Economy | Wert des Handwerks

"Die Handwerker sind zu bescheiden"

Meister und Bachelor sind jetzt gleich viel wert. Vorsitzende der Junghandwerker Jasmin Fischnaller erklärt, was das bringt und was sich sonst noch ändern muss.
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Foto: lvh.apa
Salto.bz: Die Landesregierung hat kürzlich beschlossen, den Meisterabschluss im Europäischen Referenzrahmen der Bildungsabschlüsse dem Bachelor gleichzustellen. Was halten Sie davon?
Jasmin Fischnaller: Für uns als Handwerker ist das ein positiver Schritt, um das Berufsbild Handwerk und praktische Berufe aufzuwerten, besonders unter jungen Leuten.
Das war auch das Hauptargument der Landesregierung. Aber ist das wirklich eine Aufwertung gegenüber bisher? Heute macht ja gefühlt jeder einen Bachelorabschluss.
Ein Meistertitel ist auf jeden Fall nicht weniger wert als ein Bachelor. Die praktische Ausbildung und die akademische Ausbildung sind zwei parallele Wege und beide haben ihre Berechtigung. Einsatz und Talent braucht es auf jeden Fall. In der praktischen Ausbildung ist sehr viel Übung nötig, aber sie hat auch einen wirtschaftlich-rechtlichen und theoretisch-fachlichen Teil.

Die praktische Ausbildung ist keine Einbahnstraße

Macht diese neue Einordnung dann wirklich einen Unterschied?
Sie ist wichtig, weil in den Köpfen der Leute falsche Bilder vorherrschen, zum Beispiel, dass eine praktische Ausbildung eine Einbahnstraße ist, wo man sich nicht lebenslang weiterentwickeln kann. Auch die Möglichkeit, nach der Lehre eine Matura zu machen, ist wichtig, um das zu ändern.
Denn die Angst, sich für immer den Weg zu Uni oder Fachhochschule zu versperren war sicher für viele abschreckend bei der Entscheidung für eine praktische Ausbildung. Die Berufsmatura und die neue Einstufung des Meistertitels als Stufe 6 im Referenzrahmen erleichtern es, aufbauende Weiterbildungen zu machen.
Ich selbst habe den Gesellenbrief als Tapeziererin und Raumausstatterin und die Matura, damit steht mir beispielsweise ein Innenarchitekturstudium offen. Diese Flexibilität ist viel wert, wenn man vielleicht nicht genau weiß, was man in 20 Jahren machen möchte.

"Viele haben mich gefragt, ob ich wirklich ins Handwerk will."

Sie haben ja Ihr Studium nach einem Semester abgebrochen, um einer praktischen Ausbildung nachzugehen. Sind Sie damit auf Unverständnis gestoßen?
Ja, viele haben sich gewundert und mich gefragt, ob ich wirklich ins Handwerk will. Insgesamt wird die duale Ausbildung in den letzten Jahren leider immer weniger geschätzt, deshalb kommen zu wenig Leue nach. In der Wirtschaft spüren wir diesen Mangel an Fachkräften jetzt schon.
Woran liegt das?
Das Bild des Handwerkers in den Köpfen der Leuten ist komplett veraltet – man stellt sich einen Heimwerker vor, der an der Werkbank sitzt und sonst nicht viel lönnen muss. 
Oft wird ja den Mittelschülern, die sich in der Schule nicht so leicht tun, automatisch die Ausbildung in der Berufsschule geraten, „weil man da weniger können muss“. Aber das ist total falsch.

"Handwerker treten sehr bescheiden auf"

Ich sehe in meiner Tätigkeit: Im Handwerk beweisen sich die, die neben technischen Fähigkeiten auch sozial kompetent sind, Verantwortung übernehmen können, und so weiter. Inzwischen ist bei uns im Handwerk Innovativität gefragt, man arbeitet mit modernster Technik. Sonst könnten wir auch nicht über die Landesgrenzen hinaus so erfolgreich sein.
Wie könnte man Handwerk sonst noch attraktiver machen?
Wir vom LVH machen auch Schulbesuche, um Interesse für diesen Ausbildungsweg zu wecken. Aber ganz stark kommt das negative Bild auch von den Handwerkern selbst. Sie treten sehr bescheiden auf, statt stolz auf ihr Können zu sein, und diesen Stolz den Kindern zu vermitteln und in die Gesellschaft hinauszutragen.
Dazu gibt es auch eine interessante Studie vom LVH über den Ruf des Handwerks in verschiedenen Bevölkerungsgruppen: Sie zeigt, gerade Handwerker selber schätzen den Status ihres Berufs zu wenig. Das muss sich ändern.

 

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rotaderga

Ich habe schon immer zu Meistern aufgeschaut. Ihre Produkte sind greifbar, handfest und geben Bilder ab.
Bachelors und Doktoren oder Ingenieure wären ohne Gesellen und Meister nur Warmluftbläser.

Fri, 08/31/2018 - 10:49 Permalink

Auch die Häuser und oft auch die Werkhallen der Handwerker präsentieren sich meistens sehr stolz - oft auch protzig. Da können die lohnabhängigen Doktoren meist nicht mithalten. Anders sieht es bei den Steuererklärungen aus!

Fri, 08/31/2018 - 21:59 Permalink

Fragt sich nur wieso diese Entwicklung nur in eine Richtung geht. Wieso darf jemand über 25 nicht mehr eine Lehre beginnen, jeder Handwerksgeselle aber mit 92 noch bei der Matura antreten?

Sat, 09/01/2018 - 15:49 Permalink

Habe ich mich schon lange gefragt. In Deutschland und Oesterreich ist es ohne weiteres mòglich. Ich selbst habe ein laengers Studium abgebrochen und nun keine Moegkichkeit mehr irgendetwas sinnvolles mit mir anzufangen. Habe Herrn Achhammer bezueglich dieser Problematik eine E-Mail geschrieben und er meinte, dass eine Lehre ueber 25 aufgrund eines Staatsgesetzes nicht mehr moegich sei. Dieses Land ist einfach nur zum Kotzen. Mir bleibt nur Auswandern oder Suizid. In Suedtirol bekommt man keinen anstaendigen Job (von dem man auch leben kann) ohne irgendeine Ausbildung.
Ich hoffe das Salto Team spricht diese Problematik irgendwann einmal an!

mfg

Sun, 09/02/2018 - 18:40 Permalink