Leichtes Schwergewicht
wenn ich nicht
mein geld
mit schreiben
verdiente
würde ich vielleicht
viel zeit
gewinnen
fürs schreiben
...heißt es im Gedicht Beim Umblättern. Es ist eines der vielen Gedichte, die im Rahmen der Ausstellung che leggendo si apra DIE BLAUE TÜR DER VERSE Gerhard Kofler (1949– 2005) in der Stadtbibliothek Brixen nachgelesen werden können. Am Samstag wurde die Literaturausstellung zum wichtigen Lyriker aus Südtirol eröffnet. Gekommen waren viele; Freunde und Freundinnen von einst (die Erinnerungen mitbrachten), junge Brixnerinnen und Brixner (die mehr über ihren Lokalmatador wissen wollten) und zahlreiche Litertaturinteressierte (die Koflers Werk kennen und schätzen). „Er wohnte in Wien gleich um die Ecke. Wir waren fast Nachbarn“, erzählte etwa der Künstler Peter Kaser. Benno Simma erinnerte „an gemeinsame Jahre an der gleichen Schule“ und ließ zum Anlass, sein vor zwei Jahrzehnten erschienenes literarisches Musikprojekt poetischer laerm aufleben, das neben Texten von Norbert C. Kaser, Sepp Mall, Gerhard Kofler, Kurt Lanthaler, Anita Pichler oder Christoph W. Bauer auch Gerhard Koflers Literatur vertonte. Begleitet von Helga Plankensteiner und Michael Lösch sorgte der poetische laerm für den nötigen Schwung bei der feierlichen Eröffnung.
Gerhard Kofler wuchs im Brixen der 1950/60er Jahre auf. In einem mehrsprachigen Umfeld. Zum Hochdeutsch der Mutter, dem Wienerischen der Großmutter, dem Dialekt der Schulfreunde gesellte sich das Italienisch und das Neapolitanische der Nachbarn. In den 1970ern studierte er zunächst in Innsbruck, dann in Salzburg Germanistik und Romanistik. Ab 1978 war er Wien sein Zuhause.
„Er ist ein zweisprachiger, oder, eben auch ein in anderen Sprachen schreibender Autor“, erzählte die Literaturexpertin, Übersetzerin und Mitkuratorin der Ausstellung Alma Vallazza. „Ab einem gewissen Moment in seinem Leben, hat er seine Gedichte zuerst auf Italienisch geschrieben, also nicht in seiner Muttersprache, sondern in einer von ihm auserkorenen Literatursprache, dem Italienischen – er ging sozusagen fremd und übersetzte sich dann selbst ins Deutsche. Das hat für uns, vom Europäischen Zentrum für Literatur und Übersetzung ZeLT natürlich eine ganz besondere Faszination ausgeübt.“ Gemeinsam mit der Schriftstellerin und ehemaligen Mitarbeiterin im Forschungsinstitut Brenner-Archiv Erika Wimmer Mazohl, sowie der neuen Leiterin des Literaturhauses in Innsbruck Maria Piok, hat Vallazza die Ausstellung erarbeitet. In enger Zusammenarbeit mit der Witwe Hannelore Kofler-Brugnolo.
Die Ausstellung zieht sich durch mehrere Räume und über fast alle Stockwerke und stellt sich – klein und fein – neben und in die zeitgenössische Architektursprache des Neubaus, neben und in die so beherrschenden Buchregale mit den bunten Buchbeständen. Sie ist also nicht eine beliebige Nische, an einem freien Platz der Bibliothek, sondern nistet sich ein, mit kleinen Installationen, Fotos, Filmen, Schaukästen, Materialien aus dem Nachlass und natürlich mit vielen Gedichten. Diese schimmern von den Leuchten, von den Wänden und Fenstern, lagern in kleinen Schatullen oder sind auditiv aufbereitet. Die anspruchsvoll gestalteten "Augenblicke" laden zum leichtfüßigen Rundgang, sind kurzweilig, vielsprachig und machen Lust auf Koflers Gesamtwerk.
„Gerhard Kofler sagte einmal in einem Interview, dass Momente Beachtung brauchen, dass man ihnen – für ein besseres Leben – Zeit schenken muss“, kommentierte Peter Karlhuber entlang einer der liebevoll gesetzten (80!) Stationen. Ein besonderes Anliegen des bekannten Ausstellungsgestalters war es deshalb gewesen, vor allem „mit kleinen interessanten Objekten, Aufmerksamkeit für die Texte Koflers zu gewinnen.“ Dies gelingt Karlhuber in der Brixner Bibliothek durchaus. Immer und immer wieder.
„Es ist schon immer etwas Nostalgie dabei, wenn ich jetzt hier in meiner Heimatstadt zu einem Schriftsteller arbeiten kann“, meinte Mitkuratorin Maria Piok, „es ist aber auch gleichzeitig schön zu sehen, was die Lyrik Gerhard Koflers ausmacht. Sie startet hier, und von hier öffnet er sich dann der Welt.“ Literatur war Koflers Lebensinhalt. Als Mitglied und langjähriger Generalsekretär der Grazer Autorinnen Autorenversammlung, der IG Autorinnen Autoren und der Südtiroler Autorenvereinigung, als freier Mitarbeiter für ORF und RAI, vor allem aber als Rezensent nahm Gerhard Kofler maßgeblich Einfluss auf das literarische Leben seiner Zeit.
„Es war schön zu sehen, wie man Lyrik leicht machen kann, dass man auf die großen Gesten und auf die großen Themen vordergründig verzichtet“, erklärte Erika Wimmer Mazohl und betonte, „im Hintergrund ist er dann schon ein Schwergewicht, aber vordergründig kommt er leicht daher. Und das ist schon eine Kunst.“
Von Koflers Liebe für Sprachen, die neue Welten eröffnen, zeugen auch seine spanischen, englischen und mundartlichen Gedichte. Gleiches gilt für seine Übersetzungen – unter anderem von Texten von H.C. Artmann, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker und dem von ihm sehr geschätzten Umberto Saba. „Er ist ein Autor, der auch über Brixen schreibt“, fügte Alma Vallazza hinzu, „der sich mit Brixen auseinandergesetzt hat. Interessanterweise sind diese Gedichte in Wien entstanden.“
Im Herbst 2005 starb Gerhard Kofler in Wien. Hinterlassen hat er ein umfassendes lyrisches Werk, das in wunderbaren Sprachbildern immer wieder Zwischenräume offenlegt und solche zu Orten der Begegnung werden lässt. Sie stehen für ein Lebenswerk, das Sprachgrenzen mit Leichtigkeit begegnete. Und welches immer noch imstande ist, poetische (Zwischen-)Räume zu öffnen. Es tut gut sie herzuzeigen.