Culture | KINO

Don’t Look Up

Starbesetzte Weltuntergangsfilme gibt es zuhauf, was also will der amerikanische Filmemacher Adam McKay dem Thema noch hinzufügen? Jede Menge Zeitgeist.
Dont Look Up
Foto: Netflix

Sie sind laut, tosend und wirbelnd, verbrennend heiß oder eisig kalt. Schon unzählige Male wurde dem blauen Planet Erde der Garaus gemacht. Man könnte nach der eingangs gestellten Frage nun nachhaken und erwähnen, dass doch viele Genrevertreter den gewissen Funken Zeitgeist beinhalten, sind nicht selten aktuelle Probleme Auslöser für die dargestellte Apokalypse, man denke nur an die Klimakatastrophe, die sich in Filmen wie The Day After Tomorrow (2004) oder 2012 (2012), beide vom Export-Deutschen Roland Emmerich inszeniert, in bombastischer Form äußert. Weniger fein-geistig sind diese Werke dann jedoch in der Darstellung der zu erwartenden, menschlichen Reaktion auf die Katastrophe. Sicher, es wird geflohen, geschrien und verzweifelt ums Überleben gekämpft, hier und da schickt die Regierung eine sinnlos ins Verderben rennende Armee in den Kampf gegen unsichtbare Aliens. Es gibt glücklicherweise Ausnahmen, und da sei an dieser Stelle vor allem Lars von Triers Melancholia (2011) erwähnt, ein Film, der den Weltuntergang mit der Volkskrankheit Depression verknüpft. Nun aber zu Adam McKay und seinem neuen Film Don´t Look Up. Warum es nötig ist, über das Thema Zeitgeist zu sprechen, wird bei der Sichtung dieses Netflix-Films schnell deutlich. In selbigem entdeckt eine junge Wissenschaftlerin, verkörpert von Jennifer Lawrence, einen Kometen, der geradewegs auf die Erde zusteuert. Sie informiert ihren Professor, Leonardo DiCaprio nämlich, und schon befindet man sich auf dem Weg ins US-amerikanische Oval-Office, denn zu informieren gilt es die Präsidentin, wunderbar grotesk gespielt von Meryl Streep. Und grotesk ist wohl das Adjektiv, welches manche der Handlung des Films geben würden, und man müsste nicken und dem zustimmen, wüsste man es nicht besser, und man müsste diese Einschätzung für reichlich naiv halten. Es reicht ein Blick aus dem Fenster, ein Blick hinaus in die Welt der Corona-Pandemie, dieselbe übrigens, in der auch die bereits erwähnte Klimakrise tobt, und schon entdeckt man erschreckende Parallelen zur Realität. Die einzelnen Aspekte von McKays neuem Werk sind allesamt bekannt. Engagierte Wissenschaftler*innen, die den Mächtigen ihre Erkenntnisse näherzubringen versuchen, dafür aber lediglich Spott, ein beherztes Lächeln und das müde Versprechen, sich beizeiten um die Sache zu kümmern, ernten, Staatsoberhäupter, die sich mehr um den eigenen Wahlkampf als um das Wohl der Bevölkerung scheren, der Glaube und der Unglaube an die Bedrohung, Social Media-Eskapaden von jenen, die an eine Verschwörung glauben, das Ausschlachten des Themas unter scheinbar wohltätigen Absichten, dadurch als Marketingtool für Stars und Sternchen fungierend, und schließlich die Entdeckung von wirtschaftlichem Potential. Der Komet enthält, so wird bald klar, wertvolle Rohstoffe, und so hätte die Wirtschaft durchaus etwas vom Aufprall auf der Erde. Opfer können dafür in Kauf genommen werden. An dieser Stelle tritt ein mild erscheinender, doch innerlich größenwahnsinniger Technologie-Guru Marke Elon Musk auf den Plan. Der Komet soll noch vor dem Aufprall in kleine Teile zersprengt werden, sodass zwar Schaden auf der Erde entsteht, doch ein überschaubarer soll es sein.

Adam McKay verpackt sein Thema gut. Der Komet fliegt knappe zweieinhalb Stunden stur auf den Planeten zu, und dort unten hat man nichts Besseres zu tun, als zu debattieren, zu banalisieren, zu ignorieren. Die Menschheit ist auf dem besten Weg, sich selbst hinzurichten, eine Aussage, die auch außerhalb des Films ihre Gültigkeit behält. Der Weg, das Problem zu bekämpfen, führt im Zweifel über Waffengewalt und Kapitalismus, dem feuchten Traum der USA, doch nicht über die Wissenschaft. Das Ensemble des Films spielt so, wie es das Drehbuch verlangt, immer etwas drüber, doch nicht unrealistisch. Hier und da, und besonders im finalen Akt der Geschichte hätte McKay die doch recht geerdete, weil absurderweise realistische Erzählung noch etwas überspitzen können, auf Kosten des erschreckenden Realismus, doch zugunsten einer Grenzüberschreitung, einem Merkmal der Satire. So bleibt Don´t Look Up trotz seines cleveren Umgangs mit dem Thema erstaunlich zahm. Alle Akteure erfüllen die Rolle, die man ihnen zuschreibt, das gilt auch für den Regisseur McKay, der sich, wie in seinen letzten Filmen, Vice (2018) und The Big Short (2015) als Kommentator gibt, seinen Film essayistisch gestaltet und die Illusion einer filmischen Erzählung nur selten aufrecht erhält. So ist Don´t Look Up als Kommentar zu verstehen, auf unsere heutige Gesellschaft, als Allegorie auf den Klimawandel und die andauernde Pandemie, die im übrigen erst während der Dreharbeiten überhaupt ausgebrochen ist. Wie so oft wurde die scheinbare Fiktion von der Realität eingeholt. Sie kopiert sie, dupliziert sie, und erzählt sie schließlich aus. Die Figuren im Film erhalten das Ende ihrer Geschichte, wir Menschen aus der sogenannten realen Welt müssen noch geduldig ausharren. Doch wer weiß, möglicherweise nicht mehr lange. Wie sang schon Frank Sinatra? The End is near.

 

DON'T LOOK UP | Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence | Official Trailer | Netflix