Chronicle | Rechtsallianz

Stefano Parisi als Berlusconi-Nachfolger?

Silvio Berlusconi sieht in Stefano Parisi seinen möglichen Nachfolger. Der Manager soll eine neue liberale Allianz führen. Die FI-Führungsriege protestiert.

Just zum Auftakt der Sommerferien, in denen Italiens Politik alljährlich in den gewohnten Tiefschlaf versinkt, gerät plötzlich Bewegung in die erstarrte Parteienlandschaft. Verursacht wird sie ausgerechnet von Silvio Berlusconi, der nach seiner schweren Herzoperation als abgeschrieben galt. Stein des Anstosses: der Ex-Cavaliere, der in Kürze seinen 80. Geburtstag feiert, hat Stefano Parisi mit einem restyling der rechten Mitte beauftragt, einem progetto liberal-popolare.


Die Entscheidung hat in den Reihen von Forza Italia ein wahres Erdbeben ausgelöst - vor allem unter jenen, die sich übergangen fühlen und den Quereinsteiger als gefährlichen Konkurrenten betrachten. Liguriens Präsident Giovanni Toti - ebenfalls ein Mann von Berlusconis Gnaden - droht mit Rücktritt, der geifernde Fraktionssprecher in der Kammer Renato Brunetta schäumt vor Wut: "Non ci serve  un amministratore delegato". Auch gemässigte Vertreter wie der Fraktionssprecher im Senat, Paolo Romani, zeigen sich entrüstet und fürchten um ihre Pfründe - durchaus zu Recht. 
Denn Stefano Parisi, der die Bürgermeisterwahl in Mailand ganz knapp verloren hat, ist ein Mann, dem es gelingen könnte, die politikmüde Zivilgesellschaft für sein Projekt zu mobilisieren. Er gilt als dem Populismus abgeneigter, nüchterner Pragmatiker:

"Serve una politica nuova, con una classe dirigente onesta e di qualitá che muova dentro processi decisionali trasparenti. Serve un linguaggio di qualitá sui temi piú scottanti del paese. E serve un fair play politico che superi le logiche di delegittimazione tra forze avversarie.  Perché questi atteggiamenti, le urla in tv, hanno indotto i cittadini a disertare le urne."


Klarheit lässt der 60-jährige Manager, der sein Projekt im September mit einem Konvent aus der Taufe heben will, nicht vermissen. Parisi ist ein liberaler Vertreter der politischen Mitte, der das in Italien alltägliche politische Hickhack verabscheut. Er war Generaldirektor der Confindustria, Chef von Fastweb, City Manager in Mailand und arbeitete in wichtigen Positionen in mehreren Ministerien.  Gegen Giuseppe Sala führte er in Mailand einen vorbildlich fairen und sachlichen Wahlkampf ohne persönliche Tiefschläge.
Vor allem Lega-Chef Matteo Salvini lässt seiner Wut einmal mehr freien Lauf. Denn Parisi wünscht eine gemässigte, liberal-konservative Partei: "Nel perimetro moderato ovviamente non c'é spazio per modelli lepenisti." Für Salvini ist das neue Projekt nichts weiterals "una marmellata, un fritto misto che a livello nazionale ha giá dimostrato di non funzionare." Auch Salvinis Verbündete Giorgia Melloni sieht in der alleanza dei moderati nur "il solito inciucio." In der Lega wächst die Distanz zwischen Salvini und seinem Vorgänger Roberto Maroni, der sich durchaus vorstellen kann, Parisi als Spitzenkandidaten der Mitterechts-Allianz zu unterstützen.
Angelino Alfanos  NCD dagegen verfolgt die Entwicklung mit Interesse:  "I milioni di elettori moderati dovranno ripartire da
un nuovo grande contenitore che dovrá includere anche Forza Italia. Ed escludere l'estrema destra di Salvini. Ci vogliono un nuovo nome e regole democratiche."Damit spricht der Innenminister ein Kernproblem an: Berlusconis Allergie gegen parteiinterne Wahlen. Auch Alfano war 2011 nur per Akklamation zum Sekretär des Popolo della Libertá gewählt worden.


Beim Konvent im September soll es nur um Programme und Inhalte gehen. Aber dass die neue Partei - falls sie wirkich entsteht - einen gewählten Vorsitzenden benötigt, ist klar. Stefano Parisi hat bewiesen, dass er für die Wähler ein attraktiver Kandidat ist. Berlusconi selbst kann in diesem letzten Einigungsversuch des zerstrittenen Mitterechts-Lagers nur die Rolle des Gründervaters spielen. Dass der 80-jährige letzthin auf Druck seiner Tochter Marina und des Mediaset-Präsidenten Confalonieri seinen berüchtigten "cerchio magico" um Mariarosaria Rossi und  Deborah Bergamini entlassen hat, ist als positiver Schritt zu werten. Die Senatorin Rossi gestaltete als Schatzmeisterin, Alleinverwalterin und einzige Unterzeichnungsberechtigte zusammen mit der Pressesprecherin Bergamini Berlusconis Terminkalender.


Die Beauftragung Parisis dürfte die Grabenkämpfe in der angeschlagenen Partei zunächst  noch verstärken.  Forza Italia hat in der Kammer mehr als die Hälfte der Abgeordneten eingebüsst. Vor diesem Hintergrund scheint Parisis Unterfangen beinahe aussichtslos.  Doch der erfahrene Manager wird beim umstrittenen Konvent darauf bedacht sein, deutliche Signale an die Zivilgesellschaft zu senden. Und als unmissverständliches  Signal ist auch der Umstand zu werten, dass die Veranstaltung nicht in Rom, sondern in Mailand stattfindet. In jener Wirtschaftsmetropole, die der concretezza stets zugeneigter war als dem römischen politichese. In jedem Fall wird der Konvent für Stefano Parisi zu einem Trampolin.  Ob er auch zur  Galionsfigur einer neuen Mitterechts-Partei aufsteigen kann, bleibt abzuwarten.