Politics | PNIEC

Schlechte Noten für Italiens Klimaplan

Alle EU-Staaten müssen nationale Klimapläne vorlegen, was die Regierung Meloni erst im Juni 2024 erfüllt hat. Prominente Klimaschutz-Institute sind gar nicht begeistert.
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  • Ende Juni 2024 hat die Regierung Meloni der EU-Kommission die definitive Fassung des nationalen Klimaplans PNIEC (Piano Nazionale Integrato Energia e Clima) vorgelegt. Am 16.10.2024 hat auch das gesamtstaatliche Stakeholder Forum Klima seine Arbeit abgeschlossen und seine Einschätzung des Plans vorgelegt. Andrea Barbatella von Italy for Climate gibt sich in seiner Einschätzung ziemlich skeptisch. Zunächst sind die Fristen sehr eng gesetzt. Bis 2030 müssen die EU-Vorgaben von Fitfor55 und RePowerEU erfüllt werden. Laut Italiens Klimaplan können die Klimaziele bei den Erneuerbaren Energien zwar erreicht werden, nicht aber bei der Energieeffizienz, bei den vom erweiterten CO2-Emissionshandel der EU (ETS-II) betroffenen Sektoren und den Wäldern als CO2-Senken. Der Plan setzt zwar Sektorenziele, wie von der EU gefordert, doch die Maßnahmen seien zu wenig klar, so Barbatella. Im nationalen Stakeholder Forum Klima sind folgende Aspekte des PNIEC 2024 bemängelt worden:

    • Der Plan sei insgesamt zu wenig mutig und konkret. Er lege keine ausreichend solide Basis für die langfristige Dekarbonisierung Italiens.
    • Im Bereich der erneuerbaren Energie werde viel zu viel Gewicht auf Biotreibstoffe und Erdgas gelegt, ohne die reale Verfügbarkeit und Produktionskapazität von Biogas geprüft zu haben.
    • Die Stromerzeugung aus Wasserkraft und Biomasse werde vernachlässigt, obwohl sie die Stromproduktion aus Wind und Sonne stabilisieren könnte.
    • Die für 2030 angenommene Zahl von 4.3 Millionen zugelassenen reinen E-Autos sei überschätzt. Der Ausbau des lokalen ÖPNV, der Radfahrer- und Fußgängermobilität und der Sharing Mobility werde hingegen zu wenig gewichtet.
    • Der für 2030 erwartete Energieverbrauch entspricht dem heutigen, d.h. es werden viel zu geringe Effizienz- und Energiesparbemühungen unterstellt.
    • Die Sanierungsrate von jährlich 2% der Wohngebäude sei zu optimistisch, vor allem wenn gleichzeitig die staatlichen Förderungen abgebaut werden.
    • Der Plan geht von übertriebenen Schätzungen für die Herstellung von Biogas und Biomethan aus. Es sei unmöglich, Biogas in diesem Umfang für alle Bereiche wie z.B. Industrie, Schwerverkehr und Stromerzeugung zu erzeugen.
    • Die Landwirtschaft bleibe von der Pflicht zur Emissionsreduzierung nahezu ausgespart, wie auch auf Landesebene.

    ECCO, ein unabhängiger Klima Think Tank, schätzt den Klimaplan Italiens noch skeptischer ein:

    • Der Klimaplan sei rechtlich unverbindlich und weise keine konsequente Maßnahmenliste für die Zielerreichung auf.
    • Er umfasse keine schlüssige Durchrechnung des angestrebten Verlaufs der Energiewende und der Umformung der Wirtschaft zwecks Dekarbonisierung auf. 
    • Der Ausbau der Erneuerbaren Energie müsse mit konsequenten politischen Maßnahmen untermauert werden, was im PNIEC fehle.
    • Die Elektrifizierung als entscheidender Hebel zur Dekarbonisierung werde zu wenig betont. So z.B. würden gasbetriebene Wärmepumpen und e-fuel für den Verkehr überschätzt. 
    • Es fehle eine organische Vision der Umgestaltung der Industrie im Zuge der Dekarbonisierung.
    • Es gebe keinen Plan für die soziale Nachhaltigkeit angesichts der Umwälzungen in der Technologie und auf den Märkten. Wenn die Energiewende nicht ausreichend sozial abgefedert wird, werden breite Teile der Gesellschaft benachteiligt, würde die Energiewende zu sozioökonomischen Verwerfungen führen.

    Das ECCO macht auf weitere Ungereimtheiten des Plans aufmerksam. Italien wird mit diesem Plan 2030 die CO2-Minderungsziele um 100 Mio. Tonnen CO2-Minderung verfehlen, also nur -40% gegenüber 1990 schaffen, nicht -55%. Das wird zu 15 Mrd Euro an Strafgebühren zu Lasten des Staatshaushalts führen. Diese Mittel sollten sinnvoller rechtzeitig in die Energiewende investiert werden, anstatt hinterher Strafzahlungen an die EU leisten zu müssen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen müsse durch mutige Investitionen in die Elektrifizierung gefördert werden, nicht durch Verzögerung des Ausstiegs aus der fossilen Energie. In diesem Sinn hat ECCO einen Dekalog für eine zielführendes Klimaschutzprogramm vorgelegt.

    Jetzt – darin stimmen ECCO und Italy for Climate überein – müsse man die Umsetzung des nationalen Klimaplans streng überwachen. Speziell der Haushaltsvoranschlag 2025 muss auf Kohärenz mit dem Klimaplan geprüft werden. So etwa, ob ausreichend Fördermittel für die Erneuerbare Energie bereitgestellt werden, ob die Gebäudesanierung weiterhin gefördert wird und ob das Steuersystem insgesamt den Klimaschutz berücksichtigt. Wenn man bedenkt, wie stark Italien bereits heute vom Klimawandel betroffen ist, wäre eher zu erwarten, dass das Land unter die Klimaschutz-Vorreiter der EU aufrückt, statt auf der Bremse zu stehen. Das müsste sich in der staatlichen Haushaltspolitik eigentlich widerspiegeln. Drei Beispiele: 

    1. Mehr Mittel für die Prävention von Schäden durch Extremwetterereignisse vorsehen Diese Schäden beliefen sich in Italien 2023 auf über 6 Mrd. Euro, über 6 Mrd. gibt Italien aber für das klimaschädliche Großereignis Mailand-Cortina 2026 aus. 

    2. Statt 15 Mrd. für das unnötige Betonmonster der Brücke von Messina zu verschwenden, mit diesen Mitteln das marode Wasserleitungsnetz in Süditalien sanieren. 

    3. Die Katasterwerte allgemein an den realen Marktwert anpassen, eine eigentlich schon 2022 beschlossene Reform, doch nicht nur für Häuser, die mit dem Superbonus saniert worden sind. Dies würde viel Geld in die öffentlichen Kassen spülen, das für die Förderung der Gebäudesanierung dringend gebraucht wird. Allein, diese Regierung verzichtet auf die allgemeine Reform der Katasterwerte und baut die Sanierungs-Fördergelder stufenweise ab.