The Dead Don´t Die
2013 erschien „Only Loves Left Alive“. Die stylische Vampirgeschichte mit Tilda Swinton und Tom Hiddleston in den Hauptrollen begeisterte Kritiker wie Fans gleichermaßen und brachte einen überraschenden neuen Blickwinkel auf die bleichen Blutsauger. Eine ähnliches Vorhaben stellt nun der in Cannes uraufgeführte „The Dead Don´t Die“ dar. Wie der Titel bereits vermuten lässt, greift Jarmusch in eine andere, beliebte Horrorschublade und holt die Untoten daraus hervor. Man kennt es: Wie sie nachts aus den Gräbern brechen, langsam oder schneller schlurfend über den Friedhof und durch die Straßen ziehen und ihre Zähne im Fleisch ahnungsloser Opfer versenken.
...das Schicksal von Tilda Swintons Figur ist derart absurd und an den Haaren herbeigezogen, dass es beinahe wieder lustig ist...
Der Schauplatz zahlreicher Zombie-Filme ist die typische amerikanische Kleinstadt. Sie wird zur Bühne des Schreckens. Doch schon von Beginn an, seit den Anfängen des Genres mit den Werken von etwa George A. Romero waren die Untoten vor allem ein Spiegel der Gesellschaft und Werkzeug zur bissigen Gesellschaftskritik. So auch bei Jarmusch. Auch er nutzt eine Kleinstadt als Handlungsort. Die dortige Polizeistation gähnt vor Langeweile. Bill Murray und Adam Driver sind dort stationiert, die Namen ihrer Figuren sind ebenso egal wie die der anderen Figuren. Denn sie stellen keine Persönlichkeiten, sondern Archetypen dar. Da wäre der konservative, rassistisch angehauchte und unverblümt an Trump-Anhänger angelehnte Grantler (Steve Buscemi), der Nerd (Caleb Landry Jones), der an der Tankstelle jobbt, der mysteriöse Einsiedler (Tom Waits), der gleichzeitig auch die Rolle des Erzählers einnimmt, die Hipster-Jugendlichen aus der Großstadt (Selena Gomez, Austin Butler, Luka Sabbat), die idealistischen Kids und und und... Dazwischen tummeln sich noch Danny Glover und Chloë Sevigny. Ja, der Cast ist Jarmusch-typisch beeindruckend. Und jeder von ihnen macht einen wahrlich guten Job. Von Natur aus hervorstechend wirkt dabei Tilda Swinton als exzentrische Totengräberin mit Vorlieben für Buddha und Katanas. Die braucht sie auch, schließlich bricht die Zombie-Apokalypse aus.
Bis es jedoch so weit ist, lässt sich der Film Zeit. Viel Zeit. Erst nach etwa 40 Minuten sehen wir zum ersten Mal die vermoderte Haut eines Untoten. Bis dahin wird viel geredet, herumgefahren, Kaffee getrunken (es ist ein Jarmusch, nicht vergessen) und Andeutungen auf das bevorstehende Massaker gestreut. In der kleinen Stadt mit dem klangvollen Namen Centerville kann man nämlich keine zwei Schritte laufen, ohne über popkulturelle Referenzen zu stolpern. Von Horrorfilmen, die Jarmusch bewundert, über Musik (Iggy Pop ist als Zombie dabei) bis hin zum eigenen filmischen Werk wird alles zitiert was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Und auch seine Rolle als Satire und Gesellschaftskritik will der Film mit großer Sorgfalt ausfüllen. Nicht nur Trump und seine rassistische Politik wird persifliert, etwa wenn Adam Driver verkündet, dass Mexiko sein Lieblingsland sei, auch der Kapitalismus im Allgemeinen wird scharf kritisiert. Dass das Materielle die Menschen kontrolliert und selbst zu Zombies des Konsums verkommen lässt, mag zwar stimmen, ist im Genre der Zombiefilme jedoch ein uralter Hut. Bereits Romeros „The Night Of The Living Dead“ arbeitete mit dieser Botschaft. Damals, in den 1960er Jahren war dies noch neu, heute sorgen solche plumpen Aussagen für lautes Gähnen. Schade, da der Ansatz der richtige wäre. Doch Jarmusch macht nichts daraus. Während „Only Lovers Left Alive“ noch wunderbar ironisch und augenzwinkernd cool mit dem ebenfalls ausgelutschten Vampiren umzugehen wusste, ist dieser neue Film des Regisseurs eine lahme Achterbahnfahrt, die man schon zu oft gefahren ist. Viele der Gags zünden nicht und werden bis zum Erbrechen wiederholt (Stichwort Titellied). Nur manchmal dringt der für Jarmusch typische Humor durch, etwa wenn der von Adam Driver verkörperte Polizist mit einem roten Smart-Cabrio durch die Gegend fährt. Wenn die Zombies dann mal erscheinen, serviert der Film die üblichen Konventionen des Genres und überrascht an keiner Stelle. Ab und an versucht das Drehbuch, die Kämpfe gegen die Untoten mit pfiffigen Dialogen zu überbrücken. Das funktioniert nur bedingt unterhaltsam und gerät an manchen Stellen zum zwar schrägen aber unpassend wirkenden Durchbrechen der vierten Wand, etwa wenn sich die Figuren bewusst werden, dass sie in einem Jim-Jarmusch Film sind.
Am Ende verläuft alles so wie erwartet, auch damit kokettiert der Film. Nur eine Überraschung leistet er sich, das Schicksal von Tilda Swintons Figur ist derart absurd und an den Haaren herbeigezogen, dass es beinahe wieder lustig ist und eine Hintertür für die Fortsetzung mitsamt einem eventuellen abermaligen Genrewechsel offenhält.
So enttäuscht Jarmusch mit seinem neuesten Streich. Ob ihm so langsam die Ideen ausgehen, ist fraglich. Doch sind es die Geschichten über die stillen, schrägen Einzelgänger, die ihn ausmachen. Nicht das systematische Köpfen blutgieriger Untoter.