Politics | Aus dem Blog von Thomas Benedikter

Ein Weltparlament? Von der Utopie zur Aktion

Schon Kant und Nietzsche haben eine Weltregierung für unverzichtbar erachtet, Einstein und die Weltföderalisten haben sie gefordert, doch meist ist diese Forderung nur belächelt worden: die parlamentarische Vertretung der Weltbevölkerung.
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Aktuell bleibt diese Forderung, ist doch die UNO nicht viel mehr als eine Versammlung von Regierungsvertretern, in der Demokraten neben Diktatoren, Höflinge neben Politikern sitzen, losgelöst von jeder direkten politischen Legitimation. In ihrer Unfähigkeit, innere Blockaden zu überwinden, globale Herausforderungen anzugehen und sich selbst zu demokratisieren, macht die UNO zudem oft eine traurige Figur. Nun gibt es eine Bewegung, die diese Forderung mit konkreten Aktionen vorantreibt.

Dass die Vereinten Nationen in ihrer heutigen Form schlecht funktionieren, liegt seit Langem auf der Hand. Weder gelingt es, die Menschenrechte durchzusetzen, noch die Zivilbevölkerung in Bürgerkriegen zu schützen, noch Flüchtlingsströme zu kontrollieren. Ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen und sozialen Problemen: der Welthunger, die Regulierung des globalen Finanzmarkts, die Kontrolle des Waffenhandels, die Verschmutzung der Meere, der Klimawandel. Die Vertretung der Staaten reicht dafür offensichtlich nicht hin, eine globale Vertretung von Menschheitsinteressen gibt es noch nicht. Und auf die internationalen Organisationen vom IWF über die WTO, bis zur Weltbank und G 20 haben die Menschen und Völker keinen Einfluss.

Sind die VN überhaupt legitimiert, für die Weltbevölkerung zu sprechen und zu handeln? Oder sind die VN nicht bloß eine Arena kleiner Staatseliten, die nur die Interessen ihrer Staatsmacht und Wirtschaftslobbys vor Augen haben? Hätten wir nicht schon längst ein weltweites Klimaschutzabkommen (nach Kyoto), wenn die Staatenvertreter im Interesse der Bevölkerung handeln würden?

In einem demokratisch aufgebauten Gemeinwesen können die Bürger auf allen Ebenen ihre Vertreter wählen. In unserem Kontinent geschieht dies ansatzweise bereits auf kontinentaler Ebene. Jede Vertretungs- und Regierungsebene ist für jene Kompetenzen zuständig, die auf dieser Ebene am besten gelöst werden können, so die Idealvorstellung. Auf Weltebene fehlt diese demokratisch gewählte Instanz völlig, die im Interesse der Menschheit und nicht kleiner Machteliten oder einzelner Staaten handelt. Sie könnte über Grenzen hinweg die ethnische, kulturelle, religiöse Vielfalt der Welt repräsentieren.

Ganz neu ist die Forderung wieder nicht, denn schon seit 10 Jahren verlangen Parlamentarier, Prominente und NROs als Vorstufe dazu eine "Parlamentarische Versammlung der Vereinten Nationen". Die Beratende Versammlung des Europarats hat sie am 23.1.2006 verlangt, das Panafrikanische Parlament 2007. Seit April 2007 betreibt ein internationales Netzwerk dieses Anliegen, und im September 2013 gab es in 40 Städten auf fünf Kontinenten Kundgebungen in diesem Sinn. Die Idee der globalen Demokratie stand im Zentrum der ersten globalen Aktionswoche für ein Weltparlament vom 17. bis zum 24. Oktober 2013. Näheres auf www.worldparliamentnow.org

 

Thomas Benedikter

 

Die Vorschläge für eine parlamentarische Versammlung der VN, lieber Oliver, sind bereits weiter gediehen als gemeinhin angenommen. Diese könnte in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden als Gegengewicht zu den Regierungsvertretern, eine Direktwahl ist wohl in der ersten Phase genauso wenig wahrscheinlich wie die Wahl der parlamentarischen Versammlung des Europarats, von der wir in der Öffentlichkeit wenig hören. Vielmehr werden diese Versammlungen von den jeweiligen Parlamenten beschickt, und zwar mit selber Anzahl Abgeordneter pro Land, nicht pro Bevölkerungsgröße. Wäre Letzteres der Fall, dann wären tatsächlich 40% der "Weltparlamentarier" Inder und Chinesen, im Fall von China obendrein von einem autoritären Staat entsandt und nicht gewählt.
Ein Weltparlament mit angemessenen Befugnissen ist zunächst schwer vorstellbar, könnte aber mit ganz anderer Legitimation auftreten als eine Versammlung von 190 Diplomaten. "Je größer die Struktur, desto schlechter die Kontrollregelkreise", schreibst du, doch konzentrierte Machtausübung gibt es heute schon massiv durch gloable Organisationen (z.B. WTO und IWF), die eben viel zu wenig Kontrolle unterworfen sind. Genau hier müsste das parlamentarische Korrektiv greifen.

Thu, 10/31/2013 - 12:13 Permalink

>konzentrierte Machtausübung kann man meines Erachtens am besten dadurch verhindern, dass man massiv Kompetenzen in die Peripherie verlagert. Wenn man keine zentrale Macht zulässt, ist das der beste Schutz vor Machtmissbrauch. Gewisse Praktiken der WTO und des IWF könnte man dadurch auch verhindern. Mir ist es unerklärlich, wie man einem Land vorschreiben kann, was es exportieren bzw. importieren soll. Dieses Thema ist aber zu komplex, um es in seiner Ganzheit hier zu diskutieren.<
Die WTO und der IWF schreiben keinem Land etwas vor das bei Ihnen nicht Mitglied ist, bzw. ein Kredit aufnimmt. Aber die Antwort ist genau das Gegenteil was du anstrebst.
Jetzt weis ich nicht genau was du mit "Peripherie" meinst, aber wenn es sich um subnationale Einheiten handeln sollte wie Südtirol ist das doch ein Irrsinn zu glauben alleine noch irgend eine Linie oder Politik zu führen die sich einer interaionalen Organisation engegestellt.
So haben sich einmal mehrere Entwicklungsländer zusammengetan um einen WTO-Beschluss zu boykottieren und sich durchgesetzt. Wenn wir noch etwas erreichen wollen, ist es nötig dies auf europäischer Ebene zu erreichen, auf die wir noch Einfluß nehmen können.
Mir kommt vor deine Antwort auf die Erfordernisse der Globalisierung ist Kleinstaaterei und Cocooning obwohl es dafür genau das Gegenteil braucht, und zwar über den eigenen Tellerrand hinauszusehen.

Sat, 11/02/2013 - 09:22 Permalink

an der Wirklichkeit vorbei. Selbstverwaltete Einheiten die sich vernetzen um irgendwo auf Internationaler Ebene durchzusetzen? Wenn sich die EU-Mitgliedsstaaten jetzt schon so schwer tut geschlossen nach außen ihre Interessen zu vertreten. (Wie sie es dauernd nicht schafft bei Klimagipfel mit ihren Zielen durchsetzen). Es ist dann wohl schwachsinn zu glauben, dass kleine Regionen auf internationaler Ebene fähig sind sich zu vernetzten und geschlossen aufzutreten. Auch durch falsche Kompetenzzuteilung kommt vieles nicht weiter. Sie dir mal Deutschland und Österreich an wo viele Kompetenzen Ländersache sind, die auf Bundesebene gelöst werden müssen und wo es dann einen Einstimmigen Länderbeschluss braucht und nichts weiter geht. In Österreich und Deutschland reden sie seit Jahre über eine Föderalismusreform die nicht weitergeht weil die Länder diese Kompetenzen nicht abgeben wollen und das System verstockt.
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Ich finde es schon fast belustigend dass du das Friedensprojekt der Europa mit irgendwelchen imperialistischen Dünkel in Verbindung setzt. Die 500-Jährige Vormachtstellung des Westen ist dabei am Ende zu gehen. Der Rest der Welt holt auf und der Bevölkerungsanteil Europas sinkt immer mehr. Ein europäischer Bund wird von nöten sein, damit wir nicht in die Bedeutungslosigkeit versinken.
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Wo ich dir Recht gebe ist, dass die EU viele Dinge überreguliert. Hier haben wir wirklich von den U.S.A zu lernen. Während Europa nach innen hart ist und nach außen weich ist die U.S.A das Gegenteil. Der amerikanische Präsident ist Ausenpolitisch ein Riese und Innenpolitisch ein Zwerg. Senatoren und Abgeordnete werden in Wahlkreisen gewählt die sich innerhalb eines Staates befinden, somit ist eine starke Präsenz regionaler Interessen gegeben. Sogar die Todesstrafe (und das als Extrembeispiel) wird nicht vom Bund, sondern von den einzelnen Bundesstaaten geregelt . . .
. . . also Oliver, sei doch ein bischen weniger kleinkariert und versuch bei EU nicht nur an Bananen und Gurken zu denken. :-)

Sat, 11/02/2013 - 16:05 Permalink
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gorgias

Wenn man es seit Jahrzehnten nicht fertig bringt den Sicherheitsrat zu reformieren, soll jetzt auf einmal ein UN-Parlament aus dem Hut gezaubert werden?
Das ist doch eine Farce, wenn man bedenkt, dass in den meisten Staaten es noch nicht einmal intern mit freien Wahlen richtig funktioniert.
Konzentrieren wir uns lieber auf die EU und auf den Ausbau der Befugnisse des Europaparlaments, auf dem Aufbau eines föderalen und subsidiaren Europa. Aber das würde uns herunterziehen in die Mühsaale der Realpolitik. Lieber romantischen Ideen nachgehen, die sich nicht umsetzen lassen.
Laut Samuel P. Huntington ist der Erfolg internationaler Organisationen umgekehrt proporzional zur kulturellen Heterogenität, was sich auch bewahrheitet hat und für die UNO nach wie vor gilt. Ich empfehle alle die etwas von der UNO halten das Buch:
Die UN-Gang: Über Korruption, Spionage, Antisemitismus, Inkompetenz und islamischen Extremismus in der Zentrale der Vereinten Nationen. Erfahrungen eines Insiders von Pedro A. Sanjuan
zu lesen.
Das beste was wir für eine bessere Welt tun können, ist eine gemeinsame EU-Außenpolitik aufzubauen, die sich nach europäisch säkular-humanistischen Werten richtet und endlich die nationalen Egoismen so weit zurückschrauben, dass so ein Kuhhandel, wie Merkel vor kurzem veranstaltet hat, nicht mehr möglich ist, wo für die Blockade bei den Abgasnormen für Fahrzeuge, Sie den Briten eine Lockerung der Bankenregulierung und Paris Rückendeckung bei der Reform des Emissionshandels angeboten hat. - Und dann heisst es immer die Italiener wären die Schlitzohren!

Thu, 10/31/2013 - 22:20 Permalink

...geht in unserer "europäischen Regierung" wohl deswegen so gut, weil sie eben nur ansatzweise demokratisch ist, wie der Autor schreibt. Damit sind für Pakteleien Tür und Tor geöffnet.
Wie das genau funktioniert, versteht man sehr gut (schon nach ca. 20 Seiten) mit dem Buch von T. Benedikter :
"Più democrazia per l'Europa", vergriffen, manchmal online erhältlich, aber jedenfalls gratis zum herunterladen hier:
http://www.paolomichelotto.it/blog/wp-content/uploads/2011/01/Benedikte…

Europa braucht dringend eine echte Demokratie. Und die müssen WIR eben fordern! Nicht auf die Politiker warten.
Dieses Ziel liegt vermutlich viel näher als ein Weltparlament. Wollen wir es nicht (fast)ALLE?
Dann setzen wir uns eben (fast)ALLE dafür ein! Dann erreichen wir es garantiert- und wir haben jedes Recht dazu.
Wir müssten nur gegen das Unrecht aktiv werden, anstatt es geschehen zu lassen. Und der erste Schritt ist Information.

Mon, 11/04/2013 - 02:31 Permalink

Wie das heut so abgeht hat ARTE unlängst ein bisschen hinterleuchtet in THE BRUSSELS BUSINESS (http://www.youtube.com/watch?v=-5DN7bBb1gU)

An Alternativen wird gearbeitet. OCCUPY, AfD, INDIGNADOS,...

Hab eine fb-Gruppe eingerichtet mit dem Titel FREI MARKT SÜDTIROL um den Aufbau einer landesweiten Zeitbank öffentlich zu diskutieren.

Bei Welt-Regierung denk ich halt verdammt an BILDERBERGER und die GEORGIA MILESTONES.
Und wer da heut noch mit dem Stempel "Verschwörungstheorie" drüber fährt, wird dann halt auch die Verantwortung für die Konsequenzen mit tragen.

Sun, 11/10/2013 - 14:30 Permalink
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In reply to by Ivo Passler

alles macht? Ich hab keine Ahnung, aber wenn sie daran denken, wenn Sie "Weltregierung" hören, dann müssen Sie wohl mehr wissen als ich.
Dass in Brüssel viel Lobbyismus stattfindet ist unstrittig, aber anstatt hier sich einsetzten für mehr Transparenz gehen sie auf Totaloposition. Das Problem aber von solchen Gruppen wie Indignados und Occupy ist, dass sie selbst keine Konzepte haben etwas zu verbessern und durch ihre Wagheit auch nicht weiterkommen.
Und was AfD angeht ist das nichts weiter als eine Gruppe von kleinkarierten reaktionären Spießbürger, die anstatt mehr Demokratie auf EU-Ebene meinen Deutschland ginge es besser wenn es sich isolieren würde. Und wenn man die Kompetenzen wieder auf nationalstaatliche Ebene holt, wird nicht automatisch alles besser, denn es ist eine Frage der Transparenz und die kann man auch in Brüssel herstellen, der einzige Ort wo Europa noch wirklich selbst über seine Zukunft entscheiden kann.

Sun, 11/10/2013 - 16:03 Permalink

Einige kurze Antworten auf die Kommentare zur Idee des Weltparlaments. Zu Recht wirft Gorgias ein, dass die Mehrheit der Staaten noch keine funktionierende Demokratie hat. Das stimmt zwar, was man auf freedomhouse.org überprüfen kann, aber andererseits macht die Demokratie mühsam, aber doch Fortschritte. Damit steigen die Voraussetzungen für erstens eine demokratisch legitimierte Vertretung von Staaten in den VN, zweitens für die Bildung einer parlamentarischen Versammlung der VN (allerdings mit nicht bloß repräsentativen Aufgaben). Ein Weltparlament in der bescheidenen Variante einer parl. Versammlung zusammengesetzt aus Vertretern der nationalen Parlamente ist keine romantische Idee, wie Gorgias meint, sondern eine folgerichtige Weiterentwicklung internationaler demokratischer Strukturen und wird heute schon von wichtigen internationalen Institutionen befürwortet. Parlamentarische Versammlungen funktionieren bereits heute bei einigen kontinentalen Zusammenschlüssen (Afrikanische Union, OAU, Europarat). Im Übrigen schließen sich die Schaffung eines Weltparlaments und die EU-Demokratisierung nicht aus. Im Gegenteil.
Was die Bilderberg-Konferenzen als typische diplomatische Regierungsvertreter- und elder statesman-Treffen mit der Idee eines Weltparlaments zu tun haben sollen, ist mir nicht klar geworden.

Sun, 11/17/2013 - 22:02 Permalink

Mein Vertrauen in das politische Establishment ist ein bisschen erschüttert, zumindest seitdem Monti in Italien und Papademos in GR eingesetzt wurden. Die Verbindungen der Herren zu diversen mächtigen Institutionen lassen sich recherchieren.
Welchen Einfluss konnte ich als Bürger auf diese undemokratische Machtübernahme nehmen?
Zeitgleich schöpfen Menschen weltweit wieder Mut, für Demokratie aufzustehen und einzustehen.

In diesem Sinne OCCUPY DEMOCRACY
http://www.youtube.com/watch?v=GYjXJIUrr3I

Sun, 11/17/2013 - 22:42 Permalink