Reicht ein Schmalspur-Konvent für die Autonomiereform?
Obwohl LH Kompatscher für diesen Zweck bereits einen Autonomiekonvent angekündigt hat, sind weder die Öffentlichkeit noch die Parteien bisher auf diese institutionelle Neuerung eingegangen, die mit Landesgesetz eingerichtet werden muss. Allerdings zeichnet sich jetzt schon eine Art "Schmalspur-Konvent" ab, der der Bedeutung dieses Reformprojekts nicht gerecht werden kann.
Für die Revision des Autonomiestatuts stünden verschiedene Verfahren zur Auswahl. Der Landtag könnte über diese Reform ganz alleine befinden (den endgültigen Vorschlag muss ohnehin der Landtag verabschieden und an den Regionalrat weiterleiten), oder einen Expertenbeirat beiziehen oder aber einen Konvent einrichten, in welchem auch Landtagsabgeordnete vertreten sind. Erfahrungen mit Statutsreformen über einen derart ernannten Konvent in anderen Regionen (Aostatal, Friaul Julisch Venetien) haben gezeigt, dass diese Form zu kurz greift. Es braucht vielmehr eine breit aufgestellte Versammlung, um die Bevölkerung miteinzubeziehen und um dem Ergebnis politische Legitimation zu verschaffen. Ein echtes Gewicht erhält eine solche Versammlung erst, wenn sie die Vielfalt der politischen Landschaft hierzulande abgebildet und die Bürgervorschläge wirklich aufnimmt. Andernfalls riskiert man eine Art "Mitmachfalle", die die Bürgerinnen in Nebenveranstaltungen debattieren lässt, die eigentlichen Entscheidungen doch ausschließlich den Experten vorbehält. Auch aus diesem Grund hat eine Mehrheit der sardischen Wähler vor genau zwei Jahren mit einem Referendum ihrem Regionalrat den Auftrag gegeben, einen direkt gewählten Konvent zur Reform des sardischen Autonomiestatuts einzurichten.
Eine solcher Weg ist für Südtirol (und das Trentino) durchaus auch gangbar, rechtlich und politisch. Eine gute Vorbereitung auf Inhalt und Verfahren dieses anstehenden Reformprozesses bietet die eben erschienene Publikation "Mit mehr Demokratie zu mehr Autonomie" der Sozialgen. POLITiS (mit dem SBZ). Sie sammelt die Beiträge von 25 Fachleuten zu einem Bildungsprojekt, das in den letzten Monaten den Reformbedarf an der Südtirol-Autonomie ausgeleuchtet hat. Politiker verschiedener Parteien, Wissenschaftlerinnen, Aktivisten von Bürgerorganisationen kommen zu Wort. Eine im Rahmen des Projekts durchgeführte Online-Umfrage hat interessante Ergebnisse zu den Präferenzen der Südtiroler bei der Überarbeitung des Statuts gebracht.
Der Band schließt mit einer Reihe von Vorschlägen für mehr Bürgerbeteiligung bei der Autonomiereform. Das Anliegen verdient eine möglichst breite Partizipation über den Landtag und nur nominierte Institutionenvertreter hinaus. Mein eigener, in dieser Publikation näher erläuterter Vorschlag dazu: die Einbeziehung von möglichst vielen Bürgern und Bürgerinnen in dieses Verfahren kann nur gelingen, wenn der zukünftige Konvent direkt gewählt wird und die Bürger optimal ausgestaltete Beteiligungsrechte erhalten. Die Publikation ist im Buchhandel erhältlich oder über POLITiS zu beziehen ([email protected]).
Thomas Benedikter (Hg.), Mit mehr Demokratie zu mehr Autonomie - Bürgerinnen und Bürger reden mit - Ergebnisse eines Bildungsprojekts (POLITiS-SBZ), ed. ARCA 2014, 160 S., ISBN 978-88-88203-50-8
das Trentino
Ich schreibe hier in der Hoffnung auf die Beantwortung einer Frage, die mir schon seit langem im Kopf herumschwirrt. Persönlich finde ich die Idee eines Konventes (wenn möglich direkt gewählt) sehr interessant. Sie bietet die Möglichkeit eines neuen "Gesellschaftsvertrages" und somit der Benennung gemeinsamer Werte des Zusammenlebens und neuer Strukturen, die aktuelle Muster bzw. Probleme zu durchbrechen weiß.
Die gefunden Informationen blieben mir eine Antwort jedoch schuldig: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Trentino? Wenn das Konvent eine rein südtirolerische Veranstaltung wird, d.h. deren VertreterInnen nur von den Südtiroler WählerInnen bestimmt werden, inwiefern kann eine Zusammenarbeit mit dem Trentino glücken. Schließlich bilden wir mit dem Trentino eine Region, sodass das bisherige Autonomiestatut eines ist, für das Trentino und für Südtirol. Wäre die Konsequenz getrennter Konvente, sollte denn das Trentino auch eines organisieren wollen, nicht jene, dass beide autonomen Provinzen ein eigenes und daher getrenntes Statut bekämen?
Gemeinsamer Konvent wenig sinnvoll
Einen neuen Gesellschaftsvertrag, lieber Stephan, wird der angekündigte Autonomiekonvent leider nicht bringen, zumal es nur um eine Reform, also eine Überarbeitung des Statuts geht. Es ist auch nicht notwendig, unser Statut neu zu schreiben, da es sich in mancher Hinsicht gut bewährt hat, in anderer eben nicht.
Dieser Konvent muss als partizipatives Verfahren zur Ausarbeitung eines Südtiroler Vorschlags für die Statutsreform betrachtet werden, der vom Landtag verabschiedet und dann an den Regionalrat weitergeleitet werden muss. Nur letzterer ist gemäß Art. 103 Statut befugt, dem Parlament einen Reformvorschlag al "Motion" zu unterbreiten. Mit anderen Worten: ohne Zustimmung der Trentiner, also ohne Konsens der Mehrheiten der beiden Provinzen geht gar nichts.
Ein gemeinsamer Konvent macht aber wenig Sinn, weil viele Bestimmungen nur für Südtirol gelten. So z.B. ändert der Verfassungsgesetzentwurf von Zeller/Berger zur Vollautonomie vor allem diese Teile ab. Zudem verstehen sich das Trentino und Südtirol immer mehr als eigene autonome Gemeinschaften, die den aus verfassungsrechtlichen Gründen nötigen Überbau (die Region) nolens volens aufrechterhalten müssen. Zur Zeit ist noch völli goffen, ob die Provinz Trient auch einen Konvent organisieren will. Unabhängig davon müssen auf jeden Fall die beiden Reformvorschläge der Landtage in Bozen und Trient im Regionalrat zusammengeführt werden.
Leider sind wir in mehrfacher Hinsicht fern von jeder echten Statutshoheit (=selbst als lokale Gemeinschaft die Grundregeln unseres Zusammenlebens festlegen zu dürfen): als Bürger, als Südtiroler Landtag, auch als Region, denn schließlich steht es dem Parlament frei, jeden Vorschlag zur Autonomiereform einfach zu archivieren.