Society | Mobilität

„Wollen keine Versuchskaninchen sein“

Die Missstände müssen sofort behoben werden, fordert Alexandra Kienzl, Initiatorin der Petition „Kinder mit Beeinträchtigung haben ein Recht auf Teilhabe und Mobilität!“
Alexandra Kienzl
Foto: Karin Duregger
  • SALTO: Frau Kienzl, warum haben Sie diese Petition gestartet? 

    Alexandra Kienzl: Nachdem die Schule Mitte Juni zu Ende war und damit auch der Transport über die Sommermonate ausgesetzt wurde, hatten wir als betroffene Eltern die Befürchtung, dass die Problematik rund um den Transport von Kindern mit Beeinträchtigung in der Schublade verschwindet und das Thema vergessen wird. Wenn über die Probleme rund um diesen Dienst nicht mehr gesprochen wird, stehen wir im Herbst möglicherweise wieder vor dem gleichen Problem. Wir möchten die Menschen darauf aufmerksam machen, vor welchen Schwierigkeiten wir stehen. 

     

    „Wir haben uns hilflos gefühlt, weil man außer hoffen nicht sehr viel machen konnte.“

     

    Zum Schulende hat sich der Dienst zwar etwas verbessert, sprich es war nicht mehr so katastrophal wie zu Beginn, aber es hat nach wie vor Schwierigkeiten gegeben. Wir haben uns hilflos gefühlt, weil man außer hoffen nicht sehr viel machen konnte. Wir wollten aber zumindest etwas unternehmen und die Landesregierung auffordern, dass sie sich der Sache annimmt. 

  • Wie berichtet wurde Ende April dem Unternehmen „Alpin Bus Service SRL“ aus dem Trentino der Zuschlag für den Fahrdienst für Kinder, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen erteilt. Der Dienstleister hatte in an einer öffentlichen Ausschreibung teilgenommen und ein Angebot von 35 Prozent Abschlag auf den Landespreis eingereicht. In der Folge kam es zu etlichen Problemen bei der Beförderung der Kinder und heftiger Kritik am neuen Fahrdienst.

    In den verschiedenen Stellungnahmen haben die Betroffenen immer wieder Kritik am Dienst des neuen Betreibers „Alpin Bus Service SRL“ geäußert. Wie hat sich die Situation für Sie dargestellt? 

    Am Anfang war es schlicht ein einziges großes Chaos. Die Busse sind teilweise gar nicht gekommen oder zu spät. In meinem Fall kamen sie, obwohl ich sie nicht angefordert hatte. Die Eltern konnten sich nicht mehr darauf verlassen, dass ihr Kind pünktlich in die Schule gebracht wird. Es sind zudem Sicherheitsmängel aufgetreten, so waren teilweise nicht die richtigen Gurte und Schienen für die Sicherung der Rollstühle vorhanden. Die Fahrtrouten wurden zusammengelegt – wodurch der Dienst letztendlich auch günstiger angeboten werden konnte – damit wurde aber gleichzeitig viel Chaos verursacht. Kinder, die früher einzeln transportiert wurden, wurden jetzt zu mehreren gleichzeitig mit einem Fahrzeug an den jeweiligen Bestimmungsort gebracht. Die Fahrtrouten verlaufen kreuz und quer, wodurch sich Zeitverzögerungen ergaben, die Kinder mehr Zeit im Bus verbrachten und zu spät zum Unterricht kamen. Auch das Abholen hat nicht funktioniert, so ist es beispielsweise vorgekommen, dass sich die Fahrer bei den Eltern gemeldet und ihnen mitgeteilt haben, dass das Kind nicht abgeholt werden kann, weil andere Kinder zur selben Zeit irgendwo anders abgeholt werden müssen. Sie mussten Fahrpläne einhalten, die einfach nicht machbar waren. 

  • Fahrdienst für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen: In Südtirol wacht die Abteilung Bildungsförderung darüber, dass der Dienst ordnungsgemäß funktioniert. Foto: Unsplash
  • Die Kritik betrifft insofern auch das zuständige Landesamt, das es bei der Ausschreibung bzw. Vergabe verabsäumt hat, den Sieger des Wettbewerbs daraufhin zu kontrollieren, ob das Angebot, sprich die Fahrpläne, auch umsetzbar sind? 

    Mit der vorherigen Betreiberfirma hatten wir keine Probleme, der Dienst hat super funktioniert. Mitten im Schuljahr wurde dann eine neue Betreiberfirma beauftragt, die offensichtlich nicht damit vertraut war, welche Leistungen sie erbringen muss, und die auch nicht vorbereitet war. Unser Kritikpunkt am Land ist, dass sie eine solche unzumutbare Situation zugelassen haben, das war vollkommen unnötig. Der Dienst hätte auch direkt vergeben werden können – diese Möglichkeit hätte es gegeben. Hier geht es nicht darum, Pakete oder sonstige Gegenstände zu transportieren, sondern Menschen. Man hätte sich nicht darauf verlassen sollen, dass es auf dem Papier gut aussieht und wenig kostet. Man hätte auch viel früher reagieren bzw. die Notbremse ziehen müssen, sobald die ersten Probleme aufgetaucht sind und sich herausgestellt hat, dass die neue Betreiberfirma überfordert ist. 

     

    „Man hätte auch viel früher reagieren bzw. die Notbremse ziehen müssen.“

     

    Wie ist es den Betroffenen dabei ergangen? 

    Einige Eltern sind dazu übergegangen, selbst für den Transport zu sorgen, weil sie das Risiko nicht eingehen wollten, obwohl sie berufstätig sind. Andere haben halt jeden Tag gehofft, dass es schon klappen wird. Man befindet sich in einem Dilemma, weil man einerseits dafür sorgen muss, dass das Kind pünktlich in die Schule kommt und andererseits ja selbst einer geregelten Arbeit nachgeht und nicht jederzeit einspringen kann. Das war einfach eine ungute Situation. 

    Morgen werden Sie die Petition übergeben. Welche Erwartungen haben Sie an Landesrat Achammer ? 

    Wir erwarten uns, dass er sich dahinterklemmt und sich wirklich für unsere Anliegen einsetzt. In einem Monat beginnt wieder die Schule und damit der Fahrdienst. Ich hoffe, dass er sich mit dem Betreiber auseinandersetzt und genauer hinsieht, damit wir im Herbst nicht wieder vor den gleichen Problemen stehen. Und schließlich hoffe ich auch, dass der Betreiber selbst inzwischen weiß, wie er den Dienst organisieren muss, damit er funktioniert. Wir haben kein gutes Gefühl dabei, wenn wir wieder als Versuchskaninchen herhalten müssen.