Burggrafenamt: Erschütterte SVP-Festung
Zwei von acht KandidatInnen hat der SVP-Bezirk Burggrafenamt in den Landtag gebracht. „Ein grottenschlechtes Ergebnis“, wie auch Bezirksobmann Karl Zeller einräumt. Zweistellige Verluste in manchen Gemeinden wie in St. Martin in Passeier, wo Freiheitliche und Südtiroler Freiheit gemeinsam mehr als 40 Prozent erzielt haben. Und vor allem ein Waterloo unter den insgesamt acht BezirkskandidatInnen: Mit Ausnahme von Strahlemann Arnold Schuler Verluste so weit das Auge reicht. Selbst die zweite Gewählte, Veronika Stirner Bratsch, erhielt fast 4000 Stimmen weniger als 2008. Darüber hinaus jede Menge prominente Opfer, die wie Angelika Margesin bereits Konsequenzen aus der Wahlschlappe gezogen haben.
Ein wahres Erdbeben im mächtigen SVP-Bezirk Burggrafenamt, das auf Bezirksebene nur vom Wipptal getoppt wurde. Dabei waren die Burggräfler seit dem letzten Tief im fernen 1993, als selbst der amtierende Landesrat Franz Alber durchsauste, für Erfolg und entsprechenden Einfluss bekannt. Zwar war letzthin der langjährige Landesrat Michl Laimer mit Schande aus dem Amt verjagt worden und einstige Rennpferde wie der verstorbene Seppl Lamprecht oder die politikmüde Julia Unterberger nicht mehr mit von der Partie. Nichtsdestotrotz bekam Zeller auch für diese Landtagswahlen eine ordentliche Liste zusammen. Anzi: „Alle haben mich um die Qualität meiner Kandidaten beneidet“, sagt der Bezirksobmann.
Arbeitnehmerchef, Frauenchefin, junge viel versprechende Gesichter wie der Bauernbund-Kandidat Christian Gruber oder Hansi Pichler. „Dass ein Hansi Pichler mit dem HGV in Rücken durchkommt, dafür hätte ich meinen Kopf gewettet“, meint Zeller. Viele von dem, was er „einfach unverständlich“ findet, will Zeller am kommenden Montag in der Bezirksleitung analysieren. „Ich übernehme ja durchaus die politische Verantwortung, weil ich Bezirksobmann bin und das Ergebnis wirklich eine Katastrophe ist“, sagt er. „Doch ich denke, es wäre mit jedem anderen auch nicht viel anders ausgefallen“.
Zu wenige Stimmen für zu viele KandidatInnen
Klar ist, dass es auf Bezirksebene nicht gelungen zu sein scheint, für die eigenen Kandidaten zu motivieren. „Es haben diesmal einfach die Stimmen aus dem Bezirk selbst gefehlt“, sagt der einzige Burggräfler Gewinner dieser Wahl, Arnold Schuler. Ein Rückgang von fast 30.000 Stimmen im Jahr 2008 auf 24.500 - und die verteilt auf stolze acht KandidatInnen. Denn zu den bindenden fünf Bezirkskandidaten kamen über die Landesliste noch Angelika Margesin und Magdalena Schwellensattl sowie Christoph Gufler hinzu, der bei den Vorwahlen durch die Ortsgruppen durchgefallen war. Zu viele Kandidaten und vor allem der kapitale Fehler, die Vorwahl nicht durch eine Basiswahl, sondern wie sonst nur im Vinschgau und im Wipptal durch die Ortgruppen durchführen zu lassen: Das waren laut Urban Unterweger, Mitglied der Burggräfler Bezirksleitung die größten Fehler der Landtagswahlen 2013.
Ein Vorwurf den Zeller von sich weist: „Ich habe ja nur diese acht bzw. anfangs sieben Kandidaten gehabt“, meint er. „Was hätte denn bei einer Basiswahl anderes rauskommen sollen?“. Vor allem hätten die KandidatInnen selbst eine Basiswahl abgelehnt, weil sie mit zu viel zusätzlichem Aufwand verbunden gewesen wäre. Gerade dieser Aufwand hätte sich laut Urban Unterweger jedoch bezahlt gemacht. Denn somit wären die Mitglieder von Beginn an stärker eingebunden worden, die Kandidaten hätten schon im Vorwahlkampf mehr Bekanntheit in der Bevölkerung erlangt. Und: Es wäre auch nicht passiert, dass ein Bergbauer wie der Mooser Bürgermeister Willy Klotz dem Landbauern Christian Gruber Stimmen abgräbt, ist sich Unterweger sicher. „Denn in dem Fall hätten die Mitglieder bereits im Vorfeld entschieden, welcher der beiden Kandidaten antreten soll“, so der Riffianer Friseur und LVH-Ortsobmann Unterweger.
Erfolgsrezept Basiswahl
Der Erfolg einer solche Strategie zeigte sich nicht zuletzt im Pustertal, wo alle vier bindenden SVP-KandidatInnen plus - mit Überraschungserfolg - Waltraud Deeg gewählt wurde, die bei den Basiswahlen durchgefallen war. Und das obwohl die Stimmverluste im Osten des Landes auch nicht viel geringer waren als im Burggrafenamt, wie auch Karl Zeller einräumt. Ein weiteres Beispiel in die andere Richtung: Der Bozner Kandidat Elmar Pichler Rolle, der bei der Basiswahl seine Bezirkes durchfiel und nach der Nominierung über die Landesliste bei den Landtagswahlen erneut scheiterte.
Eine Lehre, die auch einer seiner Schicksalsgenossen verstanden hat. Arbeitnehmer-Chef Christoph Gufler gehört zur Ausnahme der Burggräfler Kandidaten, die in ihrem Heimatbezirk viele Stimmen erhalten haben. Obwohl er bei den Vorwahlen durch die Ortsauschüsse durchgerasselt war, erhielt er nun bei der Landtagswahl mehr Stimmen im Burggrafenamt als Hansi Pichler, der bei den Vorwahlen Erstgewählter der Ortsauschüsse war. „Was sich bei diesen Wahlen sicherlich klar gezeigt hat“, sagt Gufler, „ist, dass parteiinterne Vorwahlen nicht zeigen, was der Wähler will.“ Wahlsieger sei vielmehr die Basiswahl - wenn auch für viele zu spät.
Analyse
Sehr guter Beitrag.
Mich hat schon gewundert, dass noch keiner der hiesigen Journalisten auf diesen Zusammenhang zwischen Basiswahl und Wahlverhalten gekommen ist.