolle der Gemeinden bei Genehmigungen und Kontrollen betont.
 
Man muss hier unterscheiden: Bis dato konnte auf einem geschlossenen Hof ein Wohnvolumen von bis zu 1500 Kubikmetern errichtet werden. Ob das nun in einem modernen oder in einem traditionelleren Stil geschah oder sogar ein Schwimmbad eingeplant war, darüber hat die Baukommission befunden. Sofern das Projekt den Vorgaben der Raumordnung entsprach und es keine Gründe gab, die dagegen sprachen, wurden diese Projekte entsprechend genehmigt. Anschließend folgte, genau wie für die Tätigkeit der Zimmervermietung eine Tätigkeitsmeldung. Auch hier konnte die Gemeinde, sofern es nicht eine Begründung gab, eine entsprechende Meldung nicht ablehnen. Dies gilt für UaB und Privatzimmervermietungen, die auch über Plattformen wie Airbnb vermarktet werden.
 
Wer wird die Kontrollen zukünftig durchführen?
 
Es gibt Gemeinden, welche die Kontrollen selbst durchführen werden, aber auch Firmen, welche entsprechende Dienste anbieten und der Gemeinde Meldung erstatten, wenn ihnen Unregelmäßigkeiten auffallen. Deshalb überlegen wir effektiv, auch externe Dienstleister mit der Kontrolltätigkeit zu beauftragen. Als Beispiel dienen hier die Kontrollen im Rahmen der bereits vielfach in Konzession vergebenen Dienste wie die Einhebung der Werbesteuer oder der Plakatierungsgebühr.
 
 
 
 
Wie lautet das Fazit über den Ausgang der Abstimmung?
 
Durchschnaufen (lacht). Nein, im Ernst. Es ist mir eine Genugtuung, dass das Konzept in seiner Substanz genehmigt und nicht wesentlich abgeändert worden ist. Es hat zwar einige Anpassungen, wie beispielsweise den Vorschuss von 7.000 Betten gegeben, welche genehmigt werden können, damit es nicht zu einem Stillstand kommt, aber das Konzept der Obergrenze an Touristen ausgehend vom Jahr 2019 zuzüglich der erworbenen Rechte ist im Großen und Ganzen unangetastet geblieben, so wie ich es vorgeschlagen habe.
Überrascht hat mich die Heftigkeit der Diskussion, bei der es allerdings teilweise nicht mehr um die Sache selbst ging. Ich hätte mir im Vorfeld mehr Diskussionen erwartet, aber im vergangenen Jahr ist bis zum Beschluss in der Landesregierung kaum darüber gesprochen worden. Die Diskussion hat erst im Anschluss daran eingesetzt und an Heftigkeit ständig zugenommen. Deshalb bin ich froh, dass wir eine gute Mehrheit im Landtag gefunden haben und nun werden wir an die Umsetzung gehen. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Paradigmen-Wechsel eine  zukunftsweisende und nachhaltige Tourismusentwicklung in Südtirol vorantreiben wird.
 
Der HGV kündigte bereits an, bei den Durchführungsbestimmungen genau hinzusehen …
 
Ich habe mich wirklich bemüht und es hat unzählige Aussprachen gegeben, um einen Vorschlag auszuarbeiten, der von allen – sei es auch zähneknirschend – akzeptiert werden kann. Bedauerlicherweise haben die öffentlich ausgetragenen Diskussionen den Brunnen vergiftet. Das ist natürlich sehr schade, weil es gerade zwischen Landwirtschaft und Tourismus viel Potential an Zusammenarbeit gibt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es zwei Seiten einer Medialle sind. Bauern betreiben Pensionen, Urlaub am Bauernhof und viele Gastwirte wiederum sind im Besitz von landwirtschaftlichen Flächen – es gibt also viele Überschneidungspunkte und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Die Streitereien waren unnötig wie ein Kropf.
 
Am nächsten Tag gibt es dann eine Schlagzeile und jemand fühlt sich damit wieder auf den Schlips getreten.
 
Hat die Berichterstattung in den Medien dazu beigetragen, die Gräben zu vertiefen?
 
Natürlich sind gewisse Aussagen für die Medien interessant, die wiederum andere Aussagen zur Folge haben. Am nächsten Tag gibt es dann eine Schlagzeile und jemand fühlt sich damit wieder auf den Schlips getreten. Die Folge war ein jeweils interner Druck und das Ganze hat sich dann hochgeschaukelt. Einerseits sicher spannend für die Leser, das Problem war allerdings, dass dadurch nicht nur Spannung aufgebaut wurde, sondern sich die Leser nicht mehr ausgekannt haben, weil aus dem Kontext gerissene Aussagen veröffentlicht wurden.
Nun geht es aber an die Durchführungsbestimmungen, in welchen noch einige Details eingefügt werden, und dann sollte Klarheit herrschen.
 
Wie sieht die weitere Vorgehensweise aus?
 
Wir benötigen noch zwei Gutachten, und zwar vom Rat der Gemeinden und vom Gesetzgebungsausschuss. Wir haben ersucht, dass die Entscheidungen innerhalb von 30 Tagen fallen sollen. Wir wollen ein Umsetzung nicht länger hinauszögern.
 
Erwarten Sie sich im Rat der Gemeinden noch Querschüsse aus dem Pustertal oder herrscht Ruhe an dieser Front?
 
Ich hoffe schon, dass nun Ruhe eingekehrt ist, denn wie gesagt ist die Entscheidung im Parteiausschuss mehr als eindeutig ausgefallen.
Bild
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Hartmuth Staffler Fri, 07/29/2022 - 16:49

Das Problem ist durch diesen faulen Kompromiss keineswegs gelöst, sondern nur verschoben worden. Die nächsten Knackpunkte sind die Durchführungsbestimmungen zu den ominösen "Kriterien", die wohl wieder alle Schlupflöcher weit offen lassen werden, und dann die Frage nach der Ernsthaftigkeit der Kontrollen. Dem armen Bergbauern ist nicht geholfen worden, der Touristikunternehmer mit sogenanntem "Bauernhof" wird weiterhin seine Geschäfte machen können. Zumindest hat Schuler guten Willen bewiesen, aber durchsetzen konnte er sich nicht.

Fri, 07/29/2022 - 16:49 Permalink