Society | Kommunikation
Schere im Kopf

Foto: LPA/Archiv Eleonora Gelmo
War es Zufall? Oder ein Versehen?
Wohl kaum. Schon eher dürfte Konfliktscheue, Angst vor den Mächtigen oder vorauseilender Gehorsam zutreffen.
Diese kleine Geschichte sagt mehr über die Zustände in diesem Land aus, als manchem lieb sein dürfte.
Ausgangspunkt sind Ereignisse, die sich vor genau 50 Jahren abgespielt haben. Die Zeitschriften „Kulturelemente“ und „Geschichte und Region/Storia e regione“ veranstalten am 4. Juni in der Bozner Teßmann-Bibliothek eine Diskussionsrunde über 1968 in Südtirol. Salto-Kulturredakteur Martin Hanni wird an diesem Abend mit den Zeitzeugen und Historikern Birgit Eschgfäller, Hans Heiss, Luisa Gnecchi, Gerhard Mumelter, Josef Perkmann und Sandro Schmid diskutieren.
Wie es üblich ist, bereiten die Veranstalter sowohl einen deutschen wie auch einen italienischen Pressetext vor, der dann vom Landespresseagentur verschickt wird.
Im Pressetext der Veranstalter steht:
„Was war „Achtundsechzig“ in Südtirol? Gab es hier Raum für eine Bewegung, für soziale Unruhen, gar für Revolten? Gerade eben war in der „Südtirol-Frage“ nach den explosiven 1960er Jahre etwas Entspannung eingetreten, hat die Wirtschaft nun endlich auch hier, vor allem aufgrund des sich aufschwingenden Tourismussektor, zu boomen begonnen und hat die Gesellschaft die Freuden des Konsums entdeckt. Dies war vor allem 1968 in Südtirol.
Der Aktionismus jugendlichen Unbehagens nahm sich hier bescheiden aus – und dies in nur 50 Kilometern Entfernung von der Trientner Universität, einem Kristallisationspunkt der italienischen Studentenbewegung. Dort: Besetzung und Revolution. Hier: Ein Transparent über der Bozner Goethestraße mit den Lettern „Enteignet die Ebner-Presse“, Besetzung einiger Schulen, Antidemonstrationen zum 4. November (dem Tag der Streitkräfte). Und: eine kleine Gruppe junger Intellektueller rund um die Zeitschrift „Die Brücke – Il ponte“.
War 1968 ein „leichtes Kräuseln auf der gesellschaftlichen Oberfläche“ oder doch Anstoß für wichtige gesellschaftliche und politische Entwicklungen in Südtirol? Über diese und viele weitere Fragen diskutiert Martin Hanni mit: Birgit Eschgfäller, Hans Heiss, Luisa Gnecchi, Gerhard Mumelter, Josef Perkmann, und Sandro Schmid.“
Genau derselbe Text wurde der Landespresseagentur auch auf Italienisch übermittelt.
Die Zensur
Am Mittwochvormittag verschickte das Landespresseamt dann die Depesche an die Welt. In zwei Sprachen. Der Text ist dabei genauso, wie er von den Veranstaltern vorbereitet wurde. Mit einem entscheidenden Unterschied.
Im italienischen Text heiß es:
In der deutschen Version der Landespresseagentur steht hingegen zu lesen:
Der Satz „Enteignet die Ebner-Presse“ scheint auch 50 Jahre danach dem offiziellen Südtirol noch zu gefährlich zu sein.
Deshalb hat jemand in der Landespresseagentur anscheinend die Pflicht verspürt, diesen einen Satz aus einer Pressemitteilung streichen zu müssen.
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