Culture | Salto Afternoon

Luxemburger Kunstspioninnen

Die Kuratorinnen Sandra Schwender und Stilbé Schroeder sind im Casino – Forum d’art contemporain in Luxemburg tätig. Ein Interview im Doppelpack.
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Foto: Quelle: KE

Salto.bz: Wonach suchen Sie in Südtirol?
Eingeladen wurden wir im Rahmen des Pilotprojektes Curator's page mit dem Ziel Südtiroler Künstler und Künstlerinnen zu treffen und Texte über die Künstler und Ihre Arbeit zu verfassen. Aus einer Liste wurden sechs Künstler zurückbehalten. Generell ist es spannend sich in anderen Regionen zu bewegen und neue kulturelle Kontexte zu erfassen. Mit Südtirol fühlt es sich momentan so an, als würde uns – durch einerseits Parallelen doch auch andererseits Unterschiede – ein interessanter und stimulierender Spiegel vorgehalten werden.

Luxemburg ist ein drei- oder auch mehrsprachiges Land. Wie beeinflusst diese Tatsache die zeitgenössische Kunst?
Mehrsprachigkeit macht Grenzen auf. Es gibt die Großregion (Frankreich > Mosel und Lothiringen // Deutschland > Saarland // Belgien > luxemburgische Provinz Belgiens). Dadurch ergibt sich eine weitgreifende internationale Vernetzungen – stark auch durch die Residenzprogramme stimuliert. Zudem gibt es viele Ausstellungen internationaler Künstler.

Legitimiert der Künstler sein Dasein doch nicht stärker in und durch die Vernetzung über die Grenzen und aus der eigene Komfortzone hinaus?

Wie wirkt sich der luxemburgische Reichtum auf die Kunst aus? Wieviel Idealismus ist erforderlich nicht dem Kapital zu verfallen und als Auftragskünstler zu enden?
Der Reichtum entspringt klar dem Finanzwesen und scheint nicht unbedingt auf das Kulturschaffen so übertragbar zu sein. Es handelt sich bei Ihrer Frage um eine sozio-kulturell-politisch komplexe Fragestellung; welcher wir uns nicht wirklich gewachsen fühlen.

Welchen Wert hat zeitgenössische Kunst im staatlichen Konstrukt Luxemburgs? 
Keine tiefgründige aufgearbeitet luxemburgische Kunstgeschichte, also sozusagen kein Archiv der angewandten Kunst in Luxemburg, weder von gestern noch von heute. In Sachen zeitgenössischen Praxen bietet das sogenannte ARTLX unter Casino's Initiative Zugriff zu einer Auswahl (non exhaustif) von sozusagen Portfolio Boxen aktiv schaffender Künstler. Diese werden in Zusammenarbeit mit dem Künstler gefüllt; letzterer macht die Auswahl von den Dokumenten die in diese Box kommen. Diese stehen frei zur Verfügung in Casino's Infolab (Bibliothek).

In welchem Maße werden zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler vom Staat finanziert?
Das Kulturministerium und Focuna (Fond Culturel National, so etwas wie ein Art Council) bieten Ausschreibungen für internationale Künsterresidenzen (Paris, Wien, Berlin, Montréal), auch eine offene Ausschreibung für die Venedig-Biennale.

Das „Casino Luxembourg" war lange Zeit die erste und einzige Einrichtung für zeitgenössische Kunst im Land. Wie beeinflusst das „Mudam" die Aufgaben und Arbeiten des Casinos ?
Wie in anderen Hauptstädten existieren auch in Luxemburg das Casino als Kunstforum und das Mudam als Museum komplementär. Das Mudam verfolgt als Museum und kulturelles (politisches) Vorzeigeschild ein Programm von national und international etablierten Künstlern und hat die Verantwortung eine Sammlung zu führen. Das Casino hat sich seit der Entstehung des Mudams stärker der jungen nationalen und internationalen Kunstszene zugewendet und bietet eine experimentierlustigere Plattform.

Mit welchen speziellen Problemen und Vorurteilen haben Kuratoren und Kuratorinnen in Luxemburg zu kämpfen?
Es gibt keine Kuratorenvereinigung, den freischaffenden Kuratorenstatus gibt es als solches nicht. Kulturschaffende, etwa Redakteure, Künstler oder anders kreativ tätige Geister können projektgebundene kuratorische Arbeit leisten. Zwischen etablierten Häusern wie Mudam und Casino, einer Handvoll Galerien und einer Pépinière –sozusagen Sprungbrett für junge Künstler – gibt es aktuell nur wenig Raum für junior curators.

Müssen lokale Hauptinstitutionen volle Verantwortung für das Künstlerdasein einer gesamten lokalen Kunstszene tragen?

Im Mudam gab es eine hitzige Diskussion ob lokale Künstler ausreichend repräsentiert werden und ob nur bekannte internationale Künstler die Besucher anlocken. Eine ähnliche Diskussion gibt es beim Museion in Bozen. Wie wird das im Casino gehandhabt?
Sollen Herkunftsquoten ausschlaggebend sein? Haben nicht nationale relevante Künstlerpositionen den gleichen Stellenwert als internationale Künstlerpositionen? Müssen lokale Hauptinstitutionen volle Verantwortung für das Künstlerdasein einer gesamten lokalen Kunstszene tragen? Legitimiert der Künstler sein Dasein doch nicht stärker in und durch die Vernetzung über die Grenzen und aus der eigene Komfortzone hinaus?

Sie sprechen Letzebuergesch, also die luxemburgische Sprache, Amtssprache der EU, aber auch Minderheitensprachen. Wie zeitgenössisch und wie verbreitet ist die Sprache in Luxemburgs Kunstwelt?
Die luxemburgische Sprache ist alltäglich präsent. Eigentlich stellt sich die Frage nicht wirklich. Es wird die Sprache geredet die gerade im Kontext angebracht ist.

Hat der Goldene Löwe die Kunstwelt in Luxemburg nachhaltig beeinflusst? Und der neue Pavillon?
Der Goldene Löwe hat ohne Zweifel Su-Mei Tse's Karriere international durch starten lassen. Einige Jahre später hat Sie die Villa Medicis bekommen und Ihre Projekte reichen heute bis nach Asien. Im Mudam hatte sie kürzlich Ihre größte Einzelausstellung. Seitdem kann man schon behaupten, dass Luxemburg's Pavillon in der Ca' del Duca auf dem It People's Radar war. Der neue Pavilion muss sich jetzt erst mal beweisen.