Society | Grundrechte

“Alles andere ist gegen die Verfassung”

Armin Mutschlechner fordert ein Grundrecht ein, das wegen Corona nicht garantiert scheint: Am 20. und 21. September sollen alle Wahlberechtigten wählen können.
Armin Mutschlechner
Foto: Oskar Zingerle

Über 1.500 Personen befinden sich derzeit in Corona-Quarantäne oder häuslicher Isolation. Wie viele es am 20. und 21. September sein werden, weiß man heute nicht. Ebensowenig, ob diese Personen dann ihre Stimme bei den Gemeinderatswahlen abgeben werden können. Wie RAI Südtirol am Freitag berichtete, könnten über die Wahlsektionen der Krankenhäuser möglicherweise Hausbesuche durchgeführt werden, damit Personen in Quarantäne wählen können. Doch diese Möglichkeit stünde nur den Quarantäne-Bürgern der sieben Gemeinden offen, in denen es ein Krankenhaus gibt. Dazu kommt, dass laut aktuellem Stand Bürger in Quarantäne der sieben Krankenhaus-Gemeinden für das Verfassungsreferendum und für die Gemeinderatswahl ihre Stimme abgeben dürfen. Bürger der anderen Gemeinden, die sich in Quarantäne befinden, nur für das Referendum.

Ein weiteres Fragezeichen, das Corona hinter die heurigen Wahlen gesetzt hat, ist, wie gebrechliche Bürger zu den Wahlurnen gelangen können. Vor einigen Tagen hat das Weiße Kreuz mitgeteilt, dass es “aufgrund der aktuellen Situation und der noch ungewissen Entwicklung hinsichtlich steigender Infektionszahlen” dieses Jahr den kostenlosen Transportdienst für nicht gehfähige Personen zu den Wahllokalen aussetzt. Dadurch “soll vermieden werden, dass die Personen dieser Risikogruppe (alte und kranke Menschen, Anm.d.Red.) einem zusätzlichen Infektionsrisiko ausgesetzt werden”, heißt es von der Landesleitung.

Die demokratiepolitisch insgesamt äußerst bedenkliche Situation – wegen Corona werden Grundrechte eingeschränkt – hat Armin Mutschlechner veranlasst, einen offenen Brief an Landeshauptmann Arno Kompatscher zu verfassen. Der Aktionskünstler und Jugendarbeiter fordert Kompatscher auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Wahlberechtigte am 20. und 21. September auch wählen können.

 

Der offene Brief im Wortlaut


“Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Kompatscher!

Neulich machte eine Pressedepesche die Runde, dass bei den kommenden Gemeinderatswahlen Rettungsorganisationen keinen Dienst für Personenkreise versieht, die auf Hilfe angewiesen sind, um an die Wahlurne zu gelangen. Ich hatte mir erhofft, dass Sozialverbände Alarm schlagen, was bis dato nicht erfolgt ist. Diese Funkstille stimmt mich demokratiepolitisch bedenklich.

Nun die Hiobsbotschaft, dass, wer am 20. September in Quarantäne ist und nicht in den Gemeinden mit Krankenhaus-Wahlsprengel wohnt, fällt durch den Rost bei der Stimmabgabe für den Gemeinderat. Es werden dadurch fundamentale Bürgerrechte beschnitten, und es ist beschämend, dass Politik dies zulässt. ‘Wählen gehen’ ist ein Bürgerrecht! Politik, Behörden auf regionaler und staatliche Ebene hat dafür Sorge zu tragen, dass jeder berechtigte Wähler die Möglichkeit hat, an einer demokratischen Wahlen teil zu nehmen. So wie in die Medien durch den Gemeindepräsidenten verlautbart, widerspricht dies unserer Verfassung. In diesem Sinn ist es obsolet, einen 5. September (Tag der Autonomie, Anm.d.Red.) zu feiern, wenn am 20. September Bürgerrechte mit Füssen getreten werden.

Dass der verschobene Wahltermin vom Mai, auch im September problematisch sein könnte, war auch schon im Mai abzusehen. Daher ist es für mich unverständlich, dass man Briefwahl oder telemetrische Wahl (nach lettischen Vorbild) nicht in Betracht gezogen hat.
Warum nicht mit einer Eilverordnung in jeder Gemeinde mobile Wahlsprengel einrichten, deren Mitglieder z.B. der lokalen Feuerwehr angehören, die Menschen aufsuchen die entwertender nicht mobil sind, oder durch Quarantäne nicht vom Haus können?

In diesem Sinn bitte ich Sie, dass die Landesregierung alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, damit allen Wahlberechtigten Bürger der Weg zur Wahlurne am 20. September ermöglicht wird. Alles andere ist gegen unserer Verfassung, auf dem Sie den Amtseid geschworen haben.

Besten Dank für Ihre Mühen. Mit freundlichen Grüßen,
Armin Mutschlechner”