Economia | Bürgereinkommen

Das verheißungsvolle Versprechen

Alfred Ebner, CGIL-AGB, über das Bürgereinkommen in Italien: Wahlstrategische Hintergründe, Armutsbekämpfung und die Folgen.
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Bürgereinkommen
Foto: CC0

Das geplante Bürgereinkommen in Italien ist in aller Munde. Stecken dahinter auch wahlstrategische Überlegungen?

Alfred Ebner: Das Bürgereinkommen war schon immer ein bedeutendes Versprechen der Fünf Sterne Bewegung, aus dem sehr viel politisches Kapital geschlagen wurde. Als regierungsbildende Partei muss man nun zeigen, dass man Wahlversprechen auch umsetzt. Diese Versprechen sehen bei der Konfrontation mit der Realität natürlich anders aus wie in der Wahlkampagne. Zudem möchte die Lega natürlich auch mitreden und verfolgt diesbezüglich unterschwellig andere politische Strategien.

 

Glauben Sie die Umsetzung des Bürgereinkommens im April beeinflusst die Europawahlen im Mai?

Die zwei großen Themen der Wahlkampagnen, die Pensionsreform und das Bürgereinkommen, hat man jetzt kurz vor den Europawahlen durchgezogen. Das wird wichtig sein, um einen Konsens bei den Bürgern einzufordern. Bei der letzten Wahl haben die 80€ von Renzi zweifelsohne Wahlstimmen gebracht und auch dieses Mal wird es wahrscheinlich Stimmengewinne geben, wenn man kurz vor den Wahlen die beiden Maßnahmen durchführt.

 

Klingt nach politischem Kalkül…

Grundsätzlich ist es nicht negativ, dass man über ein Bürgereinkommen nachdenkt. Nur der Zeitraum klingt ein wenig nach Wahlpropaganda. Auch ist das Gesetzesdekret nicht verabschiedet, es könnte also noch Abweichungen geben.

 

Blenden wir die wahlstrategischen Hintergründe aus, hält das Bürgereinkommen was es verspricht?

Die Regierung wirft mit Aussagen wie, „Wir haben jetzt die Armut in Italien abgeschafft“, um sich. Das ist sicher stark übertrieben, mit den zu Verfügung stehenden Geldern kann man die Armut in Italien sicher nicht beenden. Armut ist nicht nur eine Einkommensfrage. Armut ist ein sehr komplexes Thema. Es umschließt viele soziale Faktoren: Gesundheit, psychische Stabilität aber auch die Herausforderung für Frauen, besonders für Alleinerziehende, Beruf und Familie zu kombinieren. Das Vorhaben Armut zu bekämpfen ist äußerst wichtig. Aber das Dekret scheint mehr auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet zu sein, denn ohne Umschweife spricht man hauptsächlich von Arbeitsbeschaffung, für jene, die keine Lust zum Arbeiten haben. Die sozialen Aspekte gehen unter, aber eine effektive Armutsbekämpfung muss auch mit anderen Maßnahmen zusammenhängen. Wie will die Regierung zum Beispiel in einigen Regionen Italiens Arbeit anbieten, wenn es dort keine Arbeit gibt?

 

Also Arbeit zur Armutsbekämpfung?

Arbeit ist die beste Maßnahme zur Armutsbekämpfung. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass es immer mehr Menschen gibt die arbeiten und trotzdem arm sind. Es braucht also auch eine bessere Absicherung der Bediensteten in einigen Wirtschaftsbereichen durch bessere Löhne.

 

Was wurde in Italien bisher gegen die Armut unternommen?

Insgesamt sehr wenig, die Sozialleistungen waren sehr stark von den einzelnen Regionen abhängig. Im Vergleich mit Österreich und Deutschland waren die Ausgaben Italiens für den Sozialstaat viel geringer, die Unterschiede werden auch mit dem Bürgereinkommen kaum ausgeglichen.

 

In vielen Ländern Europas gibt es momentan Debatten über die Sozialleistungen…

In ganz Europa ist die Tendenz beobachtbar, dass zunehmend Versuche unternommen werden, die Sozialleistungen zurückzustufen und auf Versicherungsebene zu verschieben. Es obliegt also verstärkt dem Einzelnen, sich für negative Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit und Alter abzusichern, anstatt öffentliche Wohlfahrtsleistungen anzubieten. Das ist eine gesamteuropäische Strategie, die von der herrschenden Sparpolitik in die Wege geleitet wurde.  

 

Welche Auswirkungen hat das geplante Bürgereinkommen auf Südtirol?

Sozialleistungen sind eine primäre Kompetenz der Autonomen Provinz Bozen. Das Fehlen einer Absprache mit dem Land Südtirol ist zweifelsohne ein Eingriff in die Zuständigkeit der Autonomen Provinz. Es ist verständlich, dass sich das Land Südtirol dagegen wehrt. Aus dem Blickwinkel des Autonomiestatuts müsste der Verfassungsgerichtshof Südtirol recht geben.

 

Wenn aber ein Südtiroler/eine Südtirolerin das Bürgereinkommen haben möchte?

Das könnte nicht verwehrt werden. Allerdings gibt es in Südtirol bereits eine Mindestsicherung sowie andere Sozialleistungen, die sich mit dem Bürgereinkommen überschneiden würden. Der Bürger hat nun die Möglichkeit sich für eine der zwei Leistungen zu entscheiden, zwischen jenen der Provinz und jenen des Staates. Die Landesregierung hat diesbezüglich die notwendigen Bestimmungen bereits erlassen. Hoffentlich wird der Bürger dadurch nicht überfordert.  Bereits jetzt gibt es eine Unmenge an Leistungen und der Bürger hat zum Teil die Übersicht bereits verloren. Deshalb fordern wir ein Überdenken und eine Vereinfachung der Sozialleistungen und nicht noch mehr Verunsicherung. Eines ist allerdings sicher: die Sozialleistungen des Landes dürfen nicht unter denen des Bürgereinkommens liegen.

 

Punkto Ansässigkeitsklausel…

Da unterscheiden sich die vorgesehenen Leistungen des Staates und die momentanen der Provinz stark. Die nationale Grundsicherung spricht grundsätzlich von einer 10 Jahresklausel während es in Südtirol bisher meist fünf Jahre sind.

 

Was sagt die Gewerkschaft zum Bürgereinkommen?

Als Gewerkschaft befürworten wir natürlich alle Maßnahmen die der wachsenden Armut und den Ungleichheiten in der Gesellschaft entgegenwirken. Ich bin aber diesem Gesetz gegenüber eher skeptisch, da alles sehr kurzfristig und ohne Einbeziehung der Sozialpartner über die Bühne gegangen ist. Wenn heikle Reformen schnell umgesetzt werden, beinhalten sie meist auch Risiken.

 

Zum Beispiel?

Es fehlen praktische Überlegungen. Der Staat gibt bedürftigen Menschen eine geringe Unterstützung mit der Bedingung, dass sie Arbeit suchen oder eine Arbeit annehmen, die ihnen zugewiesen wird. Nach einem Jahr Beziehung dieser Gelder ist man gezwungen, irgendwo in Italien eine Arbeitsstelle anzunehmen. Bekommt jemand aus Sizilien eine Arbeitsstelle in Südtirol angeboten, muss er/sie nach einem Jahr Mindestsicherung die Arbeit annehmen. Gleichzeitig ist es schwierig in Regionen wie Südtirol mit geringem Einkommen zu leben. Und es gibt noch ein weiteres Limit.

 

Das wäre?

Die Gelder. Es stehen nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung. Wenn diese ausgeschöpft sind, ist entweder Schluss, oder alles wird  neu überdacht und die Leistungen zurückgefahren. Auch hier gibt es Unsicherheitsfaktoren, die nicht unterschätzt werden dürfen.