Der Entlastungszeuge
Allein die Kameras und Fotografen, die kurz vor 11 Uhr vor dem Schwurgerichtssaal warten, lassen erahnen, dass diese Anhörung den Ausgang dieses Prozesses nachhaltig beeinflussen dürfte. Der Mann auf den die Presse wartet, stand 8 Jahre lang der Bozner Staatsanwaltschaft als Chef vor. Cuno Tarfusser, inzwischen Richter und Vizepräsident des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, steht diesmal aber auf der anderen Seite. Der ehemalige Bozner Oberstaatsanwalt tritt weder als Ankläger noch als Richter auf, sondern als Zeuge. Als Zeuge der Verteidigung von Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder. Im Prozess um den Sonderfonds.
Dass diese Rolle im Gerichtssaal für den hohen Justizbeamten ungewohnt ist, merkt man Cuno Tarfusser schon an, als er auf dem Zeugenstuhl platz nimmt. Immerhin sitzt ihm ein Mann als Ankläger gegenüber, der sein Freund ist und jahrelang mit ihm zusammen die Speerspitze der Südtiroler Justiz bildete: Oberstaatsanwalt Guido Rispoli.
Um es vorweg zu nehmen: Cuno Tarfusser weiß nur zu gut, dass er sich an diesem Vormittag auf einem Minenfeld bewegt. Als Zeuge setzt er deshalb jeden Schritt mit Bedacht, er wiegt sorgfältig jedes Wort ab und passiert dabei souverän und durchaus mit Stil die Gefahrenstelle ohne Kollateralschäden.
Bereits sein Erscheinen ist ein Sieg der beiden Durnwalder-Verteidiger Gerhard Brandstätter und Domenico Aiello. Noch gewichtiger aber ist das, was der ehemalige Oberstaatsanwalt Cuno Tarfusser am Mittwoch vor Gericht aussagt. Tarfussers Ausführungen sind eine klare und deutliche Entlastung für Luis Durnwalder. Diese Aussage ist für seine Verteidigung mehr als nur ein Punktegewinn.
Dass an diesem Vormittag im Schwurgerichtssaal das Klima der ganz großen Show einzieht, wird in den ersten Minuten der Anhörung klar. Bevor Gerhard Brandstätter Cuno Tarfusser die erste Frage stellt, fragt der Strafverteidiger nach, wie er den ICC-Richter anreden soll. „Exzellenz?“ Als Tarfusser lachend verneint, weicht Brandstätter auf „Präsident“ aus.
Und so wird es den ganzen Vormittag über bleiben. Samthandschuhe, Honig und gegenseitige Ehrenbekundung sind angesagt. Als sich Domenico Aiello vorstellt und Tarfusser ihn mit der Bemerkung unterbricht („Ich kenne Sie“), erpicht sich der Mailänder Lega-Anwalt zu sagen: „Ich fühle mich geehrt, dass Sie mich kennen.“
Fast meint man, man sei in eine Talkshow geraten und nicht in einen Strafprozess. Später wird Aiello auch Ankläger Guido Rispoli in seine Brüder-Seit-Umschlungen-Stimmung miteinbeziehen. Als klar wird, dass der Oberstaatsanwalt in diesem Prozess nicht mehr das Schlussplädoyer halten kann, erklärt der Durnwalder-Anwalt, dass ihm das unheimlich leid tue, weil er den Bozner Oberstaatsanwalt so schätze.
Inhaltlich stehen am Mittwoch jene ominöse Vorermittlung im Mittelpunkt, die Cuno Tarfusser angeblich zum Sonderfonds bereits Anfang der 2000er Jahre geführt haben soll. Lange tappte man im Dunkeln.
Jetzt sind die Akten zur Ermittlung endlich da. Vorgelegt sowohl von der Verteidigung als auch von der Staatsanwaltschaft.
Es handelt sich um eine Ermittlung aus dem Jahre 2002 gegen Roland Atz und 18 weitere SVP-Landtagsabgeordnete. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass Roland Atz, der von 1994 bis 1998 SVP-Fraktionssprecher im Regionalrat war, am Ende der Legislatur jedem Abgeordneten 10 Millionen Lire aus der Fraktionskasse auszahlte. Beschlossen von der Partei. Es waren offiziell Gelder zur Spesendeckung und die Ermittlungen geführt von den beide Staatsanwälten Cuno Tarfusser und Guido Rispoli wurde am Ende archiviert.
In dieser Ermittlung wurden aber alle SVP-Landtagsabgeordneten von der Gerichtspolizei und Landeshauptmann Luis Durnwalder auch von den beiden Staatsanwälten angehört. Dabei stellte man auch ganz präzise Fragen zum Repräsentationsfonds und zum Sonderfonds. Luis Durnwalder legte damals bei seiner Anhörung alles offen und übergab der Staatsanwaltschaft auch konkrete Zahlen und Daten zum Sonderfonds.
Gerhard Brandstätter, auch damals Verteidiger, zitiert am Mittwoch aus dem Verhörprotokollen aus dem Jahr 2002 und bringt Cuno Tarfusser zur zentralen Aussage. „Wenn ich in dieser Handhabung eine Ungesetzlichkeit gesehen hätte“, erklärt der ehemalige Oberstaatsanwalt, „dann hätte ich sofort eine Ermittlung eingeleitet“. Tarfusser wird diesen Satz noch mehrmals wiederholen.
Es ist Domenico Aiello, der an diesem Vormittag die entscheidende Aussage herausholt. „Ist dieses Nichtvorgehen eine Bewertung der Ermittler?“. Tarfussers Antwort: „Ich würde sagen Ja.“
Cuno Tarfusser hält sich bewusst zurück. Aber der ehemalige Oberstaatsanwalt umschreibt mehrmals nobel, dass er – persönlich – im Verhalten von Luis Durnwalder keine strafbare Handlung sah und sehe.
Cuno Tarfusser geht in seiner Aussage aber noch weiter. So betont er, dass auch die Staatsanwaltschaft in seiner Zeit mehrmals aus dem Sonderfonds Zuwendungen bekommen hat. So waren mehrmals Justizdelegationen aus dem Ausland zu Gast gewesen. Dabei habe er sich als Oberstaatsanwalt an den Landeshauptmann gewandt. Dieser habe die Spesen für einen Umtrunk oder einen Empfang im Felsenkeller übernommen. „Wir hatten ja keinen Repräsentationsfonds“, erklärt Tarfusser im Zeugenstand.
Oberstaatsanwalt Guido Rispoli: Muss den Fall abgeben.
Zudem bestätigt er auch, sich mehrmals mit Luis Durnwalder aber auch mit anderen SVP-Landesräten informell über den Sonderfonds und die Repräsentationsspesen unterhalten zu haben. Als Oberstaatsanwalt sei er als Ehrengast bei Maturabällen eingeladen worden, auf denen auch Durnwalder Ehrengast war. Dabei habe er dem Landeshauptmann mehrmals scherzhaft vorgeworfen, dass der Politiker leicht Geld spenden könne. Während Tarfusser alles aus seiner eigene Tasche bezahle, würde Durnwalder auf seine Fonds zurückgreifen können.
Cuno Tarfusser wörtlich: „Ich war neidisch, aber ich habe mir nie gedacht, dass das illegal ist.“
Die Taktik der Durnwalder-Verteidigung ist klar. Man will beweisen, dass selbst Staatsanwälte von der Praxis des Sonderfonds informiert waren und darin keine strafbare Handlung gesehen haben. Am Mittwoch ging dieser Taktik voll auf.
Oberstaatsanwalt Guido Rispoli hielt sich bewusst zurück. Auch weil dem Oberstaatsanwalt klar ist, dass er an diesem Tag seinen letzten Auftritt in diesem Prozess hat.
Rispoli muss spätestens am 20. April seine neue Stelle als Oberstaatsanwalt in Campobasso antreten. Deshalb ersucht er das Gericht, um eine Festsetzung des Schlussplädoyers zwischen dem 10. und 18. April.
Diesem Ansinnen macht aber Domenico Aiello einen Strich durch die Rechnung. Weil der Durnwalder-Verteidiger kein Deutsch kann, ein Großteil des Ermittlungsaktes von 2002 aber in Deutsch abgefasst ist, fordert er eine Übersetzung. Zumindest der wichtigsten Dokumente.
Obwohl Domenico Aiello an diesem Vormittag wortgewaltig diese Übersetzung damit begründet, dass er ansonsten seine Sorgfaltspflicht als Verteidiger verletzen würde, ist auch das reine Prozesstaktik. Man vertögert den Prozess, Denn damit ist Oberstaatsanwalt Guido Rispoli raus aus dem Verfahren.
Die Rolle des Anklägers dürfte Staatsanwalt Igor Secco übernehmen. Das Verfahren geht am 18. Mai weiter. Dann wird klar sein, was aus dem Ermittlungsakt in das Verfahren einfließen wird.
Die Schlussplädoyers sind für den 27. Mai angesagt.
Herr Kofler, Sie haben
Herr Kofler, Sie haben natürlich recht. Asche auf mein Haupt.
Danke für die Belustigung.
Danke für die Belustigung. Genialer Kommentar.