Chronicle | Justiz

Bocchios Stempel

Die Staatsanwaltschaft und der Rechnungshof ermitteln gegen den Direktor der Claudiana, Guido Bocchio und seine langjährige Stellvertreterin Verena Seyr wegen Betruges.
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Foto: claudiana
Eigentlich sollte der Fall so leise wie möglich abgeschlossen werden. Denn es steht viel auf dem Spiel.
Guido Bocchio, Direktor der Landesfachschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“ soll in den nächsten Wochen von der Landesregierung für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden. So jedenfalls sieht es das politische Drehbuch vor.
Ob es dazu aber kommen wird, hängt auch davon ab, was in den nächsten Wochen an der Bozner Staatsanwaltschaft passieren wird. „Ich möchte derzeit dazu nichts sagen“, bittet der stellvertretende Bozner Staatsanwalt Markus Mayr auf Nachfrage von salto.bz um Verständnis. Die Untersuchungen sind zwar abgeschlossen, die Beschuldigten angehört worden, doch es fehlen noch einige letzte technische Schritte.
Sicher aber ist: Was die Ermittler der Bozner Finanzwache zusammengetragen haben, wirft alles andere als ein gutes Licht auf die Zustände an der Führungsspitze der Claudiana. Und es wirft ernsthaft die Frage auf: Kann man Guido Bocchio als Direktor dieser Hochschule wirklich noch einmal bestätigen?


 

Die Vorwürfe

 
Die Ermittlungen starten im Jahr 2015. Nach einer ganzen Reihe von Landtagsanfragen zur „Claudiana“ und mehreren Eingaben, beginnen die Staatsanwaltschaft am Landesgericht und gleichzeitig auch jene des Rechnungshofes mit Vorermittlungen. Beauftragt wird die Finanzwache Bozen.
 
Von Anfang an gibt es dabei gut eine Handvoll verschiedener Ermittlungsstränge, die sich derzeit in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Eine Ermittlung aber ist mehr oder weniger abgeschlossen. Es geht dabei um Guido Bocchio und seine inzwischen pensionierte Stellvertreterin Verena Plank Seyr.
Der Vorwurf: Bocchio und Seyr haben es systematisch unterlassen an ihrem Arbeitsplatz zu stempeln. Zudem hätte man Arbeitszeiten im Nachhinein im Computersystem der Claudiana richtiggestellt. Die Staatsanwaltschaft ermitteln gegen Bocchio deshalb wegen Betruges und Falschbeurkundung (False attestazioni o certificazioni - Art. 55-quinquies des Gesetzdekretes 165/01). Gegen Seyr sogar wegen erschwerten Betruges.
 

Die Ermittlungen

 
Die Beamten der Finanzwache haben bei ihren Ermittlungen akribische Arbeit geleistet. So haben sie etwa, die Registrierung der Garageneinfahrt der Autos von Bocchio und Seyr mit dem Daten im Stempelsystem der Claudiana abgeglichen. Dabei kamen – vor allem bei Seyr - unerklärbare Unterschiede zu Tage. Im Klartext: Die Vize-Verwaltungsdirektorin war laut Stempelsystem um 8 Uhr bereits bei der Arbeit, fuhr aber erst um 9.30 Uhr in die Dienstgarage beim Krankenhaus ein. 
Erschwerend dazu kommt: Seyr hatte alle Zugangsdaten zum Computersystem für die Arbeitszeiterfassung. Die Ermittlungen haben zweifelsfrei ergeben, dass die langjährige rechte Hand von Bocchio nachträglich Stempeldaten eingefügt und verändert hat.
 Aber auch Guido Bocchio selbst wird sich schwer tun. Auch beim Claudiana-Direktor stimmen die Stempeldaten nicht. Zudem hat Bocchio über weite Zeiträume überhaupt nicht gestempelt. Die Finanzwache hat aber den Arbeitsvertrag des Claudiana-Direktors beschlagnahmt. Laut diesem Vertrag muss Bocchio - wie alle anderen Angestellten - aber stempeln. Dies bestätigte bei einer Anhörung auch die Personalverantwortliche des Südtiroler Sanitätsbetriebes.
 

Die Verteidigung

 
Sowohl Guido Bocchio als auch Verena Plank Seyr haben nach Abschluss der Vorermittlungen von Staatsanwalt Markus Mayr einen Ermittlungsbescheid zugestellt bekommen. Beide wurden von der Gerichtspolizei bzw. dem Staatsanwalt angehört. Guido Bocchio hat über seinen Anwalt gleich zwei Verteidigungsschriftsätze hinterlegt.
 Darin verteidigt sich der Claudiana-Direktor, dass er auch in anderen Strukturen außerhalb des Claudiana-Gebäudes dienstlich zu tun habe. Einen Teil der Vorhaltungen glaubt er so entkräften zu können. Das Problem: Laut Arbeitsbestimmungen müsste Bocchio aber auch dann stempeln. Als „Außendienst“ oder „Dienstgang“. Verena Plank Seyr, die Anfang April 2016 in Pension ging, versucht zu erklären, dass in den beanstandeten Fällen jemand anders mit ihrem Auto in die Tiefgarage gefahren sei.
 
Den Verteidigern ist es zwar gelungen, das Ausmaß der Vorhaltungen der Staatsanwaltschaft etwas zu verringern, doch der Strafbestand ist eindeutig. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird es auch zu einer Anklageerhebung kommen.
Derzeit debattiert man über eine Rückzahlung, mit der Guido Bocchio seine strafrechtliche Position verbessern könnte und einen möglichen Antrag auf Strafzumessung (patteggiamento).
 

Der Rechnungshof

 
Doch nicht nur Markus Mayr ermittelt gegen Bocchio und die Claudiana. Auch die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof hat mehrere Ermittlungen gegen die Landeshochschule eröffnet. Erst im August wurde Staatsanwältin Alessia Di Gregorio zusammen mit mehreren Beamten der Finanzwache in der Claudiana vorstellig. Die Staatsanwältin beschlagnahmte in Bocchios Büro eine umfangreiche Dokumentation.
Dabei geht es nicht nur um den Schaden durch die Stempelaffäre.
Der Rechnungshof geht auch der Tatsache nach, dass Verena Plank Seyr am Ende ihrer Laufbahn fast soviel verdient hat wie Direktor Bocchio. Der Grund, die Verwaltungschefin brachte es auf 32 Gehaltsvorrückungen (scatti). Bedenkt man, dass man alle zwei Jahre eine Vorrückung bekommt, ist das eigentlich eine Unmöglichkeit. Außer man ist 64 Jahre im Dienst.
Was die Ermittler der Bozner Finanzwache zusammengetragen haben,  wirft alles andere als ein gutes Licht auf die Zustände an der Führungsspitze der Claudiana.
Seyr war seit der Gründung der Fachhochschule für die finanzielle und buchhalterische Gebarung der Claudiana, die Verwaltung des Bankkontos, die Bezahlung der Dozenten mittels der Vorbereitung von Honorarnoten, die Verwaltung der Eingangsrechnungen und die Bezahlung der Lieferanten, die Rückvergütung der Spesen von Dozenten und Studenten, die INPS und IRAP Einzahlungen, die Erstellung des Haushaltsvoranschlages und der Abschlussrechnung, das Organisieren der Aufnahmeprüfung, sowie zahlreiche Verwaltungstätigkeiten der Direktion verantwortlich. Seit 2008 hat sie zudem die Funktion der Stellvertreterin der Direktion ausgeübt.
Nach Informationen von salto.bz untersucht der Rechnungshof inzwischen auch den Fall einer anderen Bediensteten. Die Beamtin hat es auf über 800 Überstunden gebracht. Obwohl laut Bestimmungen Claudiana-Mitarbeiter monatlich maximal 20 Überstunden anhäufen dürfen. Die Überstunden wurden der Beamtin anscheinend auch ausbezahlt.
Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.