Society | Extremismus

SS-Besucher aus Südtirol

In Ostdeutschland feiern Neonazis an Hitlers Geburtstag. Mit dabei sind einige Südtiroler, die bei Beobachtern der Szene keine Unbekannten sind.
Division Südtirol
Foto: Presseservice Rathenow

Alkohol gab es auf dem Festivalgelände keinen. Die Polizei hatte für den 20. und 21. April ein striktes Alkoholverbot verhängt. Ein Richter hatte es bestätigt. Doch abgesehen davon konnten die Behörden das, was sich am vorvergangenen Wochenende in Ostritz in Ostdeutschland abspielte, nicht verhindern: eine Neonazi-Versammlung. Als Rechtsrockkonzert propagiert, als politische Veranstaltung genehmigt. Und erneut mit Südtiroler Beteiligung. “Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal”, weiß man nicht nur in der Bozner Quästur.

 

Recht(s) im Osten

Datum, Namen und geladene Bands lassen keinen Zweifel, wessen Geistes Kind die Veranstaltung am Wochenende vom 20. und 21. April war. Am Geburtstag von Adolf Hitler feierten gut 1.000 Besucher auf dem “Schild & Schwert-Festival” – oder kurz “SS-Festival” – zur einschlägigen Musik von “Die Lunikoff-Verschwörung”, “Sturmgewehr” oder “Oidoxie”. Nazi-Musik für Nazis, die vor allem aus Deutschland in das sächsische Dörfchen Ostritz nahe der polnischen Grenze reisten.

Doch auch Besucher aus Osteuropa, aus Österreich, aus der Schweiz feierten in Ostritz – und aus Südtirol, wie Bild- und Videomaterial zeigt.
Es ist zum wiederholten Mal die Antifa Meran, die die unzähligen Fotos, die von zahlreichen Journalisten und Fotografen am 20. und 21. April in Ostritz geschossen wurden, gesichtet hat. Und man ist fündig geworden. Sieben Personen habe man identifiziert und “als der Südtiroler Neonazi-Szene zugehörig ausgemacht”, schreibt die Antifa eine Woche nach dem Festival in ihrem Blog.

Auch für das ungeübte Auge gut erkennbar sind die Aufdrucke auf manchem T-Shirt: “Division Südtirol”, “Ultrarechts Südtirol”. Dazu veröffentlicht die Antifa die Initialen der Südtiroler Festivalbesucher, samt Wohnort. Die Sieben stammen offenbar aus dem Meraner Raum und dem Unteren Vinschgau – und sind auch in der Quästur in Bozen nicht unbemerkt geblieben. Dort kennt man die Gesichter. Denn die rechtsextreme und neonazistische Szene in Südtirol steht seit Langem unter Beobachtung. “Wir wissen, dass es im Burggrafenamt und auch in Naturns seit jeher die meisten Aktivitäten gibt”, heißt es auf Nachfrage von salto.bz aus der Quästur.

 

Stammgäste aus dem Süden

Bei den Südtirolern in Ostritz handelt es sich zum Teil um dieselben Personen, die bereits im Juli 2017 in Themar in Thüringen bei “Rock gegen Überfremdung” dabei waren. Das Rechtsrockkonzert galt als das größte Neonazi-Treffen des vergangenen Jahres – und war ebenso wie das “Schild & Schwert-Festival” als politische Versammlung und nicht als Musikkonzert angemeldet worden. Mit ein Grund, warum die deutschen Behörden ähnliche Veranstaltungen nur schwerlich unterbinden können.

“Hört des gefesselten Adlers Schrei, macht mein Tirol wieder deutsch und frei!”
(Aufschrift auf dem T-Shirt unter “Division Südtirol”)

Nicht nur in Deutschland beobachtet man die zunehmenden Neonazi-Musikveranstaltungen mit Sorge. Sie gelten als internationale Vernetzungstreffen für die rechtsextreme Szene, bieten die Möglichkeit, alte Kontakte zu pflegen und neue aufzubauen.
Die internationale Vernetzung und der Rechtsrock bildeten die Basis von Strukturen wie “Blood and Honour” oder “Combat 18”, erklärt der ARD-Journalist Patrick Gensing in einem Video, das das Deutsche Jüdische Forum nach der Veranstaltung in Ostritz veröffentlicht. Gensing beschäftigt sich eingehend mit dem Thema Rechtsextremismus und sagt: “Auf Basis der Netzwerke wachsen weitere Verbindungen, die hingehen können bis in den Rechtsterrorismus.”

Zu Wort kommt in dem Video auch der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn von der TU Berlin. Er zeigt auf, wie mit solchen Konzerten auch junge Leute “über die Einstiegsdroge Musik an die Szene herangeführt” und das “rechtsextreme, neonazistische Weltbild an den Mann und an die Frau” gebracht werden soll.

 

Verbunden und gebunden

Dass die seit Langem bestehenden Verbindungen zwischen der Neonazi-Szene in Südtirol und jener in Deutschland bis heute existieren, belegte zuletzt der Jahresbericht der italienischen Geheimdienste. Auch, dass Südtiroler regelmäßig im Ausland auf Rechtsrockkonzerten und Festivals wie jenem in Ostritz aufmarschieren, ist nicht neu. In der Quästur von Bozen weiß man: “Das war nicht das erste und nicht das letzte Mal.”

Strafrechtlich gegen Südtiroler Besucher auf einschlägigen Veranstaltungen im Ausland, die ordnungsgemäß angemeldet und zugelassen wurden, vorgehen, können die hiesigen Ordnungskräfte kaum. Der Besuch eines solchen Festivals allein sei keine Straftat, “daher können wir keine Ermittlungen einleiten”, heißt es aus der Quästur, wo die Spezialeinheit DIGOS die rechtsextreme Szene im Auge hat. Auch die Südtiroler in Ostritz sind keine Unbekannten, bestätigt man salto.bz. Doch ohne den stringenten Verdacht auf eine Straftat und ausreichende Begründung sei eine verschärfte Überwachung nicht möglich.

Die Antifa Meran nimmt die Neonazi-Versammlung in Ostritz indes erneut zum Anlass, ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, “dass auch in Südtirol massiver Handlungsbedarf besteht”: “Die Neonazis, die an diesen Treffen teilnehmen, können nicht – wie so oft in der Vergangenheit geschehen - als ‘Lausbuben’ abgetan werden. Die zum Teil regelmäßige Teilnahme an internationalen Vernetzungstreffen verdeutlicht, wie gut Südtiroler Neonazis in die militante Szene eingebunden sind”, steht für die Antifa fest. “Daher ist auch vor Ort von einem nicht zu unterschätzenden Gefahrenpotential auszugehen, dem es endlich zu begegnen gilt.”