"Oper"-ation Stadtmuseum

Das unvollendete Lebenswerk Operndorf Afrika des verstorbenen Künstlers, Provokateurs und Regisseurs Christoph Schlingensief, hat im Rahmen der 17. Ausgabe des Festivals Transart gute drei Wochen in Bozen Halt gemacht. Es war wie ein Vogelschwarm, der sich von Berlin nach Afrika aufmacht, in Südtirol zwischengelandet – in einem Hinterhof, mit dem die Stadt Bozen seit Jahren nicht wirklich weiß was anfangen.
Dem Festival Transart ist es gelungen, den verwaisten Platz beim Stadtmuseum, den Turm und einige Kellerräume, zu beleben. Die Besucher konnten hier Karten für die Veranstaltungen kaufen, oder einfach nur das ungenutzte Refugium der Stadt besetzen – im Liegestuhl.
In den drei Containern zu Schlingensiefs letzter Arbeit war auch eine der ersten Skizzen ausgestellt, auf welcher er seine Operndorf-Idee in Form eines Gefäßes festgehalten hat. Im Jahr 2004 hatte der Wagner-Liebhaber in Bayreuth seinen umstrittenen Parzival inszeniert und wurde mit einem Schlag Teil der Hochkultur. Schlingensief flüchtete vor sich selbst, vor allem aber vor dem elitären Zugang zu Kultur. 2008 fasste er den Entschluss, man müsse die Oper aus dem Gefängnis der Hochkultur befreien. Wo aber, könnte dieses Vorhaben gelingen?
Der Zufall, vor allem aber der Architekt Diébédo Francis Kéré, führten Christoph Schlingensief nach Burkina Faso. Hier sollte sein Dorf entstehen, mit einer Schule, einer Krankenstation, mit Wohnhäusern, Ateliers und eben einem Opernhaus, wohl eine Schlingensief`sche Kathedrale, anstelle einer Kirche.
„Ich weiß nicht was eine Oper ist, aber ich kenne das Wort Operation, eine solche benötige ich...“ sagte eine Frau aus Burkina Faso im Rahmen des Projekts, welches von dem einen oder anderen journalistischen Schlaumeier als peinlicher Kolonialisierungsversuch abgetan wird. Wer Schlingensiefs frühere Arbeiten und seine provokanten künstlerischen Eingriffe in den Gesellschaftsalltag kennt, kann diesem Vorurteil wenig abgewinnen. Schlingensief war ein Meister der Verdrehung, der Umkehrung, sperrte Ausländer in einen Container in Wien, beschimpfte rotzfrech, ältere Damen in seiner U-Bahn-Show, machte mit Neo-Nazis das „Aussteiger“-Projekt Hamlet/Naziline. Er stellte sich und seine Gegenüber bloß. Oft gab es harsche Kritik für den bunten Schlingensief, den Meister der Grauzone.
Neben dem Operndorf - u.a. mit anspruchsvollem Minikino -, konnten sich die Besucher des Festival-HUB auch über die Zukunft Südtirols in 3 Jahrzehnten nachdenken (BAU), oder die überaus spannende Arbeit von Martin Messier, Boîte Noire bestaunen.
„Es waren schon vorwiegend Frauen, die an den Kunstprojekten hier im HUB Interesse zeigten...“ resümiert die Kulturarbeiterin Elisa Barison, die über drei Wochen für das Festival im HUB tätig war. „Natürlich kamen auch Menschen, wo man denkt, in welchem Zeitalter leben die? Besonders wenn es um das Operndorf ging, gab es neben den vielen Interessierten und aufgeschlossenen Besuchern doch den ein oder anderen rassistisch motivierten Kommentar, etwa: Ist diese Arbeit eine Reaktion auf die aktuelle Flüchtlingskrise? Oder: Oper – das verstehen die da unten eh nicht..."
Nichtsdestotrotz gab es am vergangenen Wochenende ein Fest für und mit Migranten, bei Musik und senegalesischer Küche.
Ob Transart im kommenden Jahr wieder auf den Festival HUB im Stadtmuseum setzen wird? Die Kulturpolitik der Stadt Bozen hat mit der "zeitgenössischen Besetzung" hoffentlich erkannt, wie ungenutzte Plätze und Strukturen verspielt, bespielt werden können. Zum Wohle der Kultur.