Culture | Rezension

Produktives Dagegensein: Cosima von Bonin im mumok

Wien. Eine arrivierte Künstlerin, ein Schwergewicht sozusagen, ein Kunst-Schwergewicht, hat sich im mumok niedergelassen und auf 4 Stockwerken ihr Unwesen getrieben.

*(Ich meine damit auch Unwesen, denn Kunst, die kein Unwesen treibt, ist einer Besprechung hier nicht würdig).

Was passiert, wenn wir ihrer Arbeit begegnen? Es ist eine Arbeit, die sie sich und der Welt macht, ohne Zweifel, und zwar seit 1990, als sie zu ihrer ersten Ausstellung, gemeinsam mit Josef Strau, eingeladen wurde. Sie hatte wohl damals schon den Willen, eine unter den anderen großen KünstlerInnen zu sein. Deshalb hat sie bei ihrer ersten Ausstellung ein paar bunte Luftballons mit Helium gefüllt und darauf die Namen, Geburtsdatum und das Datum der ersten Ausstellung bedeutender KünstlerkollegInnen gedruckt. Mit der Zeit sanken die Ballons herunter, jetzt wieder zu sehen neben Werken von Mike Kelley, Isa Genzken oder der Nachwuchskünstlerin Okka-Esther Hungerbühler.

 AUSSTELLUNGSRAUM MÜNZSTRASSE HAMBURG 1990 (mit Josef Strau)

Wir gehen die Stufen hinauf und befinden uns immer mehr in einer Zwischenwelt zwischen Shopping Mall und Vergnügungspark: Boxen bzw. "Soundinseln", die von den Decken hängen, verbreiten elektronische Lounge-Musik, die von DJs eigens für die Ausstellung produziert wurde. Die Tretroller und Fahrräder, die überall angekettet herumstehen, wurden laut Ausstellungsvermittlerin ursprünglich zur Nutzung durch das Publikum eingeplant, danach jedoch als zu gefährlich eingestuft und nur mehr als Attrappen abgestellt. Zum Verkauf ausgebreitet liegen, stehen (teilweise angepriesen auf lackierten Schachteln), und hängen sinistre Objekte und Konstellationen von Dingen (siehe Fotos).

Natürlich sind wir in keinem Einkaufshaus, sondern in einer Kunstausstellung. Wir dürfen die Objekte nicht anfassen, ausserdem sind sie unordentlich aufgestellt und im Raum verteilt (es gibt auch nur Einzelstücke), und leisten können wir uns das Angepriesene auch nicht. Wenn wir es denn überhaupt wollen sollten (und natürlich wollen wir es), zum Beispiel ein kotzendes Stofftierküken auf einer Rakete bei uns zu Hause aufzustellen ("Missy Missdemenour #2, The Beige Vomiting Chick, Miss Riley [Loop #2, 2006], 2011"). Anekdote am Rande: um für die kleinsten BesucherInnen der Ausstellung das Ganze erträglicher zu machen, vor allem das Kuscheltier-Berührungsverbot, wurden am Eingang kleine Plüschtiere verliehen.

   

Während die meisten Objekte auf hohem handwerklichen Niveau gemacht sind, strahlen sie oft etwas Unfertiges, Nachgeahmtes, fast Geisterhaftes aus. So gibt es einige von ihr genannte "Ghost-versions" von Dingen in beige/weiß. Kartonattrappen von Scheinwerfern sind infunktionabel und umstellen eine Bühne müder Stofftiere. Vieles strahlt ein Nichtstun, Ermüdungserscheinungen und Scheitern aus. Konsum (auch in der Kunstwelt) macht müde, der Widerstand dagegen auch. Ständig etwas Neues zu produzieren, auch für den gierigen Kunstmarkt, ebenso. So wird die einstige utopische Versprechung eines Tempels, der alle Bedürfnisse zu befriedigen vermag, wenn man nur genügend Geld angespart hat, zu einer Hülle, in der sich nur mehr die Geister von damals aufhalten, farblos, grotesk vergrößert, schlapp und von sich selbst angewidert.

Die Ausstellung ist betitelt mit "Hippies Use Side Door. Das Jahr 2014 hat ein Rad ab." "Hippies use side door" ist kein erfundener Satz, sondern ein Fundstück: er stammt aus dem Amerika der Sechziger Jahre. In Lokalen, wo dieses Schild heute noch hängt, ist Hippies längst mit Hipsters überschrieben worden. Von Bonin kreeirt eine Art Einschlussmechanismus, wenn sie aufzählt, wer alles Hippies sind: Diedrich Diederichsen, Tocotronic, Kippenberger, Mumok Advisary Board, etc. etc. Naive Jugendbewegung und angepasste Altersbourgeoisie - so werden die Hippies heute oft dargestellt. Aber wenn sie die "side door" benützen müssen, wird ein vergessener Aspekt wiedererinnert: sie waren auch eine Gefahr fürs Establishment; und diese Gefahr scheint hier aus weiter Ferne wieder durch.

Cosima von Bonin selber bewegt sich seit knapp 20 Jahren in einem Netz aus FreundInnen, mit denen sie zusammenarbeitet. Sie sagt selber "Ich bin viele" oder "Wir sind viele", und sie lässt eine Materialisierung in vielen auch zu. Trotzdem bleibt sie die Regisseurin dieses Imperiums, und ihre Handschrift scheint überall durch.

Von der Nähe der Konsum- und Kunstwelt
Die Verwendung von hochwertigen Stoffen aus der Modebranche und die Zitierung von Markennamen wie Hermés oder Margiela sieht irgendwie nach einer Strategie des Anbandelns aus, nicht nur stofflich gemeint. Die "Be-Tuchten" fühlen sich bei solchen Namen und Textilien daheim, es sieht gar nicht so anders aus wie die Sofadecke oder das Foulard, nur neu drapiert und auf Leinwänden aufgezogen, mittlerweile von professionellen Näherinnen. Auf diesen glatten Oberflächen einer Luxuswelt positioniert sie ihre kleinen Stiche, plötzlich taucht das banalste Geschirrtuch auf, Sätze wie "Harmonie ist eine Strategie" oder "Au fatigue empire", und immer wieder Cartoon-Handschuh-Gesten in Weiß.

Es tauchen der Name von Yves Saint Laurent und das Gesicht von Thomas Bernhard auf, für die Künstlerin wichtige Figuren. Der verschollene Künstler Bas Jan Ader ist gemeint hinter dem aufgesprayten "Don't Leave Me", Duffy Duck, die schwarze Version von Donald Duck wird mit Stoffen auf die Leinwand gebannt und die Simpsons hängen entfärbt als Plüschgeister an Seilen von der Decke. Überhaupt ist die ganze Ausstellung durchwirkt von sichtbaren und unsichtbaren Netzen, aus Referenzen und Zitaten aus Hoch- und Popkultur, aus Erlebtem und Erfühltem, und regt damit tatsächlich den Hunger des/der intellektuellen BürgerIn im Einkaufscenter der Gedankengebäude an. Cosima von Bonin ist schließlich Konzeptkünstlerin, das bedeutet, dass die Gedanken hinter dem Werk vorrangige Bedeutung haben, in Klartext: ohne Hintergrundinformation lassen sich die Arbeiten teils schwer erschließen bzw. nur die Oberflächen deuten.

"Uneindeutigkeit" sei eine Strategie von Cosima von Bonin, sagt die Kunstvermittlerin während der Führung im mumok. Sie wolle nicht politisch sein, und sie wolle auch keine Frauenkunst. "Ich habe keine Hintergedanken bei meiner Arbeit. Ich bin nicht politisch, ich verkünde keine Botschaften, und sogenannte Frauenkunst gibt es für mich nicht" (Begleitfolder der Ausstellung). Nun, jede/r KünstlerIn hat das Recht, solche Aussagen zu tätigen. Daraufhin können wir uns die Künstlerin in sich hineinlachend vorstellen, wie sie dem Reporter oder der Pressefrau oder überhaupt dem Kunstpublikum eins auswischen will (eine Künstlerin ohne Hintergedanken!). Oder wir sehen sie vor uns, wie sie damit nach Luft schnappend den Interpretationslawinen von KunstkritikerInnen entkommen will. Oder wie sie einem Gedanken an den autonomen Kunstbegriff nachhängt. Oder einen Begriff tötet, indem sie seine Existenz radikal negiert (den Oppositionsbegriff "Männerkunst" gibt es schließlich auch nicht).

Cosima von Bonin: HIPPIES USE SIDE DOOR. DAS JAHR 2014 HAT EIN RAD AB.
4.10.2014 - 18.01.2015
Mumok Wien
mumok.at