Manuel Bruschi, Jahrgang 1989, stammt aus Mals. Nach dem Besuch der Gewebeoberschule in Schlanders zieht es ihn fürs Studium nach Graz. Dort gründet er das Startup Timeular. Timeular produziert den Zeit-Tracking-Würfel Zei° in Deutschland und hat 6.000 Kunden in 80 Ländern. Am Donnerstag (30. August) war Bruschi beim zweiten Startup-Talk im Lido von Schenna zu Gast. Organisiert hat das Treffen MesTech ("Meran.o Smart Tech Community"), finanziert durch die Gemeinde Meran und den EU-Regionalfonds.
salto.bz: Das Produkt deines Startups ist ein Zeitmanagement-Würfel, der aufzeichnet, was man tut und automatisch eine Übersicht der Aktivitäten erstellt, damit man produktiver wird. Das hört sich ziemlich stressig an.
Manuel Bruschi: Warum stressig? Jede und jeder will ja mehr Zeit haben, für Privates oder für die Arbeit. Uns geht es darum, den Menschen zu helfen, ihre Zeit besser einzuteilen. Der Würfel hilft dabei, den Überblick darüber zu halten, für welche Tätigkeiten man wieviel Zeit braucht.
Also ein Mittel gegen Zeitverschwendung?
Es muss gar nicht um Verschwendung gehen, manchmal ist einem einfach gar nicht bewusst, wieviel Zeit man mit Kleinigkeiten wie dem Beantworten von Emails verbringt. Da kann so ein Tracker helfen.
Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Ich war als Webentwickler tätig und musste aufschreiben, wieviel ich für die einzelnen Kunden gearbeitet habe. Da war es am Ende der Woche sehr schwer zu sagen, wieviel ich jeweils für wen getan hatte.
Ich habe mich gefragt, wie man das Problem lösen könnte – die Antwort war der Würfel. Ich habe dann an einem Wochenende einen Prototyp gebastelt.
Wie ging es weiter?
Wir waren zu viert im Team, haben das Produkt weiterentwickelt und uns umgesehen, ob Leute tatsächlich dafür zahlen würden. Denn Schulterklopfer gibt es ja viele.
80 Prozent des Erfolgs hängt davon ab, dass man ein gutes Produkt hat.
Hattest Du schon immer vor, ein Startup zu gründen?
Nein, eigentlich nicht.
Wie habt ihr euch finanziert?
Anfangs haben wir uns selbst finanziert, durch Nebenjobs und Ersparnisse. Zuerst haben wir eine Minikampagne gemacht, um Leute zu finden, die 150 Euro für den Prototyp bezahlt und ihn getestet haben. Nach einem Jahr war dann alles bereit für die Crowdfunding-Kampagne, wo wir 300.000 Euro eingesammelt haben, um die Produktion zu starten.
Was waren die größten Hürden in der Anfangszeit?
Hürden gibt es viele. Aber das Wichtigste ist ein gutes Produkt, das die Bedürfnisse der Leute wirklich anspricht. Wenn die ersten Nutzer das Produkt gerne verwenden, werden sie es weiterempfehlen. Ich glaube, 80% des Erfolgs eines Startups hängt davon ab, dass man ein gutes Produkt hat.
Ihr habt euer Unternehmen in Graz gestartet. Gestern warst Du bei einem Gespräch der Meraner Startupszene. Denkst Du, in Südtirol hättest du dieselben Möglichkeiten gehabt?
Nein. Die Startupszene in Südtirol ist immer noch in den Startlöchern. In Graz gibt es auch nicht sehr viel, aber schon mehr. Und am meisten lernt man von Startups, die zwei, drei Schritte weiter sind. Und die gibt es hier eben noch nicht.
Aber ein paar Jahren könnte es soweit sein?
Man kann das eben nicht beschleunigen. In Sachen Startups ist Südtirol wie eine Oberschule, in der es nur Erst-und Zweitklässler gibt, aber noch keine Maturanten.
Das einzige, was man tun kann, ist, erfahrenere Startups für einige Zeit nach Südtirol zu holen, mit „Startups in Residence“ oder „Entrepreneur in Residence“-Programmen. Aber die Nebenkosten hier sind einfach hoch, das würde einiges kosten.
Könntest Du dir vorstellen, den Sitz der Firma irgendwann nach Südtirol zu verlegen?
Den Hauptsitz einer Firma zu verlegen, ist teuer. Aber hier einen Nebensitz aufzumachen kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich selbst möchte langfristig in Südtirol leben. Aus persönlichen Gründen und weil ich gerne jungen Leuten beim Gründen helfen möchte.
In Südtirol ist man oft neidisch, anstatt sich gegenseitig zu helfen.
Das heißt, Du glaubst an die Zukunft des Standorts Südtirol. Sind wir nicht zu klein für eine Startup-Szene?
Nein, wir sind nicht zu klein. Die Mentalität der Südtiroler ist halt speziell. Einerseits nutzt uns unsere Sturheit, weil wir nicht so schnell aufgeben. Aber die andere Seite der Sturheit ist, zu denken „das ist so, das bleibt so“ - anstatt daran zu arbeiten, dass man sich weiterentwickelt.
In der US-amerikanischen Startupszene hilft man sich viel gegenseitig, ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten. Man denkt sich: „Ich helfe heute dir, du morgen jemand anderem.“ In Südtirol ist man oft neidisch, anstatt sich gegenseitig zu helfen.
Wie schaut Dein Arbeitstag jetzt aus?
Ich beginne um 5 oder 6 Uhr, um ein paar Stunden lang noch bei abgeschaltetem Telefon konzentriert zu arbeiten. Dann muss ich vor allem schauen, dass es den Mitarbeitern gut geht, im Moment sind wir 18 in 5 Ländern. Was ich sonst noch tue, ist: neue Mitarbeiter finden, die Kontakte zu Investoren pflegen, Entscheidungen treffen. Und natürlich die langfristige Perspektive im Auge behalten.
Wie geht’s für euch in Zukunft weiter?
Im nächsten Schritt wollen wir uns vom reinen Zeitmanagement in Richtung Coaching weiterentwickeln – den Nutzern helfen, sich Ziele zu setzen und die Schritt für Schritt auch zu erreichen.
Was sollte man lernen, wenn man selbst mal ein Startup entwickeln möchte?
Am Donnerstag wure ich gefragt, ob es sinnvoll ist, studieren zu gehen. Mir hat es geholfen – weniger wegen der Inhalte, sondern weil ich gelernt habe, durchzuhalten, mich selbst zu organisieren und zu motivieren, langfristig an Sachen dranzubleiben. Aber um das zu lernen, sollte man auch von zuhause wegkommen, nicht nur von Dienstag bis Donnerstag nach Innsbruck fahren.