Society | Ohne Lobby

LOLLY = Leider Ohne Lobby

Corona hat zugeschlagen. Wir wehren uns und versuchen zu überleben. Jeder auf seine Art.
Wir merken, wie Egoismus und Lobbytum sich behaupten.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Boot im Wasser
Foto: Pixabay

Typisch würde ich sagen. Typisch für ein Land mit einer Partei und der Presse in einer Hand. Die Krise haben wir alle gespürt und erlebt, jeder auf seine Art, mit viel und weniger Schaden.

Das Gejammer ist schon losgegangen, bevor die ersten Toten beerdigt waren. "Sein eh lai Olte, dei in System zur Loscht folln". So hat man es gehört aus bestimmten Kreisen. Hingegen war der wirtschaftliche  Schaden groß und fast alle Betriebe beim Aufhausen. Speziell im Tourismus, wo eigentlich ein guter Reservesockel da sein müsste,  mit mehr als zehn Super-Saisonen in den vergangenen Jahren. Aber man muss die Tourismusleute auch verstehen. Die investieren jedes Jahr, bauen ganze Feriendörfer um ihr Hotel und stecken dann natürlich schnell in der Krise. Da hat es mancher Kleinbetrieb viel leichter. Um den ist ja nicht schade, wenn er zusperrt. Sogar aus dem Passeiertal hat man scharfe Töne gehört, von wo man sonst das ganze Jahr nichts hört, nur Superlativen, von der privaten Darmspiegelung bis zum Festmenü.

Corona hat gezeigt, was jeder wusste, der mit Wahlkampf und ähnlichem zu tun hat. Arbeitgeber haben alle eine Lobby, Arbeitnehmer leider keine. Das Krankenhauspersonal, die Pflegekräfte in den Altersheimen, Behindertenbetreuer und viele mehr von dieser Kategorie, befanden sich im Epizentrum von Corona und haben Übermenschliches geleistet. Und dies ohne Dekret und Eigenerklärung, rein aus dem Pflichtbewusstsein heraus. Sie hätten nur  rechtzeitig Schutzkleidung und Masken gebraucht. Ihre überbezahlten Manager waren nicht mal imstande, dies zu garantieren. Sie haben die eigene Gesundheit riskieren müssen, weil die Sanitätsverwaltung kläglich versagt hat.

Andere öffentlichen Einrichtungen waren schlauer. Die haben sofort die Türen verschlossen und telefonische Vormerkung verlangt. Wäre das im Krankenhaus nicht auch besser gewesen. Telefonzentrale: Notoperation, drücken sie die Eins, Corona-Infiziert, drücken sie die Zwei, Schlaganfall, drücken sie die Drei. Für alle anderen Fälle bleiben Sie am Apparat. Wäre doch einfacher gewesen, als Hunderte von Patienten in den Intensivstationen zu versorgen.

Und nun haben die Gewerkschaften ein Problem. Der Betrieb in den Krankenhäusern hat sich wieder "normalisiert" und eventuelle Gehaltsaufbesserungen sind vom Winde verweht. Die Millionen Euro haben andere Destinationen und Adressaten. Wie so oft im täglichen Leben.

Und noch jemand fällt mir ein, der nackt im Hemdchen dasteht, nämlich Kinder, erziehende Eltern und Altersheimbewohner. Keine Lobby, leider. Jugendanwältin, Sozialverbände, Familienverband, Schulamt, zu schwach bis  nicht anwesend. Sommerbetreuung abgesagt, Software für Fernunterricht, mangelhaft bis unbrauchbar. Bewohner von Altersheimen gnadenlos isoliert, Angehörige vor den Kopf gestoßen. Die Handelskammer nicht zustängig für Soziales. 

Nur am Sonntag bei den Franziskanern, da ist Platz für Barmherzigkeit. Fußball darf gespielt werden, Ramadam in Bozen auch, wir müssten eine Gemeindegebühr für Altersheimbesuche einführen, dann würden die Tore endlich geöffnet.

"Nein liebe Sozial-Akteure, fangt mir ja nicht an, auch noch zu jammern, mir reichen schon die Verbände!" So unser Landeshauptmann, mit Mundschutz. Aber Gratistest für Touristen, Landesgesetz für 10 Tage Wirtschaftsvorteil, das schon. Das muss sein, weil sonst riskiert er seinen Job. Nun ich habe heute gelesen, die Regierung Conte existiert nur mehr auf dem Papier. Also auch die in Südtirol bald "vogelfrei". Danke Corona, du sorgst wenigstens für ein bisschen Gerechtigkeit. Wir werden diesmal unsere Kreuzchen bewusster setzen.

Sebastian Felderer sollte Lechner danken, er hat das nicht im Artikel erwähnt: Südtirols Unternehmer & Finanziers sind vermutlich auch Gäste in den Steueroasen, es gibt auch Witze von Hoteliers mit Taschen voller Schwarzgeld in Schweizer Banken! Die Coronakrise hat zudem ans Licht gebracht, dass sich so manche Südtiroler Betriebe z.B. nach China vermehrt haben. Pech für die hinten gebliebenen...?

Mon, 06/01/2020 - 11:51 Permalink

Georg Lechners Ergänzung empfinde ich persönlich als überaus hilfreich, lieber Sebastian. Vielleicht magst Du da noch einmal ein wenig wohlwollender darauf eingehen? Ansonsten stimme ich Dir in Deinem Text ein weiten Teilen absolut zu!

Tue, 06/02/2020 - 22:15 Permalink

Ich danke der Redaktion von salto für die Ehre.
Ein Wort zu Georg Lechner und Harry Dierstein. Mit vierzig Jahren Bankerfahrung sind mir viele Hintergründe unserer Wirtschaft klar und ich meide meistens, sie auszuführen. Schwarzgeld und Briefkastenfirmen sind eine Realität, aber Otto Normalverbraucher bekommt da wenig mit. Die Gefahr für unsere Landesregierung lässt sich viel einfacher erklären. Der Druck aus der Wirtschaft auf die Politik ist in Südtirol stark gebündelt, konzentriert und punktgenau ausgeführt. Mir ging es mehr um die Darstellung der Lollys, also der Schichten ohne Lobby. Und danke für die sechs Herzen. Das tut gut.

Wed, 06/03/2020 - 05:07 Permalink