Politics | Aus dem Blog von Markus Lobis

Frühmorgens in Bozen

Aus einer Unterhaltung auf Facebook entstand die Idee, sich mehr mit unserem früheren Leben zu beschäftigen, damals, unter Durnwalder. Man hat hat ja manchmal den Eindruck, das sei schon ewig her. In lockerer Folge will ich hier auf einige Episoden, Vorfälle, Erinnerungen und Eindrücke eingehen, die ich mit der Ära Durnwalder verbinde.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die schlimmste Unsitte der Ära Durnwalder waren die frühmorgendlichen Bittgänge. Für den machtbewußten Landeshauptmann gehörten sie zu den Stützpfeilern des Machtausbaus. Die schätzungsweise 2000 bis 2500 Gespräche pro Jahr waren für Durnwalder eine fast unerschöpfliche Informationsquelle, vor allem in Verbindung mit seinem als legendär mythisierten Gedächtnis und seiner Kombinationsgabe.

Am frühen Morgen erfuhr der Landeshauptmann viel über die Machtverhältnisse bis hinauf in den letzten Weiler und hatte das Land auch auf diese Weise unter Kontrolle. Er wusste genau, wo und über was gestritten wird und mit wem er gute Beziehungen pflegen sollte und wen er durch Nichtbeachtung strafen und weiter ausgrenzen konnte. Und er erfuhr, wo es was zu kaufen gibt, um dort sein legendäres "Händchen" bei Immobiliendeals ins Spiel zu bringen. Aber das ist ein eigenes Kapitel.

Ich war selbst zwei Mal bei der Morgenaudienz, in meiner früheren Rolle als Organisator von großen Sportveranstaltungen. Auch wenn mit Beamten und zuständigen LandesrätInnen schon alles geklärt werden konnte - die LandesrätInnen selbst rieten dazu, "zum Luis" zu gehen und seine Gunst zu erbitten, "damit die Kirche im Dorf bleibt".

Bei den Morgenaudienzen spielte sich Durnwalder ziemlich auf und genoß es sichtlich, dass da ehrfürchtig eine Reihe honoriger Menschen herumsaßen und etwas von ihm brauchten. Er ließ auch Theaterdonner ertönen und zeigte auf, an welch seidenem Faden die Anliegen der Bittsteller hingen, um dann gönnerhaft einzulenken und die Lösung zu befürworten, die eh schon im Vorfeld ausgehandelt worden war.

Ich habe diese Audienzen als demütigend empfunden und auch als absolut verzichtbar. Entweder die BürgerInnen haben einen Anspruch auf eine Leistung der Verwaltung, oder sie haben keinen. Das kann ein/e BeamtIn ermitteln, ob die Voraussetzungen vorhanden sind oder nicht.

Durnwalders Gehabe und seine eigenwillige und willkürliche "Gestaltung" der gesetzlichen Grundlagen haben die Verwaltung regelrecht gelähmt. Beamte, vor allem jene, die nicht unter dem demonstrativ zelebrierten Schutz von Durnwalder standen, mussten sich hüten, Entscheidungen zu treffen und zogen es vor, auf die legendären"Zettelen" zu warten, die nach dem Bittgängen in allen Abteilungen zirkulierten.

Ein Fall scheint mir bezeichnend für tausende andere: Ein Bauer in einem Eisacktaler Dorf hatte so wie viele andere in seinem Dorf den Stadel saniert und um Beiträge angesucht. Während seine Nachbarn die Zahlungen erhielten, blieben sie bei ihm aus. Als er sich nach dem Warum für diese Situation erkundigte wurde er als erstes gefragt, ob er schon "beim Luis" gewesen sei, was er verneinte. Nach dem obligaten Besuch im Landhaus eins, flatterte dann das entsprechende Zettele ins Büro des zuständigen Beamten in Brixen, das Gesuch (es ist bezeichnend, dass die SüdtirolerInnen "ansuchen" und nicht Anträge stellen...) wurde aus dem Warte-Fach genommen und in das Auszahlungs-Fach gelegt. Der betroffene Bauer soll nach diesem Vorfall aus der SVP ausgetreten sein.

Um etwas betteln zu müssen, was einem zusteht und das 25 Jahre lang - das hat ein ganzes Völklein korrumpiert.

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Guntram Bernulf Thu, 05/01/2014 - 07:05

War selber einmal dort, schäme mich heute dafür.
Dachte damals: Du musst in den sauren Apfel beißen, ist ja nicht für dich persönlich, es geht um ein größeres Anliegen.
Es ging um eine Sache, die dem LH aus seiner Ausbildung und Erfahrung heraus weitestgehend fremd sein musste.
Er erklärte mir nach ca. 1 Minute, dass es so eine Initiative nicht brauche, weil das eh alles schon tausendmal gemacht worden sei.
Das war das Ende des Gespräches.
War nie in der SVP, aber seitdem hat sie einen Gegner mehr.

Thu, 05/01/2014 - 07:05 Permalink
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gorgias Thu, 05/01/2014 - 16:12

Die Zeiten der Morgenaudizenen sind vorbei, doch es gibt genug Personen die nun Entzugserscheinungen leiden.
Nun geht es aber darum für diese Lücke einen Ersatz zu finden und das wäre mehr Rechtssicherheit durch klarere Gesetze geben, für Bürger und Beamten, damit die einen Wissen was ihnen zusteht und die anderen welchen Handlungsspielraum sie haben.
Dafür muss aber aus dem bis jetzt servile und brave Tiroler Untertan ein Citoen mit Rechtskultur und Bürgerbewußstsein werden.
Sonst wird es früher oder später einen neuen höchsten Sachbearbeiter für alles und jeden geben, der die freie Stelle füllt.

Thu, 05/01/2014 - 16:12 Permalink
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Sebastian Felderer Thu, 05/01/2014 - 19:18

Kann ich nicht ganz nachvollziehen diese Serie. Denn ob früh morgens tierende landeshauptmann im Büro oder spät abends im Felsenkeller, es war immer der amtierende Landeshauptmann am Werk. Und er hat mit diesen Aktionen und dem Solidaritätsfond und, und, und .... den Grundstein für die nächsten 100.000 Vorzugstimmen gelegt. Sein System durfte funktionieren und hat funktioniert. Leben lassen, um selber zu leben. Klingt eigentlich ganz passabel, doch in diesem Fall haben gewisse Kreise gut gelebt und der Chef selber sicher am besten. Und die, welchen es zuminder war, um fünf Uhr vor der Landhaustür zu kauern, die haben es bezahlt, das System. Jetzt ist es zuspät, jetzt ist es vorbei, wie viele andere "Systeme" auch. Deshalb passt es mir nicht unbedingt, dass darüber geschrieben wird. Wenn man gegen ein System ist, muss man es knacken, solage es existiert. Wenn's vorbei ist, nützt es wenig, darüber zu erzählen. Wir schauen nach vorne und dort soll es anders werden. Mir genügt es , wenn Arno nach 8 Uhr morgens beginnt.

Thu, 05/01/2014 - 19:18 Permalink
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Sebastian Felderer Thu, 05/01/2014 - 19:18

Kann ich nicht ganz nachvollziehen diese Serie. Denn ob früh morgens tierende landeshauptmann im Büro oder spät abends im Felsenkeller, es war immer der amtierende Landeshauptmann am Werk. Und er hat mit diesen Aktionen und dem Solidaritätsfond und, und, und .... den Grundstein für die nächsten 100.000 Vorzugstimmen gelegt. Sein System durfte funktionieren und hat funktioniert. Leben lassen, um selber zu leben. Klingt eigentlich ganz passabel, doch in diesem Fall haben gewisse Kreise gut gelebt und der Chef selber sicher am besten. Und die, welchen es zuminder war, um fünf Uhr vor der Landhaustür zu kauern, die haben es bezahlt, das System. Jetzt ist es zuspät, jetzt ist es vorbei, wie viele andere "Systeme" auch. Deshalb passt es mir nicht unbedingt, dass darüber geschrieben wird. Wenn man gegen ein System ist, muss man es knacken, solage es existiert. Wenn's vorbei ist, nützt es wenig, darüber zu erzählen. Wir schauen nach vorne und dort soll es anders werden. Mir genügt es , wenn Arno nach 8 Uhr morgens beginnt.

Thu, 05/01/2014 - 19:18 Permalink
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Klaus Griesser Sat, 05/03/2014 - 11:48

Finde ich gut, die Serie! Wir müssen uns offen und ehrlich im Spiegel ansehen. Ich war auch zweimal beim "Kaiserhof-Gang"- Ritus, in einer Bürgerinitiative-Sache - ich muss sagen, Durnwalder war sehr korrekt und konsequent. Verwundert hat mich dabei, dass bei dem Ritus mehrere hohe Landesbeamte mitmachten und habe nachgefragt: "So geht's schneller und sicherer!". Darf denn sowas sein?

Sat, 05/03/2014 - 11:48 Permalink
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Elisabeth Ladinser Sun, 05/04/2014 - 08:26

Nie bin ich so früh morgens in Bozen im Fürstenpalast Schlange gestanden ..... ich habe diese Bittstellerdemokratie immer verabscheut! Tatsächlich hat sich in Südtirol unter der Ära Durnwalder nicht zuletzt durch diese Bittgänge eine Art Absolutismus entwickelt, der von den "Untergebenen" nicht so verspürt wurde, weil letztendlich Geld für - fast - alle vorhanden war. Verteilt hat Fürst Durnwalder! An dieser Fürstenrolle hat er zusehends mehr Gefallen gefunden und darüber hinaus leider den richtigen Zeitpunkt für seinen Abgang verpasst. 10 Jahre früher, und viele hätten ihm nachgeweint; das ist heute nicht so. Schade, denn seine positiven Errungenschaften und Leistungen für das Land, die es glit anzuerkennen, treten dadurch in den Hintergrund und werden leicht vertgessen.

Sun, 05/04/2014 - 08:26 Permalink
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Geya Gletschereis Sun, 05/04/2014 - 10:31

Herr Durnwalder hat sich die Wünsche aller angehört, und es war relativ einfach, sie vorzubringen.
Um Meinungen, V0rschläge, Wünsche zu äußern, kann man jetzt höchstens einen Lesebrief schreiben, welche "offenen Kanäle" gibt es sonst noch für die Frau auf der Straße? Wie kontaktiere ich z.B. Oppositionspolitiker, damit sie meine Anliegen zumindest kennenlernen?

Sun, 05/04/2014 - 10:31 Permalink
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Josef Ruffa Mon, 05/05/2014 - 06:54

"Um Meinungen, V0rschläge, Wünsche zu äußern, kann man jetzt höchstens einen Lesebrief schreiben, welche "offenen Kanäle" gibt es sonst noch für die Frau auf der Straße? Wie kontaktiere ich z.B. Oppositionspolitiker, damit sie meine Anliegen zumindest kennenlernen?"
Frau Orgler, jeder Politiker hat eine offizielle Emailadresse...., schreiben Sie doch einfach.

Mon, 05/05/2014 - 06:54 Permalink
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Geya Gletschereis Mon, 05/05/2014 - 13:28

Danke für die Information. Ich würde aber eine Plattform vorziehen, wo jeder seine Anliegen oder Wünsche an die verschiedenen Landesräte vorbringen kann und man dann auch erfährt, ob andere Bürgerinnen ähnliche Belange haben. Es braucht von mir aus auf alle Fälle mehr Bürgerkontakt, da ich z.B. mit dem Gerede der Politiker über Vollautonomie, Selbstbestimmung, Freistaat ... recht wenig anfangen kann, während mich z.B. das Thema "bezahlbare Mieten in Bozen" - das kein Politiker anspricht - sehr wohl interessiert.

Mon, 05/05/2014 - 13:28 Permalink