Politics | Gemeindewahlen

Ulrich Veiths Bedrängnis

Drei Konkurrenten und ein unbequemer Vorgänger: Warum der landesweit bekannte Malser Bürgermeister Ulrich Veith am 10. Mai um seine Stimmen zittern muss.

Wenn Konrad Meßner in diesen letzten Wahlkampfwochen durch Mals spaziert, wird er vielerorts mit einem „Buongiorno Signore“ und einem herzlichen Lachen begrüßt. „Das freut mich jedes Mal“, sagt der bekannte Vinschger Regionalentwickler, Kulturwirt und nun auch Malser Bürgermeisterkandidat. Denn die augenzwinkernden Reaktionen auf seine Überraschungs-Kandidatur für den Partito Democratico sind für ihn ein Zeichen, dass die Gräben zwischen den Sprachgruppen doch nicht so groß sind wie oft dargestellt. Vor allem aber setzt Messner mit der unerwarteten Kombination aus Vinschger Nachhaltigkeitsgeist und italienischer Regierungspartei auch auf jene Botschaft, die vor diesen Gemeinderatswahlen allerorts zu vernehmen ist:  Gehen wir weg von der Parteipolitik und Machtgeplänkel – und schauen wir, welche Personen das Zeug haben, die Gemeindepolitik in die Hand zu nehmen.

In fast jeder dritten Südtiroler Gemeinde bietet sich dafür nur ein Kandidat oder eine Kandidatin an. In Mals gibt es dagegen gleich vier Anwärter, die sich am 10. Mai als potentielle BürgermeisterIn der Wahl stellen. Konkurrenz erhält Titelverteidiger Ulrich Veith nicht nur von Regionalentwickler Messner, sondern auch von der Newcomerin Ruth Kofler sowie dem Ex-Freiheitlichen Peppi Stecher, die beide für die neu gegründete  „Offene Gemeindeliste Mals“ kandidieren. „Wir wollten unseren Wählern die Option offenlassen, ob sie jemanden mit langjähriger Erfahrung im Gemeinderat oder ein neues Gesicht  bevorzugen“, erklärt Stecher das Zweifach-Angebot seiner Liste. Dazu gesellt sich die Südtiroler Freiheit, die in Mals nach einer Pause seit 2009 wieder drei Kandidaten für den Gemeinderat stellt. Rechnet man auch noch Alt-Bürgermeister und Veith-Gegner Josef Noggler dazu, dem in diesen Tagen vorgeworfen wird, die Gemeindeliste statt seine eigene Partei zu unterstützen, weht dem amtierenden Bürgermeister bei dieser Wahl tatsächlich eine steife Vinschger Brise um die Ohren.

Ulrich Veith, der sein Sozialabgaben-Verfahren vor dem Bozner Landesgericht erst einmal bis nach den Wahlen aufgeschoben hat, bleibt jedoch gewohnt gelassen. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, meint er sportlich zum Getummel rund um sein Amt. 1757 Stimmen hatte der Newcomer bei den vorgezogenen Wahlen im Jahr 2009 erhalten. 15 der 20 Sitze im Gemeinderat konnte seine Partei für sich beanspruchen. Ob dieses Ergebnis zu halten ist, ist bei rund 2500 bis 3000 Malser WählerInnen fraglich. Denn statt Peppi Stecher, der 2009 noch als Freiheitlicher mit wenigen Mitstreitern auf der Liste Freie Wähler angetreten ist, bietet die nun entstandene Offene Gemeindeliste nun einerseits zwei direkte Konkurrenten zu Veith. Gleichzeitig stellt sie mit 25 KandidatInnen auch insgesamt die zahlenmäßig stärkste Liste. Und: „Wir sind die einzige Liste, die in jeder der zehn Malser Fraktionen eigene Kandidaten hat“, sagt Peppi Stecher. Eine Stärke, die er angesichts der Malser Mentalität als erfolgsversprechend einordnet. „Denn bei uns wählt ein Burgeiser nun einmal einen Burgeiser und jemand aus Schlinig einen Kandidaten aus Schlinig“, meint er.

„Wir hatten noch in Mals noch nie eine so klare Trennung der Positionen. Auf der einen Liste die Kandidaten, die bewiesen haben, dass sie Rückgrat haben und zu dem stehen, was sie sagen. Auf der anderen jene, die nicht zu ihrem Wort gestanden sind.“

Interessant wird auch, wie sehr der SVP-Bürgermeister die Probleme seiner Partei in den Dörfern zu spüren bekommt. Die Diskussion um das Krankenhaus Schlanders ist noch in Gang, die Skandale der letzten Jahre noch nicht ganz vergessen und die Parteimüdigkeit in den Dörfern groß. Das Rebellenimage, das sich Ulrich Veith in den vergangenen sechs Jahren im Zuge des Pestizid-Referendums und seinem generellen Fokus auf Partizipation aufgebaut hat, könnte ihn diesbezüglich zwar weitgehend immun machen. Dummerweise finden sich auf der Offenen Gemeindeliste aber nun auch andere SVP-Rebellen: Nämlich jene bisherigen ParteikollegInnen Veiths, die wie etwa die bisherige Vize-Bügermeisterin Sibille Tschenett nun gegen ihn auf der Bürgerliste antreten – und dafür aus der eigenen Partei geworfen wurden.

Pestizid-Gegner gegen Pestizid-Verteidiger?

„Ich denke schon, dass sich die Wähler für Leute entscheiden, auf die man sich verlassen kann“, spielt Ulrich Veith einen seiner wichtigen Trümpfe aus: das Pestizid-Referendum und der gescheiterte Versuch, den Willen von 75 Prozent der Teilnehmenden im Gemeinderat mit einer Satzungsänderung Folge zu leisten. „Wir hatten in Mals noch nie eine so klare Trennung der Positionen“, sagt der amtierende Bürgermeister. „Auf der einen Liste die Kandidaten, die bewiesen haben, dass sie Rückgrat haben und zu dem stehen, was sie sagen. Auf der anderen Liste jene, die nicht zu ihrem Wort gestanden sind.“

Findet am 10. Mai also der endgültige Showdown von Pestizid-Gegner und Verteidigern statt? Eine Sichtweise, der zumindest Peppi Stecher vehement widerspricht. Für die  Offene Gemeindeliste würden genauso Vertreter der bäuerlichen Plattform wie Biobauern kandidieren, die absolute Pestizid-Gegner sind, sagt er. Auch sei das Thema einer von 30 Programmpunkten seiner Liste.  „In Mals selbst gibt es weit wichtigere Anliegen als die Pestizide“, sagt er. „Vor allem solange klar ist, dass wir ohnehin keine rechtliche Kompetenz für eine Umsetzung eines Pestizid-Verbots haben.“

„Der bisherige Bürgermeister ist zwar eine sehr freundliche  Persönlichkeit. Doch ich denke, dass er weder die Kraft noch das Know How hat, dieser Herausforderung gerecht zu werden – schon allein aufgrund der Abhängigkeit von seiner Partei und des Bauernbunds.“

Noch weit gefährlicher als sein wortgewaltigster bisheriger Kontrahent dürfte Ulrich Veith in der Pestizidfrage aber Überraschungskandidat Konrad Meßner werden. Der gilt schließlich bereits seit den Neunziger Jahren als eine der Schlüsselfiguren für die nachhaltige Entwicklung des Obervinschgaus – ob mit Ideen für die Bioregion Matsch zu Beginn der Neunziger Jahre, das Festival Xong oder das Projekt Kornkammer Vinschgau. „Mals steht jetzt am Scheideweg“, sagt er. Ob die Vinschger Gemeinde nun tatsächlich eine starke Gemeinde mit Pilotcharakter wird oder das Potential dazu verspielt, entscheide sich wesentlich mit dieser Wahl.

Ich bringe das Werkzeug für die erste Option mit, lautet Meßners Wahlversprechen. Seine beiden wichtigsten Kontrahenten traut er diesbezüglich dagegen wenig zu – weil es laut Meßner bei beiden Seiten an konkreten Vorstellungen mangelt, wie mit der Idee der pestizidfreien Gemeinde umzugehen ist. „Der bisherige Bürgermeister ist zwar eine sehr freundliche  Persönlichkeit. Doch ich denke, dass er weder die Kraft noch das Know How hat, dieser Herausforderung gerecht zu werden – schon allein aufgrund der Abhängigkeit von seiner Partei und des Bauernbunds“, meint der PD-Bürgermeisterkandidat.

Mindestens ebenso schonungslos seine Beurteilung der bisherigen Handhabung der Pestizid-Frage: „Ich habe den Eindruck, dass die Diskussion auf einer ganz falschen Ebene stattfindet“, sagt Konrad Meßner. Denn das wahre Problem bestehe darin, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Konkreter: die finanzielle Bevorzugung des Obstbaus gegenüber der Berglandwirtschaft. „Diese Diskussion muss endlich transparent und sachlich geführt werden“, fordert der Regionalentwickler. Auch mit dem zuständigen Landesrat Arnold Schuler, dem man einfach zu Hilfe kommen muss, wie es Meßner ausdrückt:  „Man muss einem Arnold Schuler klar machen, dass es nicht gerecht ist, dass er mit seinen 12 Hektar Obst keine Steuern zahlt und seine Kinder trotzdem Stipendien bekommen oder er Förderungen, wenn er ein Haus baut.“ Solange es hier keine Korrektur gebe, wird sich auch die Diskussionskultur nicht ändern, prophezeit Meßner. „Und ich bin nicht bereit, bei einer Diskussion mitzumachen, die dazu führt, dass man sich an der Basis die Schädel einschlägt, weil die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen“, sagt er.

Mals ist nicht nur eine Vinschger Angelegenheit, sondern für ganz Südtirol relevant, hieß es beim Pestizidreferendum. Nun steht die nächste Abstimmung vor der Tür. Und auch bei der geht es um mehr als um die reine Verwaltung einer 5000-Einwohner-Gemeinde.

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Christoph Moar Thu, 04/30/2015 - 13:26

„Und ich bin nicht bereit, bei einer Diskussion mitzumachen, die dazu führt, dass man sich an der Basis die Schädel einschlägt, weil die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen“, sagt er.

Chapeau, Konrad Meßner. Treffend analysiert! Da werfen sich pro-pestizidfrei und pro-konventionell gegenseitig in die Schlacht (wenngleich, natürlich, manchmal auch mit sehr viel Charme, so ich die Aktionen der pro-Pestizidfrei als Auswärtiger mitsehe).

Aber die echte Schlacht, die müsste an ganz anderer Ebene ausgetragen werden, zum Beispiel beim Förderungswesen: damit nicht reine Quantität, sondern Qualität gefördert wird. Aber genau hier regt sich so gut wie gar nichts. Stattdessen schaut man gemütlich zu, wie sich die Gemüter in einer Dorfgemeinschaft erhitzen. Schade, eigentlich.

Thu, 04/30/2015 - 13:26 Permalink
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Klemens Kössler Fri, 05/01/2015 - 21:04

Schade dass das Obervinschgau nicht zur Schweiz gehört, das Referendum wäre von vornherein als nicht zulässig erklärt worden und niemand müsste lange hadern wie es ausgeht.
Die Abdrift würde kein Problem für Biobauern darstellen weil die Schweizer Gestze nicht so scharf und praxisfremd sind wie die italienischen.
Die Landwirtschaft würde ordentlich gefördert und durch Einfuhrzölle geschützt, höhere Lebensmittelkosten beanstandet in der Schweiz niemand und von noch mehr Besteuerung der Landwirtschaft spricht in der Schweiz gar niemand.
Da die Nicht Bauern im Obervinschgau sowieso in der Schweiz ihren hochbezahlten Job nachgehen wäre es auch richtig wenn sie Schweizer Staatsbürger wären.
Also Obervinschgau zur Schweiz, so einfach ist das.

Fri, 05/01/2015 - 21:04 Permalink
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DervomBerge Tratzer Mon, 05/04/2015 - 12:49

Haha Konrad Meßner der Kulturreferent!
Er hat es geschafft 1 Mio. Euro Schulden mit seinem Kulturprogramm Xong (sogut es auch war) zu machen. Und dann eine Gemeinde führen wollen?!

Mon, 05/04/2015 - 12:49 Permalink