Sauberer Strom aus Wasserkraft
Schon vor mehr als zwei Jahrtausenden wurde die Kraft aufgestauten oder fließenden Wassers genutzt, um Korn- und Sägemühlen oder Schmieden zu betreiben. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird elektrischer Strom aus Wasserkraft gewonnen. Heute produzieren Wasserkraftwerke weltweit fast 17% des gesamten Stroms. Vor dem Hintergrund der Energiewende und der Endlichkeit fossiler Energieträger ist die unerschöpfliche und saubere Wasserkraft heute aktueller denn je.
Wie wird Energie aus der Kraft des Wassers gewonnen?
Wasserkraftwerke erzeugen durch Umwandlung der in der Wasserbewegung enthaltenen Energie (kinetische Energie) elektrische Energie. Im Unterschied zur Primärenergie Erdöl, Gas oder Kohle, wird Elektrizität als Sekundärenergie bezeichnet, da sie durch Umwandlung entsteht. Wasserkraftwerke werden dort installiert, wo die Fließgeschwindigkeit des Wassers hoch genug ist, um Turbinen anzutreiben. Es wird zwischen Laufwasserkraftwerken oder Flusskraftwerken und Speicherkraftwerken unterschieden.
Laufwasserkraftwerke oder Flusskraftwerke nützen das natürliche Gefälle eines Fließgewässers und die Geschwindigkeit der Strömung. Das Wasser wird zusätzlich aufgestaut, um den Höhenunterschied zwischen Oberwasser und Unterwasser zu steigern. Charakteristisch ist eine niedrige Fallhöhe bei relativ großer, oft jahreszeitlich mehr oder weniger stark schwankender Wassermenge. Die Anlagen werden aus wirtschaftlichen Gründen oft in Verbindung mit Schleusen gebaut.
Speicherkraftwerke nutzen den Höhenunterschied zwischen einem hoch gelegenen Speichersee mit natürlichem Zulauf und dem tiefer liegenden Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung. Hierzu müssen Talsperren, Staumauern oder Staudämme errichtet werden. Eine Sonderform der Speicherkraftwerke sind die sogenannten Pumpspeicherkraftwerke, wo das Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt wird. Dort kann diese potenzielle Energie im Bedarfsfall wieder abgerufen werden. Pumpspeicherkraftwerke dienen somit auch als Speicher von elektrischer Energie.
Neben Kleinwasserkraftwerken für die dezentrale Nutzung mit einer Leistung von einem Megawatt (MW) oder weniger, gibt es inzwischen auch Mega-Anlagen, die über eine Kapazität von mehr als 20 Gigawatt (GW) verfügen.
Der Anteil der Wasserkraft an der weltweiten Stromgewinnung betrug Ende 2016 circa 16,6%, während die Wasserkraft mit einem Anteil von 67,8% bei der Stromgewinnung aus erneuerbarer Energie absoluter Spitzenreiter ist.
Nicht in allen Ländern gibt es gleich gute Bedingungen, um Elektrizität aus Wasserkraft zu gewinnen. Das hat mit den topographischen Gegebenheiten zu tun und hängt im Wesentlichen davon ab, ob die geeigneten Wasserressourcen im Land vorhanden sind.
Welche Länder erzeugen am meisten Strom aus Wasserkraft?
China ist der größte Erzeuger von Strom aus Wasserkraft, gefolgt von den USA, Brasilen, Kanada, Russland und Indien. 60% der weltweiten Kapazität an Wasserkraft ist auf lediglich 6 Länder verteilt. China führt mit 28%, gefolgt von den USA und Kanada und Brasilien mit jeweils 9% und Russland und Indien mit jeweils 4%.
Die 10 größten Wasserkraftwerke der Welt sind auf 6 Länder verteilt. Die größte Anlage befindet sich in China am 3-Schluchten-Stausee mit einer Nennleistung von 22,5 Gigawatt. Im Kongo ist die Errichtung eines neuen Milliarden-Projektes geplant: der Grand-Inga-Staudamm am Kongo-Fluss. Dieses Megaprojekt würde nach Fertigstellung mit einer Kapazität von 40 Gigawatt fast doppelt so groß werden, wie das gigantische Kraftwerk am 3 Schluchtenstaudamm in China. Die Realisierung dieses Projektes wäre für Afrika ein Meilenstein, da der geringe Elektrifizierungsgrad ein großes Hindernis für die Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas darstellt. Auch China und Brasilien planen neue Megakraftwerke, um den ständig steigenden Strombedarf abdecken zu können. Auch bei diesen geplanten Megaprojekten warnen Umweltschützer vor negativen Folgen für das Ökosystem.
Elektrizität aus Wasserkraft in Europa
Im Jahre 2016 belief sich die Gesamtkapazität an Wasserkraft in Europa auf 223 Gigawatt (GW). Norwegen, das fast 99% des Stroms aus Wasserkraft gewinnt, ist die Nummer eins, gefolgt von Frankreich, Italien, Spanien und der Schweiz. 10 Länder machen mehr als Dreiviertel der Gesamtkapazität aus.
Durch seine topographische Lage ist Südtirol in Sachen Wasserkraft besonders gut aufgestellt. Es produziert weit mehr Strom als es verbraucht. Neben einer Vielzahl von kleinen Wasserkraftwerken mit einer Leistung von unter 220 KW, gibt es an die 30 Großanlagen, die mit weit über 80% den größten Teil des Stroms produzieren.
Vorteile der Wasserkraft
Die Ökobilanz von Strom aus Wasserkraft lässt andere Stromquellen weit hinter sich. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen ist Strom aus Wasserkraft eine saubere, umweltfreundliche und erneuerbare Energieform, bei der keine schädlichen Emissionen entstehen. Zudem hat sie einen hohen Wirkungsgrad, bis zu 90% der eingesetzten Energie werden in elektrische Energie umgewandelt. Wasserkraftwerke stellen im Vergleich zu Atomkraftwerken kein hohes Risiko dar.
Wasserkraft ist dauerhaft verfügbar und im Unterschied zu Sonnenenergie und Windenergie in der Regel unabhängig von Wetter und Zeit. Zudem kann Strom aus Wasserkraft gespeichert werden, während bei Wind- und Sonnenenergie effizientes Speichern noch ein Problem darstellt.
Strom aus Wasserkraft ist eine kostengünstige Form der Energiegewinnung, da der Rohstoff Wasser kostenlos zur Verfügung steht. Der Bau eines Wasserkraftwerkes ist zwar mit hohen Investitionskosten verbunden, dessen wirtschaftliche Lebensdauer ist jedoch auf sehr lange Zeit ausgelegt ist. Es gibt Wasserkraftwerke, die bereits über 100 Jahre alt sind.
Die Stauseen dienen teils auch der Bewässerung umliegender Felder und bieten Schutz vor Überschwemmungen.
Nachteile der Wasserkraft
Vor allem beim Bau sehr großer Wasserkraftwerke kommt es zu erheblichen Eingriffen in das ökologische Gleichgewicht. Es kann zur Abnahme des Grundwasserspiegels, zur Zerstörung der natürlichen Fließgewässer, sowie der natürlichen Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen kommen. Auch Erosion und Sedimentation bei Stauseen können das Ökosystem nachhaltig negativ verändern. Häufig versandet der Unterlauf der aufgestauten Flüsse. Das wohl prominenteste Beispiel für einen massiven Eingriff in die Natur und das Ökosystem ist der Drei Schluchten Damm in China, bei dessen Bau 13 Städte und 1500 Dörfer wurden überflutet wurden und einige Millionen Menschen ihren angestammten Lebensraum verlassen mussten. Ein wahrlich teuer erkaufter Strom!
Brasilien deckt fast seinen gesamten Strombedarf mit Wasserkraft und verdankt seinen wirtschaftlichen Aufstieg nicht zuletzt der großzügigen Stromversorgung des Landes. Doch diese Art der Energiegewinnung ist nicht so sauber, wie es auf den ersten Blick scheint. Der geplante oder bereits stattfindende Bau von über 100 riesigen Wasserkraftwerken mitten im Amazonasbecken bedeutet eine große Bedrohung für den Regenwald, da riesige Waldflächen abgeholzt werden. Der Amazonas-Regenwald ist einer der größten CO2-Speicher der Erde, eine Verringerung dieser Flächen schadet dem Klima. Zudem werden durch die verfaulenden Pflanzen in den riesigen Staubecken gigantische Mengen an Treibhausgasen freigesetzt, ein weiteres Problem für das Klima. Sauberer Strom aus Wasserkraft ist in diesem Fall auf jeden Fall zu hinterfragen.
Schlussfolgerungen
Sieht man von den Mega-Kraftwerken ab, die das Ökogleichgewicht massiv beeinträchtigen und auch eine schlechte CO2 Bilanz aufweisen, ergibt die Nutzung der Wasserkraft in punkto Umwelt eine sehr gute Bilanz. Durch eine sorgfältige und verantwortungsbewusste Planung und achtsame Auswahl der geeigneten Standorte unter entsprechender Berücksichtigung der natürlichen Umgebung können die Nachteile, die vor allem bei der Errichtung großer Anlagen entstehen, weitgehend ausgeglichen werden. Die Potenziale für die Stromerzeugung aus Wasserkraft sind weltweit längst nicht ausgeschöpft. Wasserkraft wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Elektrizitätsgewinnung aus erneuerbarer Energie spielen und einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Energiewende leisten.