Symptome des Paradigmenwechsels
„Unser“ Landesrat Schuler hat nach triumphierendem Zitat zweier Gerichtsurteile gegen den Malser Weg „Frieden“ versprochen. Das erinnert mich an die Standarte von Uruk (ca. 2500 v.u.Z., heute Irak). Sie stellt auf einer Seite den „Krieg“ dar, auf der anderen den „Frieden“. „Frieden“ herrscht nach dieser Darstellung, wenn alle Beamten, Bauern und Sklaven zum Wohlgefallen des Herrschers arbeiten; im siegreichen „Krieg“ bringen die Soldaten Kriegsbeute und Sklaven dem Herrscher zum Wohlgefallen. Herrschaft ist Krieg und Frieden. Diese Standarte gilt als Teil der Geschichte des Abendlandes. Manches ist auch heute so, oder? Heutzutage haben wir scheinbar Demokratie, die Herrschaft der Mehrheit aller BürgerInnen, doch schauen wir uns doch mal Krieg und Frieden in Mals an: Die Mehrheit der BürgerInnen, 75%, wollen ein pestizidfreies Mals, aber nein!
Der Bauernbund ist dagegen, sieht seine industrialisierte Monokulturpoduktion angezweifelt (die kann effektiv nur durch Pflanzenschutzmittel überleben), sein „Recht“ angegriffen, dass die PSM des integrierten Landbaus Böden, Luft und Wasser auch „biologischer“ Nachbargrundstücke versauen, übergeht das präpotent und sieht deshalb berechtigter- aber ungerechterweise seine vielgeliebte Wirtschaftsweise in Gefahr. Er bemühte eben gar den EuGH, der bereits im besagten Urteil ankündigt dass sich die Sachlage drastisch ändern wird, sobald wissenschaftlich geklärt sein wird, wie schädlich die PSM sind. Dann werden alle PSM vom Markt verschwinden müssen. Er übersieht weiter geflissentlich die Gesundheitsrisiken für die gesamte Bevölkerung, sein LR Schuler trompetet schon lange, PSM seien harmlos, er hat dafür auch einen folgsamen „Wissenschafts“- Beamten, dem wird allerdings von wissenschaftlicher Seite widersprochen. Der Bericht des Alto Adige vom 17.10.2019 (Lub, due entomologi e un ricorso) lässt die Vermutung zu, der Landesrat versuche Einfluss zu nehmen auf die künftige Linie der Freien Universität Bozen über die Ernennung seines Sohnes als Entomologen. Vorher schon hatte er de facto politisch den SBB mit seinen Beziehungen unterstützt in dessen juridischem Krieg gegen die Malser, freut sich frühzeitig einem Bürgermeister verboten zu haben, sich um die Gesundheit seiner Bürger zu kümmern.
Noch hat der Bauernbund die Sache im Griff, mehr als 2/3 aller Subventionen kommen den großflächigen Landwirtschaftsbetrieben zugute (Rai Südtirol Meldung 28.1019/12:10). Und noch ist der Bericht der Freien Universität Bozen über den Status der Artenvielfalt nicht erstellt: Ich bin gespannt wie frei = bauernbundunabhängig der sein wird!
Doch die kriegführenden Maßnahmen werden dem Bauernbund und seinen Politikern längerfristig nicht helfen: In der Landwirtschaft hat bereits ein Paradigmenwechsel angefangen. In erster Linie werden es die Verbraucher weltweit auf Dauer nicht fressen, dass sie permanent zwar billige aber mit Gesundheitsrisiken verbundene und umweltschädigende Lebensmittel zu verdauen haben.
Zweitens lässt sich nicht mehr verheimlichen – eben erst veröffentlichte die Freie Uni Bozen einen einschlägiger Bericht –, dass durch die Artenvielfalt-vermindernden PSM die Ernteerträge laufend abnehmen. Täglich wird klarer, dass die landwirtschaftliche industrialisierte Massenproduktion von Lebensmitteln weltweit die CO2-Emissionen massiv mitaufschaukeln und damit an der Aufheizung der Erde kräftig mitwirkt.
Es gelingt immer weniger zu vertuschen, dass diese Art der Landwirtschaft am Ruin der Erde maßgeblich mitwirkt. Deswegen wird sich die andere Art von Landwirtschaft durchsetzen, die dem entgegenwirken kann: die Agroökologie. Naturnahe, ohne Pestizide, ohne Jauchenüberschüsse aus global bezogenen Futterzukäufen, durch vielfältige Klein- statt Massenproduktion - vielfältig durch Wechselkulturen – durch Einsatz auch alter Sorten fähig den plötzlichen Wetterunbilden zu widerstehen, die Arten- und Sortenvielfalt erweiternd...
Das ist allerdings noch ein langer Weg, der den vollen Einsatz nicht nur der Wissenschaft verlangen wird und die Zusammenarbeit mit ihr, den momentan viele Pioniere zu überbrücken versuchen durch selbstlosen Einsatz aber im Bewusstsein und in Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte, der Zukunft und der nachfolgenden Generationen. Der wird als nächstes wichtiges Ziel das Umkehren der Subventionsflüsse auf agroökologische Kleinbetriebe erleben müssen.
Es ist wohl hervorstechendes Merkmal der Südtiroler Landwirtschaft dass die großteils noch vorhandene kleinstrukturierte Landwirtschaft nicht nur für eine wertschöpfende Kulturlandschaft sorgt, umso mehr wenn dies in Zukunft durch eine naturnahe Produktionsweise und eine Vielfalt an lokalen Spezialprodukten gekrönt werden könnte.
Erst wenn die Kleinbauern mehr verdienen dürfen, wird der derzeitige Trend umkehren und es werden wieder mehr Menschen von der Landwirtschaft besser leben können. Diesbezüglich sind die Politik und die bäuerliche Standesvertretung sich umzustellen. Der Wechsel wird eine starke Änderung unserer gewohnten Lebensweise bewirken, ich würde gerne an eine gesündere, ruhigere, buntere, lokalere, glücklichere mit einer viel reichhaltigeren Kultur als km2-Wüsten von Monokulturen glauben und nehme dabei in Kauf, dass die Preise der Lebensmittel steigen werden.
Finden wir den Mut und die Zivilcourage die ausgetretenen und veralteten Strukturen zu immer größeren Einheiten und industriellen Produktionsmethoden in der Landwirtschaft zu verlassen – wir sind es unserer Zukunft schuldig!