Society | Tagebuch aus Alpbach

Alles nicht nach Plan

Die Ö1-Redakteurin Birgit Dalheimer erzählt in Alpbach, wie sie von der Molekularbiologie zum Journalismus kam. Eine etwas andere Karrieregeschichte von Valentina Gianera
Dalheimer, Birgit
Foto: Anna Stöcher
“Ich hätte eine Frage…”. Ein schlanker, hochgewachsener junger Mann mit Hemd und Brille hebt seine Hand. Er sei Philosoph, erklärt er während der vom CASA (Club Alpbach Südtirol Alto Adige) organisierten Career Lounge für Student:innen und junge Berufstätige in Alpbach. “Wir alle haben einen Plan A. Meiner ist es, in die Forschung zu gehen. Weil Plan A aber auf verschiedenen Gründen nicht realisierbar sein könnte, brauchen wir einen Plan B - unterrichten. Mit jedem Tropfen Zeit und Energie, die wir in Plan B investieren, verlieren wir jedoch Zeit und Energie für Plan A und verringern somit unsere Chance auf eine Karriere nach Plan A. Deshalb meine Frage: Wie haben Sie es geschafft, die Balance zwischen diesen Dingen zu halten?”
 
Die Frage ist an Birgit Dalheimer gerichtet, die am Freitagabend zusammen mit weiteren sieben Personen aus Politik, Wirtschaft, Journalismus und Forschung mit Student:innen und jungen Berufstätigen über ihren Werdegang spricht. Dalheimer ist seit 23 Jahren als Wissenschaftsredakteurin bei Ö1 tätig, wo sie Radioprogramme wie Dimensionen, Diagonal, das Radiokolleg oder das Salzburger Nachtstudio konzipiert und gestaltet. An ihrem Tisch sitzen vor allem junge Menschen, die sich für Forschung und Journalismus interessieren und Dalheimer zu ihren Erfahrungen in den beiden Bereichen und deren Schnittstelle löchern.
 
Inwiefern sind Journalist:innen, insbesondere Wissenschaftsjournalist:innen, Druck aus der Gesellschaft ausgesetzt? Welche Erfahrungen braucht es, um im journalistischen Bereich tätig zu werden? Und wie können wissenschaftliche Inhalte auf aufschlussreiche Art und Weise an ein breites Publikum weitergegeben werden? Diese und andere Fragen beantwortete Dalheimer bei der Career Lounge, die Teil des umfassenden Programms zwischen Podiumsdiskussionen, Kamingesprächen, Workshops und (dem zugegebenermaßen Überfluss an) Networking Events in Alpbach ist.
 
 
 
Auf die einleitende Frage des Philosophiestudenten reagiert Dalheimer spontan: “Ich hatte den Mut, Dinge auszuprobieren, aber vor allem ganz viel Glück”, so die mehrfach ausgezeichnete Journalistin. Glück, dass sie damals, während ihres Doktorats in Molekularbiologie zufällig im richtigen Moment bei Ö1 angerufen hatte, um selbst eine ihrer Lieblingssendungen mitzugestalten: “Ich hab damals einfach angerufen und nachgefragt, was ich tun müsse, um mitarbeiten zu können”, erklärt Dalheimer. “Und zufälligerweise suchten die Verantwortlichen gerade in dem Moment jemanden mit naturwissenschaftlichem Hintergrund”. Glück, dass ihr die Arbeit beim Radio von Anfang an gefallen hat. Und Glück, dass sie ihr nicht nur gefällt, sondern sie auch gut darin ist. “Mein Plan A war es ja, in die Forschung zu gehen”, so die Journalistin. “Dann bin ich - aus Interesse, Geldsorgen und Langeweile - zu meinem Plan B gekommen, der inzwischen zu meinem Plan A geworden ist. Wäre das nicht so, wäre ich wahrscheinlich wieder zurück in die Wissenschaft - oder zu einem ganz anderen Plan C übergegangen. Aber so geplant war das nicht.”
Ich hab damals einfach angerufen und nachgefragt, was ich tun müsse, um mitarbeiten zu können
Birgit Dalheimer
Ob das auch heute noch möglich sei? Schwierig. Inzwischen gebe es mehr Konkurrenz aus Journalismus-Schulen und auch die Anstellungsmodelle hätten sich stark verändert, so Dalheimer. Dass der Zufall aber zum Leben gehört und es vor allem Mut braucht, um den eigenen Interessen eine Chance zu geben, stimmt aber auch für eine Welt, in der die Last der vielen Möglichkeiten auf den Schultern des Einzelnen zu ruhen scheint. Irgendwie beruhigend, dass auch diese Geschichten nach Alpbach gehören.