Environment | Europahütte

Sein letztes Schutzhüttenprojekt?

Der Berg trennt, der Berg verbindet: Vor Kurzem haben auf 2.700 Metern Meereshöhe die Arbeiten für den Neubau der Europahütte begonnen. Peter Trenkwalder, Präsident der Stiftung Europahütte, nimmt uns mit in eine Welt, die von Extremen geprägt ist.
Peter Trenkwalder
Foto: Privat
  • Vor Kurzem haben die Sanierungs- und Bauarbeiten an der Europahütte begonnen, die auf 2.693 Metern Höhe zwischen dem Südtiroler Pfitschertal und dem Tiroler Vennertal thront. Seit ihrer Errichtung im Jahr 1899 spiegelt sie die wechselvolle Geschichte der Region wider – Krieg, Teilung, Wiederaufbau – und steht heute als Beispiel für gelungene grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Infolge der Abspaltung Südtirols wurden zwei Drittel der Hütte Italien zugeschlagen, ein Drittel verblieb auf österreichischem Staatsgebiet. Die Grenze zwischen Italien und Österreich verläuft dabei mitten durch den Gastsaal.

  • Projekt Europahütte: Der italienische Teil der Hütte befand sich bis zum Ankauf durch die Landesregierung im Besitz der CAI-Sektion Sterzing. Der österreichische Teil gehört der Sektion Landshut des Deutschen Alpenvereins (DAV). Foto: SALTO

    Eine Sanierung bzw. ein Neubau in dieser Höhenlage stellt bereits eine enorme Herausforderung dar – umso mehr, wenn mehrere Beteiligte involviert sind: Der italienische Teil der Hütte befand sich bis zum Ankauf durch die Landesregierung im Besitz der CAI-Sektion Sterzing. Der österreichische Teil gehört der Sektion Landshut des Deutschen Alpenvereins (DAV). Um alle Interessen zu bündeln, wurde im Jahr 2022 von den Ländern Südtirol und Tirol sowie der DAV-Sektion Landshut die Stiftung Europahütte ins Leben gerufen. Ziel ist ein behutsamer, moderner Neubau der Hütte und ihre Führung im europäischen Geist. Dem fünfköpfigen Stiftungsrat gehören auf Südtiroler Seite AVS-Referatsleiter Martin Knapp sowie Peter Trenkwalder an, der von der CAI-Sektion Sterzing entsandt wurde. Bei der konstituierenden Sitzung wurde Trenkwalder zum Präsidenten, Georg Grösch von der DAV-Sektion Landshut zum Vizepräsidenten gewählt.

    Im Gespräch mit SALTO spricht Trenkwalder, der über sich selbst sagt, er sei Unternehmer und kein „Unterlasser“ über die Herausforderungen, die Vision – und darüber, was die Europahütte über Landesgrenzen hinweg verbinden soll.

  • SALTO: Herr Trenkwalder, sind Sie ein Macher-Typ?

    Peter Trenkwalder: Die Gesellschaft braucht „Anschieber“, Menschen, die Dinge in Bewegung setzen. Die Europahütte ist dafür das Paradebeispiel: verschiedene Kulturen und Sprachen, die Last einer Geschichte voller Teilung und Trennung.

    Wie ist es Ihnen gelungen, die unterschiedlichen Interessensgruppen an einen Tisch zu bringen?

    Manchmal reichte einfach meine Präsenz. Manchmal wurde ich gar nicht gebraucht. Und manchmal hat ein gutes Gespräch den Unterschied gemacht.

  • Zur Person

    Peter Trenkwalder ist gelernter Spengler und Geschäftsführer des Unternehmens Trenkwalder & Partner in Pfitsch. Der Betrieb hat sich auf außergewöhnliche Bauprojekte spezialisiert – etwa die Restaurierung des auf über 3.000 Metern Höhe gelegenen Becherhauses in Ridnaun. Darüber hinaus gründete Trenkwalder die Filmvergnuegen GmbH, eine eigene Filmproduktionsfirma, und produzierte erfolgreiche Kinofilme wie Hexe Lilli rettet Weihnachten. Zudem ist er ein gefragter Referent zu Themen wie Leadership und dem Umgang mit Herausforderungen.

  • Wie genau lief das ab?

    Online, aber auch in persönlichen Gesprächen, bei gemeinsamen Besichtigungen, in hitzigen Auseinandersetzungen – und dann wieder in konstruktiven Gesprächen. So sind wir gemeinsam gewachsen. Es geht immer ums Zuhören. Reden – nicht schreiben! E-Mails schreibt heute jeder. Das ist pures Gift für zwischenmenschliche Kommunikation. Wissen Sie, was an der Europahütte das Beste ist?

    Was?

    Es ist keine Hütte! Der fertige Bau ist nur das Ergebnis. Das eigentlich Geniale ist: Wir haben es geschafft – auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt – zwei Kulturen, zwei Sprachen am sprichwörtlichen „Arsch der Welt“, im eiskalten, windigen Pfitscher Hochtal, für ein gemeinsames Projekt zu begeistern.

    Gibt es tatsächlich so große Unterschiede zwischen österreichischer, deutscher und italienischer Mentalität?

    Gegenfrage: Wie viele Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Pfitschern und Ridnaunern? Und das sind zwei Täler, keine 50 Kilometer voneinander entfernt.

    Gar keine?

    Eben! Aber das ist kein Nachteil. Ich sehe darin einen unglaublichen Reichtum und eine Chance, gemeinsam zu wachsen. Das alles zu managen, war eine coole Erfahrung. Auf der Europahütte mit dem italienischen Architekten zusammenzuarbeiten, zwang den Südtiroler Techniker dazu, Italienisch zu sprechen – einfach, weil es zur Normalität geworden ist, zweisprachig zu kommunizieren. Die Deutschen saßen daneben und fragten ständig: „Was hat er jetzt gesagt?“ Da muss man dann erst mal beruhigen und erklären, dass alles gut ist.

  • Gab es auch Misstrauen?

    Am Anfang schon. Natürlich – wenn man die Geschichte kennt, ist das nur verständlich. Dieses Wissen muss man mitbringen, wenn man sich erstmals an den Tisch setzt. Es ist ein Ringen. Mein Ansatz lautet: Verantwortung übernehmen, Feuer entfachen, Frieden stiften, erklären, kommunizieren. Wenn jemand diese gottgegebene Fähigkeit besitzt, soll er sie einsetzen.

    Und dieses Feuer haben Sie bei der Europahütte entfacht?

    Ich habe lediglich meine Vision erklärt. Es macht keinen Sinn, Lebenszeit mit unnötigem Streit zu verschwenden. Ich halte gelegentlich Vorträge über Leadership – und bin dann oft extrem nervös. Einmal sollte ich vor 1.200 Unternehmern sprechen …

    Ihr zweites Standbein?

    Nein. Ich verlange dafür kein Geld. Ich möchte unabhängig bleiben – auch von Zensur.

    Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis?

    Das spannendste Erlebnis war, als unmittelbar vor meinem Vortrag die gesamte Technik ausfiel. Ich stand allein auf der Bühne. Kein Mikro, keine Präsentation – nichts. Ich musste improvisieren. Ich zog meine Jacke aus, ging langsam auf und ab. Im Saal herrschte absolute Stille. Ich sagte zwei Minuten lang kein Wort. Dann sprach ich einen einzigen Satz:

    Welchen?

    Immer wenn Sie glauben, alles funktioniert, geht das Licht aus.

    Dann lief die Technik wieder – und ich hatte die Aufmerksamkeit aller. Stille ist eine mächtige Waffe. Meine Vorträge leben von solchen Momenten. Und ich habe das Glück, meine Geschichte mit starken Bildern erzählen zu können.

     

    „Immer wenn Sie glauben, alles funktioniert, geht das Licht aus.“

     

     

    Wie haben Sie Ihren Weg gefunden? Spengler gibt es viele – was Sie tun, Dächer auf über 3.000 Meter Seehöhe zu bauen, ist außergewöhnlich.

    Ich habe die Spenglerlehre im Betrieb meines Vaters gemacht – nachdem ich von der Oberschule geflogen bin.

    Warum das?

    Ich hatte damals nur Klettern im Kopf. Ich schwänzte oft die Schule – irgendwann war Schluss. Ich bin kein begnadeter Spengler, ganz im Gegenteil: Meine Mitarbeiter bitten mich, die Hände von der Arbeit zu lassen. Aber ich habe das Wesentliche verstanden – ich bin kreativ, ich kann Visionen umsetzen. 

  • Bauarbeiten unter Extrembedingungen: Die alten Mauern werden abgerissen und an ihrer Stelle die neue Hütte errichtet. Foto: Peter Trenkwalder
  • Was macht diesen Beruf aus?

    Wir sind eine große Community, weltweit vernetzt. Frankreich, Australien, Russland – überall gibt es Spengler. Wir teilen einen Pioniergeist, weil wir Probleme lösen müssen, die es vorher noch nie gab. Bei der Europahütte ging es darum, den Dialog zwischen germanischem und romanischem Kulturkreis zu ermöglichen. Das ist meine Aufgabe. Das Projekt ist ein Leuchtturm. Jetzt müssen wir den Turm nur noch errichten und das Feuer entfachen. Für mich ist die Europahütte kein Bauwerk – sie ist ein Lebensziel. Ich will meine ganze Erfahrung dort hineinstecken.

    Ein zentraler Lebensinhalt? Noch wichtiger als Ihre Filmprojekte?

    Film ist ein Business – damit verändert man nichts.

    Mauern bleiben?

    Gotische Kathedralen stehen heute noch. Das Becherhaus steht seit über 250 Jahren. Und auch die Europa-Hütte wird in 300 Jahren noch stehen.

     

     

    „Die Europa-Hütte wird in 300 Jahren noch stehen.“

     

    Eine geniale Idee für einen Film?

    Es entsteht eine großartige Geschichte – es geht nicht um die acht Millionen Euro Baukosten. Es geht um Grenzkultur, um ein Tal, das kaum jemand kennt. Die Menschen hier haben gelernt, ständig zu streiten – viele Projekte sind daran gescheitert. Inzwischen ist das ein Segen: Die Region bleibt unberührt.

    Sie sind selbst Pfitscher?

    Ich bin der westlichste Pfitscher – und ich liebe dieses Tal. Die Pfitscher selbst sind unauffällig, gleichzeitig hochintelligent und sehr streitlustig. Diese Kombination hat es in sich. Wenn man jeden mitreden lassen würde, würde am Ende nur ein Wasserkraftwerk gebaut. Als wir das Projekt den Bürgern vorstellen sollten, hatten wir alle einen Heidenrespekt. Ich habe sie gewarnt: Wenn wir einen Fehler machen, sind wir erledigt. 

  • Sie sprachen über Leadership. Was macht eine gute Führungskraft aus?

    Man braucht die richtigen Leute. Es ist ein Irrglaube, dass alle gleich sind. Man muss die Schwächen seines Teams kennen, um im richtigen Moment einzugreifen. Man muss sich riechen können, einander lesen können. Man muss wissen, wer in welcher Situation nervös wird. Das ist nicht nur Aufgabe, das ist Berufung.

    Heute fehlt uns die Fähigkeit zuzuhören. Es ist wie bei einem Schiff auf Expedition: Jeder hat seine Aufgabe. Jeder ist wichtig. Aber wenn vor dem Start demokratisch abgestimmt wird, wer steuert, dann fährt das Schiff nie los. Wenn der Koch mitbestimmen darf, wann das Schiff ablegt, fährt es nie. Es gibt Momente – nicht in der Politik, aber bei Projekten – da sind demokratische Prozesse nicht zielführend. Eine Schutzhütte ist wie ein Schiff: abgeschieden, autark, auf sich gestellt. Da muss man funktionieren – als Team. Wer den Unterschied zwischen „Mitmachen“ und „Wirken“ verstanden hat, hat den Sinn seiner Existenz begriffen. Und wie großartig ist es, an einem Projekt mitzuwirken, das nur alle 200 Jahre realisiert wird?

     

    „Wenn der Koch mitbestimmen darf, wann das Schiff ablegt, fährt es nie.“

     

    Der Wunsch nach ewigem Ruhm?

    Nicht wegen irgendetwas Sinnlosem – sondern wegen etwas Unvergänglichem. Ich will eine Spur hinterlassen. Heute habe ich den Mut, Nein zu sagen. Ich entscheide selbst, welches Projekt ich annehme – und welches nicht. Einer meiner Leitsätze lautet: „Ordnung durch Chaos“.

  • Sind Sie jemand, der im Chaos Ordnung schafft?

    Ja. Wenn man an seine Grenzen stößt, bricht man – oder wächst. Ich sehe meine Aufgabe darin zu erkennen, wo jemand steht. Ob er am Limit ist oder noch ein Stück weiter gehen kann. Die Europahütte war anfangs pures Chaos. Sie ist Teil unserer Entwicklung und wird es immer bleiben. Auf der anderen Seite der Grenze – nur 50 Meter entfernt – schmeckt der Kaffee völlig anders. Niemand kann mir erklären, warum. Es gibt Dinge, die sind einfach anders – und das muss man akzeptieren. Mein Unternehmen hat das Kirchendach in Gries am Brenner saniert – das war anfangs ein Kulturschock. Aber genau das liebe ich: unterschiedliche Arbeitsweisen, unterschiedliche Gesetze. Bei der Europahütte gelten zwei Steuerrechte, zwei Sicherheitsnormen, zwei Gesetzeswerke. Zwei Sprachen, drei Kulturen – meine Aufgabe ist es, in diesem Chaos Ordnung zu schaffen. Ordnung bedeutet immer: Frieden. Und Frieden herzustellen, ist eine wunderbare Aufgabe.

    Ist es Ihnen gelungen, Frieden herzustellen?

    Am vergangenen Donnerstag war so ein Tag, an dem man die Energie am Berg spüren konnte. Bernhard Tschochner, der Vorsitzende der DAV-Sektion Landshut, und ich saßen unterhalb der Hütte und sprachen darüber, dass wir uns nun schon seit vier Jahren mit diesem Projekt beschäftigen. Wenn man dann leibhaftig vor dem Bauwerk steht, die Mitarbeiter beobachtet und ins Tal hinabblickt, dann löst das etwas aus. Nach drei Stunden waren wir uns einig – ohne große Worte. In diesem Moment hat sich einfach viel gelöst.

  • Bernhard Tschochner, Vorsitzender der DAV-Sektion Landshut, und Peter Trenkwalder: Der Moment, in dem vieles gelöst wurde. Foto: Peter Trenkwalder
  • Welche Fragen haben sich konkret geklärt?

    Es gab bis dahin noch viele Unsicherheiten. Man steht ja buchstäblich auf einem Grenzkamm, und es gibt unzählige Variablen. Vieles ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, und das verursacht natürlich Unsicherheit. Es war oft das Gefühl da, dass sich zwei Lager gegenüberstehen: deutsch und italienisch, Südtiroler, CAI, DAV. Dieses Spannungsfeld war spürbar und die letzten Sitzungen waren nicht einfach. Kurz vor Baubeginn ist die Lage meist zum Zerreißen gespannt. Vielleicht war da auch Angst im Spiel. Aber dort oben, am Berg, hat sich das alles aufgelöst. Ich saß neben Bernhard und sagte zu ihm: „Das ist mein letztes Schutzhüttenprojekt.“ Er antwortete: „Meines auch.“ Und dann war klar: Wir wollen das gemeinsam zu Ende bringen – für die Nachwelt, für Landshut, für Südtirol, für Österreich, für das Tal – für das Prinzip Europa. Das war einer dieser magischen Momente, die man nicht erklären kann.

    Vier Jahre Diskussion plötzlich wie weggeblasen?

    Genau. Landshut liegt 150 Kilometer entfernt. Bei so weit entfernten Baustellen entsteht automatisch eine gewisse Distanz. Wenn man sie nicht regelmäßig besucht, baut man keinen Bezug auf. Und diesen braucht es – zum Maurer, zum Hydrauliker, zum Gasthof, in dem man übernachtet. Jetzt wurde dieser Bezug hergestellt – auch für Bernhard. Er hat das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein. Unser gemeinsames Ziel ist: Bernhard soll Ehrenmitglied im italienischen Alpenverein werden, und im Gegenzug erhält ein Vertreter des CAI die Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Alpenverein. Denn wir machen das gemeinsam. Auf der Europahütte soll der europäische Geist sichtbar werden. Wir haben uns deshalb auch darauf geeinigt, nur die Europaflagge zu hissen. Auch wenn es noch eine Baustelle ist – es braucht jetzt schon Symbole, die zeigen, was wir hier tun.

     

    „Wir wollen das gemeinsam zu Ende bringen – für die Nachwelt, für Landshut, für Südtirol, für Österreich, für das Tal – für das Prinzip Europa.“

     

    Ist auch eine Art „Verbrüderung“ geplant? Gerade mit Blick auf den Streit um die historischen Namen der Schutzhütten, bei dem heute angeblich der Bezug zu den Erbauern nicht mehr besteht?

    Kann man Geschichte einfach ignorieren? Ohne die Sektionen des Deutschen Alpenvereins wären viele Schutzhütten nie gebaut worden. Ich glaube, das Problem in Südtirol ist der Wohlstand: Er frisst unsere Gesellschaft innerlich auf und lenkt uns auf Themen, die völlig irrelevant sind.

    In einer Zeit, in der sich Dinge trennen, weil sie getrennt werden wollen, müssen wir wieder verbinden. Dasselbe gilt für die Europahütte, die den Zusatznamen Landshuter Hütte trägt, weil sie von der Landshuter Sektion des Deutschen Alpenvereins erbaut wurde. Sie haben das geschaffen  – weil unsere Vorfahren vielleicht nicht die Mittel oder das Interesse hatten. Südtirol lebt von seiner Geschichte und das müssen wir uns bewusst machen.

    Und wie steht es um den Bezug zu Landshut? Soll er wieder gestärkt werden?

    Unbedingt. Es gibt so viele Verbindungen, von denen wir nichts wissen. Der Neubau der Europahütte ist ein Prozess – und ich wünsche mir, dass alle diesen Weg begleiten. Dann sieht man, was da entsteht, was da wächst: Der Berg führt zusammen. Und das bedeutet: Wir bekommen jetzt regelmäßig Besuch aus Landshut. Seit wir den persönlichen Bezug aufgebaut haben, ist es eine völlig andere Welt. Mein Wunsch ist, dass die Europahütte am Ende unsere Hütte wird – für alle.

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    WerPram Mon, 06/30/2025 - 19:48

    Schön, dass es Menschen gibt, die Grenzen überwinden.

    Mir, einem Neusterzinger mit ladinischen, deutsch- und welschtirolischen sowie slowenischen Wurzeln, ist nicht ganz klar, welche enormen kulturellen Grenzen zwischen Pfitsch und dem Vennertal oder Pfitsch und dem Tuxer Tal liegen sollen. Bei meinen grenzüberschreitenden Touren habe ich kaum welche verspürt.

    Vielleicht hilft es, beim Grenzgänger und -überschreiter Claus Gatterer intellektuellen Trost zu suchen. Sein Beitrag „Alpenvölker – eine heimliche Nation“ mit dem Zusatztitel: „In den Bergtälern der Alpen war die Liebe zu Haus und Hof, war das natürliche Nachbarschaftsgefühl schon immer stärker gewesen als aufgepfropfter nationaler Hader und Staatspatriotismus“ kann da weiterhelfen.

    Ich hoffe, dass sich die Pfitscher:innen intelligent, zurückhaltend und streitlustig genug erweisen, sich nicht den italienischen Staatspatriotismus und ein „Grenzdasein“ aufpropfen zu lassen. Es ist auch interessant, dass die Südtiroler „Techniker“ weltoffen genug sind, Italienisch zu sprechen; der italienische Architekt für ein Projekt, das auch Nordtiroler und bundesdeutsche Projektpartner betrifft, wird hingegen wohl als weltmännisch empfunden, wenn er sich *nicht* in der europäischen Marginalsprache Deutsch unterhält.

    Bei allem Respekt und allen guten Wünschen für den Bau der neuen Europahütte: Eine einschneidende Grenze noch unterwürfiger herbeizufabulieren, geht wohl kaum. Niveauvoll verbrämt, aber beschämend.

    Mon, 06/30/2025 - 19:48 Permalink
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    H. Predazzer Tue, 07/01/2025 - 10:33

    Eine schöne Story, für meinen Geschmach mit etwas zu viel Pathos aufgeladen.
    Ich versuche mir vorzustellen, wie das vor über 100 Jahren war, als die "feinen Herren aus Landhut", die "Boarischen", ankamen und lokale Handwerker und Bauleute mit der Ereichtung beauftragten. Wenn die Leute heute noch so verschieden sind, dann muss es sich damals ja eine praktisch übermenschliche Leistung des Bauleiters gehandelt habe. Keine Online-Besprechungen, nicht mal schnell in 4-5 Stunden über den Brenner fahren oder gar mit dem Hubschrauner auf die Baustelle.
    Ich will die Leistung des Koordinators nicht schmälern, besonders vor der offensichtlichen Schwierigkeit der Kommunikation mit dem italienischen Architekten (hätte mich durchaus interessiert, wer das war).
    Was mich auch interessiert hätte, nach welchen Vorschriften wurde die Hütte nun gebaut, welche Schwierigkeiten gab es dazu?
    Schön ist die Erkenntnis, daß es menschelt, aber ich vermisse den Verweis, die Berücksichtigung der Empathie. Selbstverständlich sagt der Kapitän, wann es wo lang geht, wenn er aber nicht zuhören will oder kann, was den Koch beschäftigt, gibt es nur Brennsuppe oder Zwieback. Auch nicht gut.

    Tue, 07/01/2025 - 10:33 Permalink