Society | Weltnichtrauchertag

Vom richtigen Zeitpunkt

Weil heute Weltnichtrauchertag ist und weil Sebastian Felderer Frank Blumtritt dazu verführen will, mit dem Rauchen aufzuhören, und weil dazu letzterer Frank Blumtritt in einem seiner Kommentare neulich schrieb „sobald ich es packe, mit dem Aufhören“, weil also mehrere Umstände günstig scheinen, nutze ich diese Gelegenheit, um ein paar Gedanken zum Thema „Vom richtigen Zeitpunkt“ los zu werden.
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Es ist ja scheinbar so, dass ein sehr großer Teil der Raucher, die lieber Nichtraucher wären  – das sind übrigens die meisten, interessanterweise -, auf den richtigen Zeitpunkt dafür wartet. Ich tat das natürlich auch, wie könnte es anders sein, und ja, heute, im Rückblick, finde ich sie richtig rührend, all die Ausreden, die ich mir über viele Jahre immer wieder einfallen ließ, um bloß nicht aufhören zu müssen mit dem Rauchen, obwohl ich ja eigentlich nichts lieber getan hätte als aufzuhören damit.

Über die Aufschieberitis

Das Theater spielte sich dann etwa folgendermaßen ab: Ich höre auf, wenn ich noch ein paar Kilo abgenommen habe (damit ich ein bisschen Spielraum habe, beim Zunehmen); sobald ich diese anspruchsvolle Aufgabe erledigt habe; wenn dieses knifflige Problem gelöst ist; nachdem ich jene Belastung überwunden habe; nach dem Abendessen im Freundeskreis; nachdem ich diesen schwierigen Termin hinter mir habe… und so weiter und sofort im immer gleichen Fahrwasser. Schon klar, für all das und noch einiges mehr brauchen Raucherinnen und vermutlich auch Raucher ihre ganze Kraft und können es sich nicht erlauben, auch nur ein Quäntchen davon abzustellen für eine Entwöhnungskur. Man ist ja kein Übermensch. Jedenfalls erschien, und zwar mit absoluter Zuverlässigkeit, stets schon eine nächste Hürde am Horizont, kaum dass ich ihre Vorgängerin abgehakt hatte - und verhinderte nachhaltig, dass ich ihn endlich angehen konnte, meinen Befreiungsgang in Richtung Nichtraucherin. Derweil hatte ich übrigens eh schon wieder vergessen, dass ich ja eigentlich gern aufgehört hätte, und so ging das weiter im flotten Akkord, weit über zwanzig Jahre lang. Irgendwie ergab er sich einfach nie, der richtige Zeitpunkt.

Natürlich beruhigt es ungemein zu wissen, dass man nicht allein ist mit dieser Aufschieberitis, dass auch die Geister anderer so schwach sind wie der eigene, gut allenfalls im Ausreden (er-)finden. Logisch: Es ist die Sucht, die da bei allen Rauchern, den passionierten zumal, aus demselben Nasenloch tönt, ich weiß, und ich kenne es, persönlich, und nicht persönlich.

Wann, wenn nicht jetzt?

Dabei gibt’s diesen „richtigen Zeitpunkt“ gar nicht, oder besser: Vielleicht gibt es ihn für das Schneiden von Bäumen oder das Putzen von Fenstern oder das Waschen von Wäsche - in Sachen Rauchen aber gibt es ihn ganz bestimmt nicht. Der einzig richtige Zeitpunkt dafür ist: Jetzt. Sofort. Und dieser Zeitpunkt ist genauso gut wie jeder andere auch, oder vielmehr: Er ist der einzige und jedenfalls der beste.

Bei mir hat sich diese Erkenntnis (oder vielmehr das Verständnis für die Erkenntnis) im Laufe des Entzugs eingestellt. Die heftigsten „Ich-will-jetzt-und-sofort-meine-Dosis“-Attacken versuchte ich, irgendwie zu umgehen, im sehr engen (siehedazu auch „Vom Rauchen und vom Gehen“, http://salto.bz/de/article/13052013/vom-rauchen-und-vom-gehen), im weiteren (indem ich mir sagte, dass auch dies vorübergehen wird, wie ja alles im Leben vorübergeht, das Gute aber auch das Schlechte, und tatsächlich dauern solche Krisen nie länger aus ein paar Minuten!) und im weitesten Sinne, indem ich mich vor mich hinstellte und mich fragte: Wenn du jetzt eine anzündest – was ändert das?

Die Zigarette ist nie eine Lösung, aber stets ein Problem

Richtig. Es ändert nichts, nicht das Geringste, kein bisschen (außer vielleicht, dass die Sucht befriedigt ist, was aber nicht wirklich große Befriedigung schafft…). Natürlich nicht. Wie sollte sie auch? Sie kann das gar nicht. Der Stress bleibt derselbe, die Arbeit wird nicht weniger, die Kollegen/Kunden/Nachbarn werden auch nicht besser/freundlicher/vernünftiger und der Frust hört schon gar nicht auf (im Gegenteil wird er meist erst richtig massiv, wenn man sich schon wieder und gegen seinen Willen eine angezündet hat!).

Denn schließlich ist die Zigarette nicht mehr und nicht weniger als eine Zigarette, Mittel zum Zweck der Befriedigung der Sucht. Nichts sonst.

 

 

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Sebastian Felderer Fri, 05/31/2013 - 15:58

Nie ist der Moment so günstig, als jetzt. Nie bist du so knapp vor dem Ziel, als jetzt. Nie wird es dir leichter gelingen, als jetzt. Nie wirst du soviel Kraft haben, als jetzt. Nie wird der Wille stärker sein, als jetzt. Warum also nicht jetzt? Wenn nicht jetzt, wann dann?
Sehnst du dich nicht nach dem Erfolgserlebnis? Sehnst du dich nicht nach dem Sieg über dich selbst? Willst du's nicht endlich wissen?
Wann? J e t z t !! Weil dann habe ich den Erfolg schon jetzt!

Wo bist du, Frank? Jetzt oder nie!

Fri, 05/31/2013 - 15:58 Permalink
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Sylvia Rier Fri, 05/31/2013 - 17:35

In reply to by Sebastian Felderer

als wollte der Frank anbeißen, ha, Sebastian :-D ? Ich persönlich glaube ja fast, dass man einen Menschen gar nicht zum Aufhören motivieren kann, jedenfalls nicht, wenn's halten soll - da muss m. E. jeder selbst hin und seinen eigenen Weg finden, glaube ich, aber vielleicht irre ich mich ja. Mich jedenfalls hat nichts und niemand motivieren können (und viele haben's versucht), außer: Ich. Vermutlich ist auch dieser der Grund, dass ich auch als Ex-Raucherin den Rauchern gegenüber absolut tolerant bin, es stört mich kein bisschen und hat mich nie gestört, wenn in meiner Umgebung geraucht wird (im Gegenteil, ich mag den Duft von frischem Tabak sehr ;-)

Fri, 05/31/2013 - 17:35 Permalink
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Sebastian Felderer Sat, 06/01/2013 - 06:02

In reply to by Sebastian Felderer

All unser Tun und Lassen ist entscheidend dafür,
wie die Welt morgen ausschauen wird:
das Große, das wir nicht zu tun wagen
und das Kleine, das uns zu gering erscheint.
All unser Versäumnis ist ein Versagen,
all unser Tun - und sei es nur ein Wort -
ein Samenkorn.

In diesem Sinne haben wir versucht, mindestens ein stärkendes Wort unserem Frank zu widmen.
Der gestrige Gedenktag hat nur einen Sinn gehabt, wenn Tausende mit dem Rauchen aufgehört haben. Muss es nicht jedem Raucher leid tun, wenn er nicht bei denen ist, die es geschafft haben? Du hast ja richtig gesagt, dass jeder Raucher eigentlich sich darüber ärgert, Raucher zu sein. Also haben alle Raucher, die gestern nicht zu Nichtrauchern geworden sind, weiterhin Ärger mit sich selbst, weiterhin Raucher zu sein und zudem einen Tag im Jahr entwertet zu haben. Sollen wir ihnen ein ganzes Jahr Zeit lassen? Von mir aus, Nichtraucher sind nämlich großzügig .... sie gönnen den Rauchern ein ganzes Jahr Ärger mit sich selbst.

Sat, 06/01/2013 - 06:02 Permalink
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Sylvia Rier Tue, 06/04/2013 - 10:37

Na? An wen glaubst, habe ich gedacht, als ich das hier las: http://www.stol.it/Artikel/Wirtschaft/Wirtschaft/Raucher-kostet-Firma-i…

Früher oder später schwappen diese Trends ja immer über den großen Teich, also fang mal besser damit an, aufzuhören, oder zumindest mental den Schalter umzulegen von "Genuss. Will ich" nach "Schädlich. Brauche ich nicht" :-) (nein, ich wollte dir nicht den Tag vermiesen, hab nur grad an dich gedacht :-)

Tue, 06/04/2013 - 10:37 Permalink