Politics | Meran

Diffida für Dal Medico

Die Liste Grüne/Rösch stellt Bürgermeister Dario Dal Medico in Sachen Zusammensetzung des Rates der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt die Rute ins Fenster.
Dario Dal Medico
Foto: Comune di Merano
Der letzte Satz lässt keinen Interpretationsspielraum.
„Mit diesem Schreiben fordern wir Sie daher nochmals auf, im Selbstschutz-Wege den Gemeindeausschuss-Beschluss Nr. 43/2021 zu widerrufen und – wie vom Gesetz vorgesehen – die zusätzlichen Vertreter/innen der Stadtgemeinde Meran vom Gemeinderat wählen zu lassen, wobei auch die Stärke der politischen Minderheit zu gewährleisten ist“, heißt es in dem Schreiben an den Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico.
Unterzeichnet ist der Brief, der am Montagmorgen im Meraner Rathaus eingegangen ist, von Madeleine Rohrer, der Fraktionssprecherin der Liste Rösch/Grüne im Meraner Gemeinderat. Die Aufforderung könnte jetzt zur Belastungsprobe der Meraner Regierungskoalition werden.
 

Die Abwahl


Die Vorgeschichte ist bekannt.
Laut Staats- und Regionalgesetz müssen in den Räten der Bezirksgemeinschaften die politischen Minderheiten ihrer Stärke nach angemessen vertreten sein. So steht es jedenfalls auf dem Papier.
Die Praxis sieht seit Jahrzehnten in Südtirol aber deutlich anderes aus. In den sieben Südtiroler Bezirksgemeinschaften gehören von insgesamt 150 Mitgliedern in den Bezirksräten keine zehn der politischen Minderheit an. Die deutschsprachigen Oppositionsparteien stellen südtirolweit genau 3 Mitglieder.
 
 
 
Das muss sich jetzt aber ändern. Der Grund dafür ist das Urteil Nummer 202/2022 des Bozner Verwaltungsgerichtes. Der Richtersenat, bestehend aus Michele Menestrina (Präsident), Alda Dellantonio, Sarre Pirrone und Stephan Beikircher als Urteilsverfasser, hat vor zwei Monaten einen Rekurs von 12 oppositionellen Gemeinderätinnen und - räten gegen die Wahl des Bezirksrates der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland angenommen. Das Gericht kommt zum Schluss, dass bei der Wahl die Rechte der politischen Minderheit widerrechtlich beschnitten wurden. Die Folge: Das Verwaltungsgericht hat die Wahl des Terlaner Bürgermeisters Hansjörg Zelger annulliert und seitdem wird die Bezirksgemeinschaft kommissarisch verwaltet.
Der Präzedenzfall gilt indirekt aber auch für den Großteil der restlichen Bezirksgemeinschaften. Demnach könnte auf Südtirol ein sommerliche Flächenbrand zukommen, schrieb Salto.bz bereits vor sechs Wochen. Vergangene Woche haben 46 Oppositionsvertreter in den Gemeinderäten aus dem Bezirk Überetsch-Unterland einen offiziellen Appell an Landeshauptmann Arno Kompatscher gerichtet, die Neuwahlen des Bezirksrates so schnell wie möglich anzusetzen.
 

Meraner Angriff

 
Jetzt bläst auch die Meraner Opposition ins selbe Horn.
Am 21. Dezember 2021 hat er Meraner Stadtrat per Beschluss Bürgermeister Dario Dal Medico, den SVP-Gemeinderat Reinhard Bauer, Walter Taranto von der „Civica per Merano“ und Loris Duso von „Alleanza per Merano“ als Vertreter der Passerstadt in der Rat der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt entsandt. Alle vier Sitze wurden demnach der Regierungsmehrheit zugeschanzt.
In dem Schreiben von Madeleine Rohrer heißt es:
 
„Es handelt sich ausschließlich um Mitglieder der politischen Mehrheit und somit ist obgenannter Beschluss im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen (v.a. Artikel 4, Abs. 2 des L.G. Nr. 7/1991), wie durch das am 15.07.2022 veröffentlichte Urteil Nr. 00202/2022 des Verwaltungsgerichts Bozen betreffend die Vertretung der politischen Minderheit in der Bezirksgemeinschaft Überetsch/Unterland offenkundig wurde.
Laut Absatz 2 des Artikel 4 des L.G. Nr. 7/1991 besteht der Bezirksrat aus:
„a) den Bürgermeistern der angeschlossenen Gemeinden oder einer von diesen delegierten Person,
b) einem zusätzlichen Vertreter der Gemeinden zwischen 5.001 und 10.000 Einwohnern,
c) zwei zusätzlichen Vertretern der Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern.
Sollte das Sprachgruppenverhältnis damit nicht eingehalten sein, stellen jene Gemeinden zusätzliche Vertreter, welche den höchsten Bevölkerungsanteil dieser Sprachgruppe haben. Die zusätzlichen Vertreter werden von den jeweiligen Gemeinderäten gewählt und können auch unter den Bürgern ausgewählt werden, die zwar nicht Gemeinderäte sind, aber alle Voraussetzungen haben, um als Gemeinderat gewählt zu werden. Dabei ist die Beteiligung der politischen Minderheiten unter Beachtung von Artikel 7 Absatz 3 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 22. März 1974, Nr. 279, zu gewährleisten“. 
 
Die ehemalige Meraner Stadträtin erinnert dann daran, dass diese Bestimmungen von der Vorgängerregierung Rösch sehr wohl eingehalten worden sind. Im Oktober 2015 hatte man Walter Taranto als Vertreter der politischen Minderheit in den Bezirksrat der Bezirksgemeinschaft gewählt.
 
 
 
In dem Schreiben heißt es weiter:
 
„Wir haben bereits nach Veröffentlichung des Urteils öffentlich unsere Sorge darüber geäußert, dass das Festhalten an einer nicht gesetzeskonformen Situation verantwortungslos sei: Beschlüsse eines nicht gesetzeskonformen Organs könnten jederzeit angefochten, die Arbeiten der Bezirksgemeinschaft für längere Zeit lahmgelegt und Verwaltungsstrafen riskiert werden.“
 
Gleichzeitig fordert die Meraner Opposition die Widerruf des Gemeindeausschuss-Beschlusses von Dezember 2021 und die Wahl einer Vertreterin oder eines Vertreters der Opposition in das Leitungsgremium des Bezirkes.
 
 

Koalition unter Zugzwang

 
Die Fraktionssprecherin der Liste Rösch/Grüne hat mit diesem Schreiben der Meraner Regierungskoalition ein ordentliches Ei gelegt. Bürgermeister Dal Medico und die SVP kommen jetzt in Zugzwang.
Voraussichtlich wird man auf den Stadtratsbeschluss verharren und damit argumentieren, dass die Rekursfristen gegen den Beschluss vor dem Verwaltungsgericht abgelaufen sind. Und damit keine unmittelbare Gefahr einer Wahlannullierung wie im Süden Südtirol bestehe.
Doch diese Taktik steht auf wackeligen Beinen.
Mit dem eindeutigen Urteil des Verwaltungsgerichtes kann sich jeder und jede an das ordentliche Gericht wenden. Die Aussichten am Landesgericht Recht zu bekommen, stehen dabei mehr als nur hoch.
Mit dem eindeutigen Urteil des Verwaltungsgerichtes kann sich die Meraner Opposition an das Landesgericht wenden. Dann aber wird der politische Schaden noch größer.
Damit aber wird der politische Schaden noch größer. Denn dann wird klar, dass die SVP und ihre italienischen Koalitionspartner alles tun, um eine eindeutig antidemokratisches Verhalten fortzuführen. Und das im Jahr der Landtagswahlen.
Dario Dal Medico von Beruf Anwalt wird sich demnach gut überlegen müssen, wie er auf diese grüne diffida antwortet.