Economy | Autoindustrie

„Die besseren Frauen abkriegen“

Ausnahme für E-Fuels beim Verbrenner-Aus der EU: Laut Mobilitätsexperten Markus Lobis ermöglicht das Konzernen, weiterhin große Autos an wohlhabende Männer zu verkaufen.
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Foto: Mikhail Nilov / Pexels
Die EU-Staaten haben vergangenen Dienstag (28. März) endgültig ein weitgehendes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor entschieden, nachdem der Beschluss von Deutschland wochenlang blockiert worden war. Damit dürfen in der EU ab 2035 keine Neuwagen mehr verkauft werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Für E-Fuel-Fahrzeuge ist eine Ausnahme geplant, darauf hatte die FDP in der deutschen Ampel-Koalition beharrt.
Markus Lobis vom Bozner Beratungsunternehmen Kyklos begrüßt den Beschluss der EU, auch wenn er die Ausnahme für E-Fuels kritisiert. Kyklos ist in den Bereichen nachhaltige Mobilität und Raumnutzung tätig. Die Ausnahme für E-Fuels sei nicht gerechtfertigt, da diese Technologien einen hohen Energiebedarf haben und nur in Nischenbereichen wie den Flugverkehr in Frage kämen. „Die klassische Autoindustrie glaubt damit, ein Geschäftsmodell aufrechterhalten zu können, das dem Ende zu torkelt. Sie ist auf der Suche nach einer Brückentechnologie, um die Automobilisierung in dem bisher bekannten Grad aufrechtzuerhalten“, so Lobis.
 
 
Dass für E-Fuels nun EU-weit eine Ausnahme gelten soll, führt er auf den Einfluss von Porsche in Deutschland zurück: „Porsche will, wie Medien berichten, mit seinem Werk in Chile mit Windkraft E-Fuels erzeugen, die in Europas Tankstellen mit der klassischen Infrastruktur verteilt werden können. Allerdings könnte die Produktion von E-Fuels in Chile weniger als ein Prozent des Energiebedarfs in Deutschland decken, der Liter würde dann vier oder fünf Euro kosten. Die verstaubten, weißen Männer im Porsche-Vorstand meinen die Freiheitsbedürfnisse ihrer kindischen Fans bedienen zu müssen, um sich zu bereichern.“
Der jahrzehntelange Verbrauch der fossilen Energieträger als Treibstoff für den motorisierten Individualverkehr hat wesentlich zur globalen Erderwärmung beigetragen, nun werde und müsse eine Wende im Mobilitätssektor eingeleitet werden: „Wir haben jetzt 150 Jahre lang wie auf Drogen gelebt. Jetzt müssen wir weg von dieser Droge, da die Nebenwirkungen für den Organismus Planet nicht auszuhalten sind“, erklärt der Mobilitätsexperte.
 

Elektromobilität zukunftsweisend

 
„Aus ökologischen und technologischen Überlegungen heraus ist es eine sinnlose Zeitverschwendung, E-Fuels für Autos einsetzen zu wollen.“ Die Elektromobilität verbrauche dazu im Vergleich weniger Ressourcen und spiele nun auch bei großen Automobilkonzernen eine Rolle: „Die Automobilindustrie hat sich lange Zeit gegen die Elektromobilität gewehrt, weil sie mit dem vollkommen irrationalen Auto, wie wir es kennen, riesige Gewinne gemacht hat. Jetzt erleben wir eine Umschichtung in der Großindustrie. Niemand hat Elon Musk zugetraut, dass Tesla den Automobilmarkt aufmischen kann.“
Heutzutage werden die Autos verkauft, weil sich Männer davon erwarten, die besseren Frauen abzukriegen.
Die Strategie der Autokonzerne in Deutschland sei es gewesen, Teslas Auftritt am Markt zu beobachten und das Unternehmen bei gegebenen Erfolgsaussichten aufzukaufen. Nun gebe es eine dynamische Entwicklung, in der auch große Marken verschwinden könnten. „Die strategische Wende bei VW könnte klappen, sie haben ihre Hausaufgaben im Bereich der E-Autos gemacht und bieten nun leichte E-Modelle an.“
Bei elektrischen Motoren spiele das Eigengewicht des Wagens durch die begrenzte Speicherfähigkeit der Batterie eine viel größere Rolle als beim Verbrenner. „Bei Daimler-Benz ist es noch unklar, sie bieten riesige Schlitten im Luxussegment an, die aufgrund ihres Gewichts nicht dafür geeignet sind, mit erneuerbaren Energien betrieben zu werden.“ Opel und Renault würden hingegen umschwenken und kleine E-Autos anbieten.
Laut dem deutschen Verkehrsministerium ist das Elektroauto in etwa dreimal so effizient wie ein Fahrzeug mit einem konventionellen Verbrennungsmotor: Der Wirkungsgrad eines Benziners beträgt bei üblicher Fahrweise gut 20 Prozent, mit einem Elektromotor wird dieser auf 64 Prozent erhöht. Auch mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge schneiden hier schlechter ab: „Laut dem Helmholtz-Institut in Ulm kommen sparsame E-Autos mit der Energiemenge, die im E-Diesel steckt, zehnmal weiter“, sagt Lobis.
 
 

Neue Mobilitätsformen wagen

 
Neben der Frage des Treibstoffes seien weitere Faktoren der Automobilität aus Sicht der Nachhaltigkeit problematisch: Materialverbrauch bei der Produktion, die Infrastruktur wie der Straßenerhalt und der große Platzbedarf in Städten; „Die Automobilität, wie wir sie kennen, ist unser Kernproblem. Wenn wir das lösen, haben wir ein hochwertigeres Leben“, ist Lobis überzeugt. Die Fortbewegung mit dem Fahrrad und zu Fuß seien dafür wichtige Alternativen – besonders dann, wenn in urbanen Zentren ein einzelnes Viertel die Nahversorgung gewährleisten kann.
Ich gehe davon aus, dass das absolut irrationale Massenphänomen Autonutzung in 15 bis 20 Jahren der Vergangenheit angehört.
Das sei keine Verzichtslogik, wie den Gegner*innen des Autos oft vorgeworfen wird: „Die heutige Transportwirtschaft vom Lkw bis zum Auto ist vollkommen irrational und außerhalb jeder vernünftigen Messlatte.“ Der Verkehrsexperte schlägt deshalb vor, Autos neu zu denken: Sie sollten nicht schneller als 60 Stundenkilometer fahren können, nicht mehr als 250 Kilogramm wiegen, mit einer elektrischen Batterie betrieben werden und über ein Leasing nur die letzte Meile, etwa vom Bahnhof bis nach Hause, bedienen.
„Heutzutage werden die Autos verkauft, weil sich Männer davon erwarten, die besseren Frauen abzukriegen. Dieses Phänomen spielt beim Autoverkauf eine Rolle“, sagt Lobis. „Unsere Freiheit, mit einem Auto zu fahren, kompromittiert die Überlebensperspektive unserer Zivilisation auf eine eindeutige Weise. Trotzdem geht der Hype weiter und es ist nicht nachvollziehbar, warum wir nicht ausreichend Intelligenz aufbringen, um unsere Überlebensfähigkeit sicherzustellen.“
Gleichzeitig gebe es ebenso einen neuen und nachhaltigeren Trend: „In den drei größten Städten der Schweiz haben rund 50 Prozent der Haushalte kein Auto mehr. Sie haben ein wunderbares Netz des öffentlichen Personennahverkehrs im Schweizer Takt. Das heißt, dass alle Verkehrsmittel, vom Schnellzug über die Seilbahn bis zum Schiff, aufeinander getaktet sind“, so der Mobilitätsexperte. 
Dieses neue Denken sei auch bereits bei den jüngeren Generationen in Südtirol spürbar: „Wenn ich eine Hoffnung habe, dann, dass junge Menschen die Kurve kriegen und ältere Generationen so wenig Schaden wie möglich anrichten. Ich gehe davon aus, dass das absolut irrationale Massenphänomen Autonutzung in 15 bis 20 Jahren der Vergangenheit angehört.“