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“Ab morgen startet Kufstein-Salurn”

Ab Dienstag gilt auf Tirols Autobahn das sektorale Lkw-Fahrverbot. Für Transitgegner Fritz Gurgiser eine Chance, nun endlich die Südtiroler ins Visier zu nehmen.

salto.bz: Herr Gurgiser, morgen tritt das sektorale LKW-Fahrverbot in Kraft.  Ein guter Tag für den Chef des Transitforums?
Fritz Gurgiser: Sagen wir es mal ganz ehrlich: Das sektorale Fahrverbot war politisch für Juli 2012 versprochen und jetzt hat man viereinhalb Jahre Ausnahmen verhandelt. Ein guter Tag ist es trotzdem, weil das Fahrverbot und Tempo 100 nun beide in Kraft sind und nicht mehr weiter darüber diskutiert werden muss. Ob das sektorale Fahrverbot tatsächlich etwas bringt, lasse ich die bewerten, die wissen, was tausende Ausnahmebedingungen bewirken. Aber was sicher gut ist: Ab morgen starten wir Kufstein-Salurn.

Wie meinen Sie das?
Mit dieser gesamten Diskussion über das sektorale Fahrverbot hat man ja alles Sonstige überdeckt bisher. Diese unzähligen Reisen nach Brüssel...ich habe immer gesagt: Fahrt doch besser nach Bozen und Trient, das wäre effizienter. Denn die größte Schweinerei beim Transit bleibt schließlich, dass Bayern, Südtirol und Trentino in den letzten 20 Jahren keine einzige Schutzmaßnahme für die Bevölkerung und Wirtschaft gesetzt haben. Wir können in Tirol tun und lassen was wir wollen: Unsere Maßnahmen wirken nur zum Teil, weil auf der Gesamtstrecke freie Fahrt gilt. Das beste Beispiel dafür ist der aktuelle Versuch der Italiener, die Schienenmaut zu erhöhen. Da sagen sie, wir gehen auf das EU-Niveau. Doch bei der Straßenmaut bleiben sie mit ihren 15 Cent unter dem albanischem Niveau. Ein deutlicheres Zeichen dafür, dass man keinen Dekagramm verlagern will, kann es nicht geben.

Wie viel Verlagerung findet ab morgen überhaupt in Tirol statt – angesichts der in letzter Minute ausgehandelten weiteren Aufweichungen?
Jahrelang hat man gesagt 200.000 LKW will man verlagern, jetzt ist man bei 40.000. Aber auch das ist eine verlogene Diskussion. Denn es geht nicht darum,  ob man 50.000, 100.000 oder 200.000 LKW von der Straße wegbringt, sondern darum, um wie viel die Schadstoffe reduziert werden. Aber darüber wird ja politisch nicht diskutiert.

Tatsache ist, dass LKW der Euro-Klasse 6 laut dem letzten Kompromiss nun eingeschränkt weiterfahren dürfen und jene der Klasse 5 vorerst auch noch.
Und das heißt, dass das es für die Frächter ohnehin kein Problem gibt. Die fahren halt jetzt mit Euro 6. Die LKW sind ohnehin alles Leasing-Autos, die tauschen sie halt aus, und die Autoindustrie macht auch noch ein Geschäft, weil sie ihre Euro 6 früher an den Mann bringt. Doch auch das wird man in nächster Zeit noch aufarbeiten. Euro 6 heißt ja nicht schadstoffarm. Auf dem Papier im Fahrerhäusl werden schon die saubersten Werte draufstehen, die es gibt. Doch 15 Meter weiter hinten kommt aus dem Auspuff ganz etwas anderes heraus. Das ist gleich wie beim PKW, das weiß ja jeder.

Worauf soll man dann setzen?
Darauf, was die Messstellen in Kundl, Vomp, Gärberbach, in Neumarkt,  Klausen oder wo auch immer seit Jahren zweifelsfrei sagen: dass wir ein Riesenproblem haben. Und das ist mit solchen Alibi- und Placebomaßnahmen nicht zu lösen. Da bräuchte eben gemeinsame Maßnahmen von Nordtirol, Südtirol, Bayern und dem Trentino. Aber damit überhaupt mal etwas losgeht, würde ich auf der kurzen Variante zwischen Kufstein und Salurn beginnen. Das fordern schließlich auch zwei Landtagsentschließungen,  aus dem Jahr 2011 in Tirol und aus 2013 in Südtirol. Das muss man jetzt vehement einfordern.

Was genau soll eingefordert werden?
Sagen wir so: Es wäre besser, wenn wir uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, mit welchem Plunder die LKW über den Brenner fahren, sondern wenn die Politik endlich die Rahmenbedingungen schafft, damit zumindest die Million LKW wegbleibt, die nur über den Brenner fährt, weil es günstiger als kürzere Varianten ist. Alles andere ist ineffizient.

Immerhin haben Südtirols Grüne nun im Vorfeld des Inkrafttretens des sektoralen Fahrverbots "Südtiroler Schützenhilfe für Nordtirol“ gefordert.  Einige Verbündete haben Sie doch schon...
Wir brauchen keine Schützenhilfe für die Tiroler, die Grünen sollen sich einmal in Südtirol für die eigene Bevölkerung einsetzen, genauso wie die SVP. Das ist die beste Schützenhilfe. Wir sitzen alle am gleichen Brennerpass, die einen nördlich die anderen südlich, und die sollen einmal daheim ihre Hausaufgaben machen. Das ärgert mich schon jahrelang, dass da nie etwas geschieht. Ich brauche die Südtiroler nicht, die sollen im eigenen Land den gleichen Druck machen wie wir wir ihn seit 25 Jahren machen. Dann ist uns geholfen Und da gehören auch Vereine dazu, die die ganze Zeit was weiß ich machen, aber nie auf die Straße gehen. In Südtirol muss man endlich auf die Straße gehen.

Im Gegensatz zu Tirol wird man aber in Italien eingesperrt, wenn man die Autobahn blockiert, würde man Ihnen darauf bei uns antworten.
Das ist ja ein Blödsinn der Sonderklasse, wieso soll man eingesperrt werden? Diese Versammlungsfreiheit die wir in Nordtirol auf der Brennerautobahn mehrmals wahrgenommen haben, hat der Europäische Gerichtshof für richtig empfunden. Da gibt es ein Urteil, Nummer C- 112/00, das ist in meinem Kopf und in meinem Herzen eingebrannt. Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, und das steht höher als der freie Warenverkehr. Und soweit ich weiß, ist Italien ein Gründungsmitglied der europäischen Gemeinschaft. Also,  was bei uns gilt, wird wohl hinterm Brenner auch gelten, Kreuzteufel!

Also, alles nur Ausreden der zu zahmen Südtiroler?
Ich weiß schon, wie so etwas läuft. Da ist man halt früher zum Willeit gegangen und hat gefragt, dürfen wir auf die Autobahn gehen. Logisch hat der Nein gesagt. Doch wir haben noch nie jemanden gefragt, wir haben eine Versammlungsanzeige eingebracht. Natürlich muss man das richtig machen, und auf das europäische Grundrecht abstellen. Aber das gilt es durchzukämpfen statt zu sagen: Da werden wir eingesperrt. Das ist ein demokratisches Recht und das ist auszuüben.

Doch wenn Ihr Tiroler nun nicht mehr mit dem sektoralen Fahrverbot belegt seid, wird auch von dort mehr Druck in Richtung Süden kommen, denken Sie?
Das wird auch davon abhängen, wie viel Druck wir machen. Aber wir werden nächstes Jahr sicher wieder auf der Autobahn stehen, das ist fix. Nicht weil es so schön ist dort, sondern weil es die alte Regel gibt: Erst wenn die Räder still stehen, kommt Bewegung in die Politik.

Wo werden Sie sich dann hinstellen, auf den Brenner? 
Das werden wir noch ausmachen. Gerne sind wir ja immer in Schönberg gewesen. Dort gibt es eine wunderbar Einhausung, die wir vor 20 Jahren  durchgesetzt haben, da ist man dann wetterunabhängig. Aber sicher ist, dass wir ein klares Signal an das Rahmengebiet der Alpenkonvention senden werden, und das reicht nun mal von Rosenheim bis Verona. Und es ist einfach höchst an der Zeit, an dieser Strecke gemeinsam zu arbeiten.

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Oskar Egger Fri, 11/04/2016 - 18:17

Ich finde das absolut übertrieben. Wenn ich mit Gas- (oder Elektro-)Auto mit 100 Sachen durch Österreich tuckern muss, denke ich, das ist ein Hohn, bei dem zunehmenden Flugverkehr und den gesalzenen Preisen für die Fahrt.
Ich erinnere mich an die Me-Bo Gegner: da war ein ähnlicher Fundamentalismus mit im Spiel.

Fri, 11/04/2016 - 18:17 Permalink