Politics | Kaufhaus Bozen

Ende der Phase 1, wir starten Neues

wir sind sehr erleichtert über das Abstimmungsergebnis und über das Ende der Phase 1, wir starten Neues mit Vorschlägen für eine gute Entwicklung unserer Stadt
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Wir sind eine Initiativgruppe, bestehend aus BürgerInnen und ExpertInnen aus den verschiedensten Bereichen und finden es als höchst bedenklich, wie die Stadt- und Landesregierung mit dieser unserer Stadt umgehen. Wir treten für eine harmonische, zukunftsweisende Stadtentwicklung ein, die frei vom Druck durch internationale, nationale und lokale Kapitalgeber entstehen muss. Wir danken daher all jenen, die mit uns die Kritik an diesem Projekt teilen oder aus welchen Gründen auch immer mit Nein stimmten oder sich der Stimme enthielten. Allemal ist uns so die Zeit gegeben, gemeinsam zum Gemeinwohl und insbesondere Wohl dieser unserer Stadt eine sanfte und nachhaltige Entwicklung zu gestalten, uns nicht von irgendwelchen kurzschlüssigen Kalkülen und Partikularinteressen treiben, gar unter Druck setzen zu lassen. Das Gesetz 55 quinquies – sog. Lex Benko – erweist sich als ein so fragwürdiges wie undemokratisches Instrument, das offensichtlich alle vernünftigen Spielregeln und alle bestehenden Bestimmungen der Raumordnung aushebelt (Ensembleschutz, Bauindex, verbaubare Flächen).

Von jenen, die jetzt dem Projekt nachtrauern, gibt es wenige, die sich wirklich mit den kritischen Punkten des Projektes und Vertrages auseinander gesetzt haben:

Wer sich hingegen in den letzten Monaten mit dem Projekt beschäftigt hat und sich die Mühe gemacht hatte, die Dokumente zu studieren, welche von der Dienststellenkonferenz unter der „Mitarbeit“ der KHB ausgearbeitet wurden, musste feststellen, dass dieses Vertragswerk voller Unstimmigkeiten und Bestimmungen zum Schaden der Gemeinde und somit der Bürgerinnen und Bürger ist.

Jede/r, der/die darüber abstimmen musste, ob ein solches Projekt in Bozen umgesetzt wird, hatte die Pflicht, sich davon zu überzeugen, ob die versprochenen Gelder auch wirklich bezahlt werden und ob die Flächen und Kubaturen, über die im Vertrag gesprochen wird, auch den Vorschriften entsprechen, welche die Gemeinde festgelegt hatte:

Denn auch wenn die Dienststellenkonferenz und die Vertreter des Promotoren in den Präsentationen das Projekt in höchsten Tönen gepriesen haben, enthalten die Seiten des Vertrages sehr viel Punkte, die erst bei genauer Analyse ersichtlich werden, den Teufel im Detail erkennen lassen:

Man sprach von 100 Millionen €, welche die Gemeinde im Gegenzug für ihren Park, den Busbahnhof und die zusätzlich verbaubaren 197.000 m³ erhält (der Immobilien- bzw. Grundwert wurde mit 14.500.000.- € geschätzt) und übersah, dass in Wirklichkeit so viele Abzüge noch einzurechnen sind, dass am Ende wahrscheinlich gar nichts mehr übrig bleibt: für Infrastrukturen und deren Erhaltung, für die provisorische Verstellung des Busbahnhofs samt Kreisverkehr, die Erstellung der neuen zusätzlichen Bushaltestellen, den Abbruch des bestehenden Busbahnhofs, die Bonifizierung des dortigen Geländes, für Steuern und Abgaben jeder Art. Dies sind alles Kosten, die eigentlich zu Lasten des Promotors gehen müssten, da diese Arbeiten nur vorgesehen sind, um ihm jetzt diese Flächen zur Verfügung zu stellen.

Dabei wird auch in den Diskussionen dieser Tage vergessen, dass die Gemeinde hierbei die besten Gründe verkauft, die sie in Bozen besitzt und nie mehr zurückbekommen kann!

Die Öffentlichkeit darf die Stadt nicht kritiklos den Privaten überlassen, gemeinsam könnten unter der Regie der Gemeinde gute Alternativprojekte entwickelt werden.

Investoren, die nicht mit dem Territorium verwurzelt und beheimatet sind und wie die Wanderheuschrecken das beste Stück der Stadt zu Ausverkaufspreisen abgrasen und dann weiterziehen, hinterlassen im konkreten Fall eine verunsicherte Gemeinde.

Uns bleibt hingegen eine Serie von Fragen:

- weshalb reduzieren die meisten Medien das Projekt auf „Einkaufszentrum ja oder nein, ein Geschenk an die Stadt für 100 Millionen, Bauaufträge im Wert von 350 Millionen und 1000 neue Arbeitsplätze“ anstatt die Frage zu stellen, wieso ein Investor sich öffentlichen Grund und Besitz aneignen kann, ohne dass die Gemeinde vorher über eine klare Kosten-Nutzenanalyse die Frage des öffentlichen Interesses klärt?

- wie kann es sein, dass man die Verfahrensweise des Investors nicht hinterfragen will.

- wie kann es sein, dass bisher erklärt wurde, dass die 3 von Benko finanzierten Projekte (Kaufhaus, Virgl und Grieser Kellerei) nichts miteinander zu tun hätten (siehe Aussage von Walcher am Abend der Abstimmung) und auch nicht als Druckmittel verwendet würden? Diese Frage hat sich eigentlich erübrigt, da nun Hager öffentlich erklärt hat, dass man die drei Projekte nur alle 3 zusammen ausführen werde(Tageszeitung vom 25.7.2015)

- warum wird behauptet, dass die KHB, eine kapitalschwache Bozner Gesellschaft mit beschränkter Haftung (mit 100.000€ Gesellschaftskapital), das Projekt einbringt, die nur ungenügende Fidejussionen für die Vollendung der Arbeiten bietet (20% für die privaten Bauten) wenn de facto ganz klar Benko dahinter steht (hat dies am 15.7. im Bozner Rathaus ja öffentlich erklärt), der wegen Korruption verurteilt wurde und deshalb gar kein Projekt vorlegen dürfte?

- wie kann es sein, dass Heinz Peter Hager am Tag vor der Abgabe des Projektes erklärt, die KHB-Signa würde kein Projekt abgeben, weil die gestellten Kriterien gegen die Interessen des Investors verstoßen würden und plötzlich am nächsten Tag wurde um 5 Minuten vor 12 ein fertiges Projekt samt Modellentwurf aus dem Hut gezaubert?

- nennt man das nicht „Druck machen“ auf die öffentliche Meinung? Wie kann es sein, dass sich unsere Medien dieser Propaganda unterwerfen?

- ist das demokratiepolitisch nicht sehr fragwürdig, dass dieser Vertrag nach der Unterschrift des Bürgermeisters und des Landeshauptmannes und Ratifizierung nicht mehr nachgebessert werden kann?

und auch noch:

- wie kann es sein, dass seit 2010 der Betrag von 100.000.-€ in den Gemeindekassen darauf wartet, für die Aufwertung des Bahnhofsparks ausgegeben zu werden?

- wie kann es sein, dass Stadträtin Peintner Kofler vor einiger Zeit der Vorschlag für eine Radstation im Bahnhofspark mit der Begründung abgeschlagen wurde, daß diese die Wurzeln der Bäume des Parks beschädigen würde? (das Projekt Kaufhaus sieht vor, dass die selben Bäume eliminiert und nur zu einem Teil durch neue ersetzt würden!)

- und die letzte Frage: weshalb wurden von den Verantwortlichen und den Medien unseren Vorschlägen für Verbesserungen für die Stadt nicht die notwendige und verdiente objektive Aufmerksamkeit zugeteilt?

Dazu gab und gibt es viele: von der Instandsetzung des Parks, bis zur Sanierung/Erweiterung des Busbahnhofs, der Aufwertung der Plätze und Straßen in den verschiedenen Stadtvierteln bis zu einem professionellen Stadtmarketing.

Wir wollen für Bozens Zukunft nun sinnvolle Entwicklungen aufzeigen, indem wir im Herbst Fachleute wie Pump Uhrmann, Jan Gehl, Arno Brandlhuber u.a. zu einer Tagung einladen werden, die Erfahrung in Stadtentwicklung und Partizipation haben. Es braucht ebenso eine sofortige Abänderung des Art. 55 quinquies, eine Einbeziehung der Baulücke in der Südtirolerstrasse - aber keine zusätzlichen Pkw-Stellflachen und keine Untertunnelung von Straßen. So könnte aus den erworbenen Immobilien der Signa etwas Positives entstehen.

Diese Arbeit kann nur unter Einbeziehung der Bevölkerung geschehen und unter der Berücksichtigung ihrer wirklichen Bedürfnisse.

Ein bisschen guter Wille und gar nicht so viel Geld würden der Stadt viel mehr bringen als ein bereits vom Konzept her „veraltetes, kopiertes“ Einkaufszentrum!

„Unsere Stadt- Città nostra“ Bozen, 27.7.2015