Chronicle | Italien der Krise und Kopflosigkeit

Mario Draghi und der Telefonhörer

Presidente Napolitano hat gestern einen interessanten Anruf bekommen; vom Präsidenten der EZB Mario Draghi; den angebliche Inhalt kann man in der Zeitung nachlesen. Uns hier aber interessiert das Warum, die Ängste, die Sorgen und die Ziele der Akteure, der BCE in primis. Rekapitulieren wir einmal; Bersani wurde vom Staatspräsidenten vor wenigen Tagen quasi vorbeauftragt; seine Bemühungen sind aber in wenigen Tagen gescheitert; Bersani ist also praktisch 'politisch verbrannt'; nichts anderes blieb Napolitano übrig einen Rat von Weisen einzusetzen; wer aber führt nun den Staat?
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Um einen Sinn des Telefonats zu vestehen müssen wir uns zuerst einmal mit den Italienischen Gesetzen und Institutionen auseinandersetzen. Ein Staatspräsident am Ende seines Mandats kann nicht die Kammern auflösen; in Italien 'semestre bianco' genannt. Wäre er zurückgetreten um seinem Nachfolger den Weg freizumachen, der dann die Kammern aufzulösen und Neuwahlen auszurufen kann, so wäre Italien komplett ohne Führung dagestanden. Rekapitulieren wir; die Regierung Monti ist praktisch zurückgetreten und ist nur mehr geschäftsführend tätig, der Versuch Bersanis in den letzten Tagen eine eigene Mehrheit zu gewinnen(und sei es nur als 'astensione consensuale' oder besser 'desistenza') ist trotz aller Winkelzüge gescheitert, das Parlament anscheinend unfähig andere Mehrheiten zu finden. Angesichts der Zypernkrise sieht sich die gesamte Wirtschafts- und Finanzwelt den € und seine Problemländer näher an. In diesem Fall wäre der Rücktritt(und diese Gefahr bestand nach dem Scheitern Bersanis) Napolitanos ein Desaster gewesen und Italien praktisch kopflos dagestanden.

Am Dienstag machen die Märkte wieder auf und angesichts des Scheiterns Bersanis, des unfähigen Parlaments und der gerade erst durchstandenen Zypernkrise, wäre der eventuelle Rücktritt ein Desaster gewesen; die Zinsen auf die Italienischen Anleihen wären durch die Decke geschossen. So gesehen ist die Einsetzung der 10 Weisen eine kluge Entscheidung; man gewinnt Zeit und es könnte sich eine 'Technikerregierung' ergeben die dann die notwendigen Reformen(zuallerst das Wahlrecht) durchzieht; mit einem hoffentlich endlich verantwortungsbewußten Parlament; so die Hoffnung. Denn wenn es so bleibt wird wiederum mit dem porcellum gewählt; das Ergebnis ist bekannt und führt das Land nicht weiter. Beppe Grillo war einer der ersten der erkannt hat das das ein kluger Schachzug ist; der M5S bekommt die Zeit die er braucht um sich zu organisieren und muß nicht alles auf einmal machen(Konsolidierung eines Newcomers im Parlament und gleichzeitig Übernahme von Verantwortung). Die Punkte dieser Regierung könnte er stützen; ohne selbst in der Regierung zu sein. Er kritisiert die Köpfe, nicht aber die Methode; die anderen Parteien weis Napolitano sowieso hinter sich; entbindet er sie ja vorerst mal ihrer Verantwortung.

Und Mario Draghi?

In der Zypernkrise zeigt er verbal die Zähne, war aber am Ende mit dem Zyprioten recht milde; speziell wenn man bedenkt was ein default(und der stand im Raum) für die Insel bedeutet hätte. Analog zu seinem Auftrag die €Zone zusammenzuhalten und einen default im € zu verhindern, aber Reformen dennoch einzufordern, ist ihm bewußt daß Italien der dickste Fisch ist und Italien nur sich selbst helfen kann. Nix fürchten die Deutschen so sehr wie eine Zuspitzung der Krise kurz vor den Wahlen; das macht sich im Wahlkampf sehr schlecht. Der EZB Präsident stich gerne ins politische Vakuum  und daher denke ich übernimmt Mario Draghi(der schon seit seiner Präsidentschaft der Banca d'Italia ab und an in die Politik eingriff) gerne das Mandat direkt in die italienische Politik einzugreifen. Aus schierem Eigeninteresse weil eine eventuelle 'Rettung' Italiens der EZB teuer zu stehen kommen würde, dem weltweitem Umfeld beweisen würde daß Europa außerstande ist seine Probleme selbst zu lösen und es insgesamt ein hohes Risiko wäre; nach den Hilfen für den Spanischen Bankensektor wäre es das eventuelle zweite Eingreifen in einem großen Staat; kein Mensch weis ob es funktioniert.

Nach jahrelangem KleinKlein wartet das weltweite Umfeld(namentlich die USA und der starke US Präsident Obama) auf die 'große Lösung'; meine These; die kann wennschon erst kommen wenn die wichtigsten Wahlen im €Land geschlagen sind. Mario Draghi hat ja bereits den Raum bekommen notfalls 'unbegrenzt' einzugreifen. Italien kann sich aber derweil nur selber retten. Durch die Weisen hat jetzt Napolitano(und Italien) etwas Zeit gewonnen; ungeduldig wartet aber das Umfeld daß die Italienischen Parteien endlich Verantwortung übernehmen; sich notfalls wirklich zusammenraufen.

Und nun? Der Ball ist wieder in Rom.